Deutsche Minderheit

Pastorin Hansen: „Das war eine Ära für sich“

Pastorin Hansen: „Das war eine Ära für sich“

Pastorin Hansen: „Das war eine Ära für sich“

Hadersleben/Haderslev
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Christa Hansen im Pastorat am Dammpark Foto: Karin Riggelsen

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18 Jahre war sie für die deutschen Teile der Gemeinden in Hadersleben die Ansprechpartnerin bei allen Fragen zu Gott und der Welt. Nun wartet der Ruhestand auf Pastorin Christa Hansen. Im Abschiedsinterview mit dem „Nordschleswiger“ blickt sie auf ihr Arbeitsleben und ihr Wirken in der Domstadt zurück.

Und die scheidende Pastorin verrät, wie sie künftig gedenkt, ihre Sonntage zu gestalten.

Alles kann, nichts muss – so lautet das Motto für Christa Hansen ab Ende November, zumindest, wenn es um kirchliche Amtshandlungen geht. Die deutsche Pastorin in Hadersleben verabschiedet sich nach 36 Jahren im Dienst der Kirche am 20. November bei einem festlichen Gottesdienst im Dom zu Hadersleben in den Ruhestand.

Damit ist sie ab 1. Dezember von ihren Pflichten als Pastorin entbunden. Das Recht zu verkündigen und die Sakramente zu verwalten, werde ihr jedoch weiterhin gewährt, wie sie im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“ freudig berichtet.

Was die geschätzte Geistliche für die Zeit nach ihrem Rückzug aus dem Arbeitsleben geplant hat und mit welchen Erinnerungen im Gepäck sie sich aus der Domstadt verabschiedet, verrät sie im Interview.

Beginnen wir am besten am Anfang: Wo hast du vor 36 Jahren deine Laufbahn als Pastorin begonnen, und was hat dich letztendlich nach Hadersleben verschlagen?

Anfangs war ich Vikarin im Predigerseminar in Breklum und währenddessen in der Kirchengemeinde in Wesselburen in Dithmarschen. Dort war ich damals die Erste, die übernommen wurde. Denn eigentlich galt die Regel, dass man nicht dort bleiben darf, wo man als Vikarin angestellt war. Aber ich war damals sozusagen ein Präzedenzfall und durfte bleiben.

Das tat ich dann auch bis Anfang der 90er. Danach war ich theologische Referentin und stellvertretende Leiterin im Frauenwerk in Neumünster. Und von dort aus bin ich dann „nach Hause geholt“ worden – in dem Sinne, dass mich Gerhard Schmidt anrief, weil die Stelle in Tingleff frei geworden war. Damals habe ich gedacht: Na, ich kann mir das ja mal anschauen, und stellte dann überraschenderweise fest, dass ich vermutlich die ganzen Jahre Heimweh gehabt hatte. Acht Jahre war ich daraufhin Pastorin in Tingleff in der Nordschleswigschen Gemeinde, bis mich eines Tages der damalige Bischof des Bistums Hadersleben, Niels Henrik Arendt, anrief und fragte, ob ich nicht Lust hätte, nach Hadersleben zu kommen. Da sagte ich erst mal: Nee, das hätte ich nun wirklich nicht. (lacht)

Für die scheidende Pastorin beginnt ein neues Kapitel an der Westküste. Foto: Karin Riggelsen

Warum nicht?

Ich hatte es gut in Tingleff und fand eigentlich auch, dass Entwicklungspotenzial da war, denn ich hatte damals mit meinem Kollegen Jørgen Storgård Jensen angefangen, über die nationalen Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Doch dann rief Niels Henrik Arendt ein zweites Mal an. Da hatte ich bereits über sein Angebot nachgedacht und gedacht, dass mir ein wenig mehr Stadt gefallen könnte. Als er dann das dritte Mal anrief, sagte ich: Ja, ich bewerbe mich. (lacht) Und ich habe es nicht bereut. Das ist meine beste Stelle gewesen, weil ich diese Zusatzaufgaben im Bistum hatte und genossen habe, dass ich sehr selbstständig arbeiten konnte und trotzdem die Grundarbeit der Gemeindearbeit hatte. Ich hatte eine Quote, die offiziell zu 70 Prozent aus Gemeindearbeit, also für die Domgemeinde und die Gemeinde Alt-Hadersleben, und 30 Prozent für das Bistum bestand. Zeitweise war das natürlich umgekehrt, und zeitweise auch 100 für jede (lacht). Das hat mir sehr gefallen. Das habe ich wirklich sehr gerne gemacht – all die Jahre. Alles hat aber ein Ende, auch das aktive Arbeitsleben.

