GRENZHANDEL

Dosenpfand-Schlupfloch – das sagen Flensburgs Politiker

Dosenpfand-Schlupfloch – das sagen Flensburgs Politiker

Dosenpfand-Schlupfloch – das sagen Flensburgs Politiker

Mira Nagar/shz.de
Flensburg/Harrislee
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Ein Kunde schiebt seine Ausbeute an Bier und Limo zum Auto. Foto: Carsten Rehder

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Braucht es Pfand im Grenzhandel, um die Umwelt vor Dosenmüll zu bewahren? Und wenn ja: welches? Politische Stimmen aus Flensburg zum Dosenpfand-Dilemma.

Es ist ein gewohntes Bild: Palettenweise laden Dänen Limo und Bier in Dosen in ihre Kofferräume. Günstig und vor allem pfandfrei eingekauft im Grenzhandel in Handewitt oder Harrislee. 

Doch dieser Sonderweg wird immer wieder kritisiert. Aktuell vor allem von zwei Seiten: Dem Umweltaspekt und wegen eines möglichen wirtschaftlichen Vorteils. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagt vor dem Verwaltungsgericht Schleswig gegen den Kreis Schleswig-Flensburg wegen angeblicher Verstöße gegen das Verpackungsgesetz.

 

Der Interessensverband dänischer Unternehmen zog wegen illegaler staatlicher Beihilfen für den Grenzhandel vor das EU-Gericht. Mit einem Teilerfolg: Während eine Entscheidung aus Schleswig noch aussteht, kippte das EU-Gericht eine Entscheidung zu Ausnahmen beim Dosenpfand. Die EU-Kommission muss die gängige Praxis also noch einmal überprüfen. 

 

„Wir erwarten, dass mit dem Urteil endlich Bewegung in die Diskussion um das Dosenpfand kommt“, hofft die Grünen-Kreisvorsitzende Marlene Langholz-Kaiser. „Jährlich werden etwa 650 Millionen Dosen im Deutsch-Dänischen Grenzhandel verkauft. Ein Großteil dieser Dosen landet irgendwann in der Umwelt und die im Material enthaltenen schädlichen Stoffe in unserem Grundwasser. Hier wird von einigen wenigen Profit auf Kosten der Umwelt gemacht." 

 

Es gibt aktuell keinen konkreten Grund, die Rechtskonfomität anzuzweifeln und diesem für uns alle wichtigen Wirtschaftszweig ,Knüppel zwischen die Beine zu werfen'.

Andreas Rothgaenger (WiF)

 

Kritik an den Klagen gibt es von der Flensburger Ratsfraktion Wir in Flensburg (WiF). „Pandemiebedingt halten wir es aktuell für einen unglücklichen Vorstoß, tausenden Menschen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zusätzliche Ängste zu bereiten“, gibt Andreas Rothgaenger zu bedenken. „Der Grenzhandel war und ist ein starker Wachstumsmotor unserer Region für beide Seiten der Grenze. Es gibt aktuell keinen konkreten Grund, die Rechtskonfomität anzuzweifeln und diesem für uns alle wichtigen Wirtschaftszweig ,Knüppel zwischen die Beine zu werfen'.“ 

Er nehme nicht wahr, dass sich durch die Pfandfreiheit akute, messbare Nachteile für die Umwelt ergeben. „Vielmehr ist das Umweltbewusstsein beidseits der Grenze erheblich gestiegen und nicht mehr mit dem Umweltverhalten von vor zwanzig Jahren oder früher zu vergleichen.“ 

Grenzhandel zu Unrecht in der Kritik 

Arne Rüstemeier, CDU, sieht vor allem die deutschen Händler zu Unrecht in der Kritik. „Umgekehrt wird ein Schuh draus: Deutschland ist in jedem Fall der falsche Adressat bei der Beschwerde gegen die Dosenpfandbefreiung im Grenzhandel in Form von illegaler staatlicher Beihilfe“, findet der CDU-Politiker aus Flensburg. „Dass es mit dem Vollzug hapert, liegt an Dänemark.“ Das Königreich scheue die hohen Kosten dafür, das eigene Rücknahme-System so auszubauen, dass es die Unmengen in Deutschland gekaufter Dosen überhaupt aufnehmen kann. 

