Integration

UC Syd: Klare Ansagen gegen willkürliche Abschiebung

UC Syd & Neue Bürgerliche: Klare Ansagen gegen Abschiebung

UC Syd: Klare Ansagen gegen willkürliche Abschiebung

Hadersleben/Haderslev
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Außer Dänemark ist Ungarn das einzige europäische Land, das es als sicher einschätzt, Geflüchtete nach Syrien abzuschieben. Die Zwillinge Zanon sollen in den Irak abgeschoben werden, ein Land, aus dem ihr Großvater in den 60er-Jahren als Dissident geflüchtet ist. Foto: Ute Levisen

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Ahmad Zanon kam vor acht Jahren als Flüchtling nach Nordschleswig. Heute hilft er als Sachbearbeiter in Hadersleben anderen Geflüchteten. Im Januar macht der 26-Jährige seinen Abschluss als Sozialberater. Jetzt droht ihm die Ausweisung: Nicht groß genug sei seine Zugehörigkeit zu Dänemark. Unterstützung erfährt der Syrer von ungewohnter Seite.

2014 suchten die Zwillingsbrüder Ahmad und Myasar Zanon als Flüchtlinge Schutz vor Verfolgung in Dänemark. Heute, acht Jahre später, sind beide integriert: Myasar betreibt eine eigene Pizzeria in Hoyer (Højer), sein Bruder arbeitet als Sachbearbeiter im Bereich Beschäftigung in der Kommune Hadersleben und hilft ukrainischen Flüchtlingen dabei, in der dänischen Gesellschaft anzukommen.

Behörde: Wenig Zugehörigkeit zu Dänemark

Im Januar macht er seinen Abschluss als Sozialberater am University College Syd (UC Syd). Die Brüder sind zu einem Paradebeispiel für gelungene Integration geworden.

In den Augen der dänischen Ausländerbehörde aber ist das nicht genug: Den Zwillingen droht die Abschiebung in den Irak, in ein Land, in dem beide nie gewesen sind. Die Entscheidung der Behörde hat vor ein paar Tagen landesweit für Schlagzeilen – und Unverständnis gesorgt.

Thomas Vedsted (Neue Bürgerliche) gesteht, nicht immer auf Parteilinie zu sein (Archivbild). Foto: Ute Levisen

Nicht „wertvoll“ genug

In einer Erklärung ergreift Ahmad Zanons Ausbildungseinrichtung Partei für ihren Studenten: Als größte Bildungseinrichtung Süddänemarks distanziert sich das UC Syd von der Entscheidung der Einwanderungsbehörde. Ihr Student Ahmad Zanon werde eine wertvolle Ressource für Dänemark sein, heißt es darin: Er sei ein begabter, fleißiger Student, der trotz schwieriger Bedingungen großartige Ergebnisse erzielt habe.

Hochschulrektor: Wir stehen in der Pflicht

Es ist das erste Mal, dass sich die süddänische Hochschule derart deutlich an einem politisch-gesellschaftlichen Diskurs beteiligt.
Dafür gibt es einen triftigen Grund, fragt man ihren Rektor, Alexander von Oettingen: „Wir sind eine wertebasierte Einrichtung, die größte unserer Region, und empfinden es daher als unsere Pflicht, uns an gesellschaftlichen Diskussionen zu beteiligen, vor allem, wenn Probleme entstehen.“

Alexander von Oettingen sieht seine Hochschule als wichtige Bildungsinstitution der Region in der Pflicht, sich auch an problematischen Gesellschaftsdebatten zu beteiligen (Archivbild). Foto: Ute Levisen

Ein Balanceakt

Von Oettingen räumt in einem Gespräch mit dem „Nordschleswiger" ein, dass es ein Balanceakt mit einem gewissen Risiko sei, als Bildungseinrichtung den Finger auf gesellschaftliche und politische Wunden zu legen: „Wir bilden mit Kopf, Herz und Hand aus, und wir betrachten es daher auch als Auftrag, uns verstärkt in die öffentliche Meinung einzubringen. Es ist ein Lernprozess – und unser Vorstand steht dabei hinter uns.“