Was war für dich der Auslöser zu sagen, ich gehe zwei Jahre früher in den Ruhestand?

Dass ich während des Lockdowns festgestellt habe: Ich kann auch ohne Arbeit. Da habe ich im Übrigen auch sehr viel Rückmeldungen bekommen. Eine der ersten Mails kam vom Propst aus Südschleswig, der fragte, ob ich dann nicht gelegentlich bei denen aushelfen könnte. Das, finde ich, ist eine Form der Anerkennung. Ich meine, ich bin die Einzige, die immer beide Talare – dänisch und deutsch – gehabt hat und mal so, mal so agiert hat. Aber wenn ich gleich aus Südschleswig angefragt werde, dann glaube ich, habe ich etwas richtig gemacht. Dann war es weder die eine noch die andere Minderheit, dann war es nicht zu nationalbetont. Und das hat mich sehr gefreut.

Sie genieße es, im Schlafanzug ihren Sonntagmorgen zu verbringen, gesteht Christa Hansen. Foto: Karin Riggelsen

Werden wir dich auch in Zukunft in Hadersleben antreffen? Was steht an?

Ich ziehe nach Tondern und bewusst auch weg aus Hadersleben. Einmal aus egoistischen Gründen, um aus der Rolle herauszukommen, die ich hier bestimmt weiter hätte, und auch um einer Nachfolgerin, einem Nachfolger nicht im Wege zu stehen. Ich habe das Gefühl, dass das richtig ist. Außerdem habe ich so prominent gewohnt, mit diesem Pastorat, mit Blick auf den Damm, wo das größte Problem weder Schimmel noch das undichte Dach war. Das größte Problem war immer der Neid (lacht). Wo soll ich denn in Hadersleben hinziehen, ohne dass ich heulend am Pastorat vorbeilaufe (lacht)? Das war eine Ära für sich. Es hat sich letztendlich auch einfach alles so ergeben. Da war gerade ein Haus in Tondern frei, in dem ich gerne wohnen will.

Aber ich werde vermutlich weiter privat praktizierende Pastorin sein. Ich werde vermeiden, in Hadersleben oder Tondern zu agieren, aber ich bin gerne bereit, meinen Talar anzuziehen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Meine größte Spezialität waren ja immer die Gottesdienste auf Sønderjysk. Ich denke, dass es da vielleicht Nachfragen gibt.

Außer deinem Haus in Spitzenlage, was wird dir an Hadersleben fehlen?

Das gute Sauerteigbrot aus Becks Mikrobäckerei. (lacht) Aber im Ernst. Der Dom wird mir schon fehlen. Es wird mir die Kirchenmusik fehlen, und diese Begegnung mit den jungen Leuten in den Chören. Doch am allermeisten werden mir die Konfis fehlen. Ich habe immer so gerne Konfis gehabt. Das wird mir echt fehlen. Und ich habe es sehr genossen, mit den Chören, vor allem mit dem Knabenchor, unterwegs zu sein. Mit dem war ich damals sogar in den USA. Das war ganz toll.

Der Abschied vom Pastorat in bester Lage fällt Pastorin Hansen nicht gerade leicht. Foto: Karin Riggelsen

Worauf freust du dich im Ruhestand am meisten?

Ich freue mich darauf, Zeit zu haben und die auch verplempern zu können. Ich freue mich darauf, wieder an der Westküste zu sein, das ist irgendwie meine Heimat. Der Himmel ist nur richtig in Tondern – der Wind auch. Deswegen wollte ich da auch wieder hin. Und dann sind in meinem weiteren Freundes- und Bekanntenkreis viele, die jetzt in Ruhestand gehen. Deshalb freue ich mich darauf, dass wir uns fortan auch einfach am Mittwochvormittag oder Dienstagvormittag treffen können. Aber ich freue mich auch, wenn ich dann gelegentlich mal wieder das schwarze Kleid anziehen kann – das dänische oder das deutsche.

Hand aufs Herz, wie sehr freust du dich darauf, sonntags ausschlafen zu können?

Mega. Ich liebe es, sonntagmorgens im Nachtzeug meinen Kaffee zu trinken und einfach ein gutes Buch oder einen Podcast zu genießen.

Deine Predigten waren immer davon geprägt, dass sie sehr aus dem Leben gegriffen waren, dass man immer einen Bezug zur Wirklichkeit herstellen konnte, auch wenn man vielleicht nicht so bibelfest ist. Wie schafft man das, 18 beziehungsweise 36 Jahre lang fast jeden Sonntag ein neues Thema zu finden? Und worauf hast du bei deinen Predigten besonderen Wert gelegt?