„Wir stehen hier in einer Verantwortung für unsere Grenzregion und unterstützen die Klage der DUH“, geben hingegen Luca Grimminger und Katrine Hoop (Die Linke) zu bedenken. „Die Pfandpflicht entfällt ja sonst auch nicht, wenn wir Getränkedosen im Urlaub kaufen und mit nach Hause nehmen“. 

Die Zeit, in der wir die Natur für billige Profite opfern, ist hoffentlich bald vorbei.

Philipp Bohk, SSW

 

Auch beim SSW unterstreicht man den Umwelt-Aspekt: „Wir alle kennen im Grenzland Stellen, wo die Natur mit leeren Getränkedosen verschmutzt ist“, erklärt Philipp Bohk (SSW). „Natürlich profitiert der Norden von zahlreichen Kunden, die für die günstigen Getränke ins Flensburger Umland fahren. Aber die Zeit, in der wir die Natur für billige Profite opfern, ist hoffentlich bald vorbei.“ 

Bohk geht nicht davon aus, dass Grenzmärkte schließen müssen, wenn auch dort das Verpackungsgesetz mit der Pfandpflicht gilt. „Ich hoffe, dass die Mehrheit unserer Nachbarn ganz selbstverständlich auf Mehrwegflaschen umsteigen wird oder die Dosen beim nächsten Einkauf wieder in den Wertstoffkreislauf geben wird, wenn es dafür Pfand gibt.“ 

Bestehende Vereinbarung muss umgesetzt werden 

Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass die Pfandfreiheit im Grenzhandel dazu führt, dass die Wiederverwendungsquote zu Lasten der Umwelt sinkt, argumentiert auch die SPD. „Bereits 2015 wurde eine Vereinbarung zur Erhebung eines Pfandes zwischen Kopenhagen, Berlin und Kiel unterzeichnet“, so die Kreisvorsitzenden Birgit Jaspersen und Lars Christiansen. 

„2018 sollte es dann auf dänischer Seite ein Pfandsystem für in Deutschland gekaufte Dosen geben. Leider ist dies bis heute nicht geschehen. Eine praktisch-politische Lösung der Frage steht somit noch aus.“ Dabei sei eine politische Lösung immer noch besser als „ein Gerichtsurteil mit arbeitsplatzgefährdender Wirkung“. 

Wenn der Pfand in Roskilde, Horsens oder Odense nicht eingelöst werden kann, entfällt auch der Anreiz zur Rückgabe in den Stoffkreislauf. Wo ist da der umweltpolitische Sinn?

Kay Richert, FDP

 

Einbezug ins Deutsche Pfandsystem schwierig 

Ob Deutsches Pfand im Grenzhandel praktikabel ist, wird jedoch in Zweifel gezogen. Laut Kay Richert (FDP) ist es strittig, ob überhaupt Pfand erhoben werden kann, wenn das Leergut gar nicht wohnortnah wieder zurückgegeben werden kann. „Wenn der Pfand in Roskilde, Horsens oder Odense nicht eingelöst werden kann, entfällt auch der Anreiz zur Rückgabe in den Stoffkreislauf. Wo ist da der umweltpolitische Sinn?“, fragt sich Richert. „Die in den Export verkauften Einwegdosen mit deutschem Pfand zu belegen, wäre nicht nur skurril, sondern eine Gefahr für die Grenzhändler, mehrere tausend Beschäftigte und die Grenzkommunen auf deutscher Seite.“ Am leichtesten sei das Problem wohl dadurch zu lösen, den deutschen Grenzhandel in das dänische Pfandsystem einzubeziehen. 

Ein gemeinsames Pfandsystem ist die Lösung.

Marlene Langholz-Kaiser, Grüne

 

Gemeinsames Pfandsystem 

Doch auch ein deutsch-dänisches Pfandsystem könnte das Problem lösen. „Aus unserer Sicht bedarf es da dringend eine grenzüberschreitende Verständigung schon aus ökologischer Sicht“, heißt es seitens der Linken. Und auch Marlene Langholz-Kaiser sagt: „Ein gemeinsames Pfandsystem ist die Lösung.“ 

Arne Rüstemeier plädiert gar dafür, ein europaweites Pfand- und Rücknahmesystem zu entwickeln, „bei dem Einigkeit über einen einheitlichen Mehrwertsteuer-freien Pfandbetrag über alle Währungen besteht.“ „Dies könnte sich dann zu einem Modell auch für außereuropäische Staaten entwickeln“, so Rüstemeier, „wenn sich seine ökologischen und finanziellen Vorteile bestätigen.“

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