NB-Politiker: Widersinnige Ausländerpolitik

Protest gegen die strikte Ausländerpolitik Dänemarks kommt auch von dem Haderslebener Kommunalpolitiker Thomas Vedsted. Er gehört der Partei Neue Bürgerliche an und ist Mitglied im kommunalen Beschäftigungsausschuss. Auch er kann nur den Kopf schütteln: „Dänemarks Integrationspolitik ist irrational und idiotisch“, so sein harsches Urteil: „Wenn Geflüchtete zu Rollenmodellen werden, dann weisen wir sie aus!“

Vedsted räumt zugleich ein, in dieser Frage nicht auf Linie mit allen Mitgliedern seiner Parteifraktion auf Christiansborg zu sein und legt nach: „Die Gesetzgebung auf diesem Gebiet hat eine für Dänemark zerstörerische Wirkung.“

Svend Brandt (Mitte) hat als früherer Leiter der Sprachschule in Hadersleben mit Blick auf die Integrationsarbeit den Finger am Puls. Heute arbeitet der frühere Kommunalpolitiker als Studienkoordinator am UC-Syd-Campus in Hadersleben. Hier ist er u. a. mit dem früheren Kommunalpolitiker Mohammad Chehade (links) zu sehen. Foto: Ute Levisen

Auf einer Linie mit Einheitsliste

Mit Blick auf die Integrationspolitik ist Vedsted ausnahmsweise mit der Partei am anderen politischen Spektrum auf einer Linie: Svend Brandt von der Einheitsliste und Studienkoordinator am UC Syd, freut sich, dass sich seine Hochschule in die öffentliche Debatte einbringt.

Politiker: Flüchtlinge ein gutes Geschäft

Zugleich ärgert er sich darüber, dass die öffentliche Meinung zwischen ressourcestarken und schwachen Geflüchteten unterscheidet: „Wir sollten als wohlhabendes Land allen Menschen in Not helfen“, betont der frühere Kommunalpolitiker: „Es herrscht das Vorurteil, dass Flüchtlinge teuer seien. Das stimmt nicht! Kommt ein Flüchtling mit 20 nach Dänemark, hat sein Herkunftsland bereits ca. 50.000 Kronen jährlich in seine Grundausbildung investiert. Wir haben 1,5 bis 2 Millionen Kronen je Geflüchteten, um ihn in unsere Gesellschaft zu integrieren. Flüchtlinge sind somit ein richtig gutes Geschäft“, sagt Brandt und verweist auf den zunehmenden Mangel an Fachkräften.

 

Seit der Flüchtlingswelle 2015 haben zahlreiche Menschen in Hadersleben eine neue Heimat gefunden. Dennoch können sich viele von ihnen trotz gelungener Integration vor einer Abschiebung nicht sicher wähnen. Foto: Ute Levisen

Deutsche Zugewanderte als „Sahnetüpfelchen“

Diese kommen zurzeit vornehmlich aus Deutschland nach Dänemark: „Und sie stehen für einen höheren Beschäftigungsanteil als die dänische Bevölkerung“, betont Brandt: „Dänemark schöpft mit Blick auf die Zuwanderung aus Deutschland den Rahm ab.“

Zurück zu den Zwillingen Zanon: Jetzt soll „Flygtningenævnet”, der dänische Berufungsausschuss für Flüchtlinge, darüber entscheiden, ob die Zwillinge abgeschoben werden – oder auch in Zukunft zum Wohlstand Dänemarks beitragen dürfen.

Der Flüchtlingsrat

• Der Flüchtlingsrat (Flygtningenævnet), auch dänischer Berufungsausschuss für Flüchtlinge genannt, ist ein unabhängiges, quasi-richterliches Gremium. Er ist somit unabhängig vom politischen Prozess und kann keine Weisungen von der Regierung oder dem Parlament erhalten. Die Mitglieder des Verwaltungsrats sind ebenfalls unabhängig und können keine Anweisungen von außen erhalten oder einholen.

• Der Flüchtlingsrat befasst sich mit Widersprüchen gegen asylbezogene Entscheidungen der dänischen Einwanderungsbehörde. Er nimmt seine Aufgaben gemäß dem Ausländergesetz wahr.

• Der Flüchtlingsrat besteht aus einer vorsitzenden Person und einer Reihe von stellvertretenden Vorsitzenden, die Richterinnen und Richter sind. Überdies besteht der Vorstand aus einer Reihe von Mitgliedern, die auf Empfehlung des Anwaltsrats und der Ministerin oder des Ministers für Einwanderung und Integration ernannt werden. Quelle: fln.dk

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