Ich habe Heinrich Albers, der war einst Bürgermeister in Berlin und Pastor zuletzt in Dahlem, immer sehr bewundert, weil er, als ich studierte, zu dem Kreis der Politischen gehörte. Und er hat mir einmal gesagt: „Wenn du um 10 Uhr predigst, musst du das letzte Mal um 8 Uhr die Nachrichten gehört haben, weil sonst kannst du um 10 nicht predigen, jedenfalls nicht wahrhaftig.“ Das habe ich mir sehr zu Herzen genommen und habe auch immer danach gehandelt, denn wenn das biblische Wort nichts mit meiner oder deiner Gegenwart zu tun hat, dann ist es ja auch falsch. Meine Aufgabe war es, das Wort auszulegen auf unsere Zeit und nicht zu sagen, was die vor 2.000 Jahren gemeint haben, wenn sie sagen, man soll Fremde aus der Stadt jagen. Sondern zu sagen, was es wohl heute bedeuten könnte. Und heute kann man natürlich nur sagen: Die haben sich schon damals vertan.

Ich habe schon immer sehr viele kritische Fragen an die Kirche gehabt, und die werde ich auch weiterhin haben. Und es ist auch nötig, dass man immer wieder kritische Fragen an die Kirche stellt. Aber ich finde es auch wichtig, für diejenigen, die sagen, dass sie Glauben nicht für sich handhaben können, dass Kirche auch eine kulturelle Funktion hat und dass man die dann akzeptiert und wahrnimmt.

Der Abschied von den Konfis – den Konfirmandinnen und Konfirmanden – fällt Christa Hansen schwer. Foto: Karin Riggelsen

Mehr als zwei Jahrzehnte warst du als Pastorin für die deutsche Minderheit zuständig. Welche Veränderungen hast du in dieser Zeit wahrgenommen?

Ich bin vor 25 Jahren in Tingleff angekommen. Damals war die Minderheit in Tingleff noch in sich gefasst, mit festen Grenzen, wenn ich das so sagen kann. Man wusste, wer in welches Lager gehört, und da gehörte man auch hin – ohne große Widerrede. Das hat sich verändert, Minderheit ist in sich nicht mehr so stringent. Die Kerngemeinde hier war manchmal ganz erstaunt über Leute, die ihre Kinder taufen ließen oder wer getraut worden war, und fragte dann tatsächlich: Gehören die denn zu uns? Da ist auch eine gewisse Überheblichkeit in der Minderheit, wer definieren darf, ob man Minderheit ist oder nicht. Das ist freier geworden, das hat sich geändert. Gott sei Dank, weil es nötig ist, diese Offenheit zu haben und zu akzeptieren, dass es Leute gibt, die eine Lebensphasenentscheidung treffen – und nicht von der Wiege bis zur Bahre. Dass wir hier immer so viele kirchliche Amtshandlungen gehabt haben – also Trauungen, Taufen und Beerdigungen – das liegt an der Zweisprachigkeit.

Wenn du auf deine Zeit als deutsche Pastorin in Hadersleben zurückblickst, was würdest du sagen, war für dich einer der schönsten oder prägnantesten Momente?

Das war in Wittenberg, als uns eingefallen ist, die Königin zu fragen, ob sie nicht ein Antependium für die Schlosskirche machen will. Dass das alles durchgeführt werden konnte, auch der Gottesdienst mit beiden Staatsoberhäuptern, der Königin und Bundespräsident Gauck, das war schon einzigartig.

Hier in Hadersleben waren die Highlights für mich immer, wenn die Wittenberger zu Besuch waren, also wenn wir diesen Austausch hatten, der ja sehr lebendig wurde im Laufe der Jahre. Das freut mich sehr, dass dieser jetzt sowohl auf kommunaler als auch auf kirchlicher Ebene einen Schubs bekommen hat. Es freut mich, dass ich das so hinterlassen kann, schließlich war das einer der Wünsche, die Niels Henrik Arendt an mich hatte. Der Austausch war zu dem Zeitpunkt, als ich in Hadersleben anfing, etwas eingeschlafen.

Und dann habe ich das Gefühl, es ist mir hier ganz gut geglückt, Versöhnungsarbeit zu leisten. Wenn in der Kaserne etwas ansteht, bin ich immer eingeladen – der Dompropst und die deutsche Pastorin. Da hat sich in meiner Wahrnehmung in diesen 18 Jahren viel getan. Das sagen auch die Kollegen aus der Domgemeinde: „Früher war der deutsche Teil der Gemeinde eher ein Annex, aber jetzt ist er plötzlich mittendrin und gehört mit dazu.“
Und das freut mich wirklich sehr.

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