Kommentar

„Klassismus: Das unpopuläre Argument für eine deutsche Schule“

Klassismus: Das unpopuläre Argument für eine deutsche Schule

Klassismus: Das unpopuläre Argument für eine deutsche Schule

Apenrade/Aabenraa
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Menschen, die gut situiert sind, setzen Normen, werden bevorzugt und vererben ihre soziale Herkunft an ihre Kinder und Enkel. Warum aber sprechen wir so wenig über Klassismus, obwohl diese Form der Diskriminierung so verbreitet ist, fragt sich Journalistin Marle Liebelt.

Die Institutionen der deutschen Minderheit in Nordschleswig sind beliebt. Und es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, sein Kind in einer der deutschen Kitas oder Schulen anzumelden: die Minderheitenzugehörigkeit, die Zweisprachigkeit, die kleinen Klassen, die familiäre Atmosphäre oder aber die Tatsache, dass es sich um private Einrichtungen handelt, die aufgrund staatlicher Subventionen nicht extra bezahlt werden müssen. 

Ein Grund aber geht völlig unter, und er hat mit einer Diskriminierungsform zu tun, die in unserer Kultur omnipräsent ist: Klassismus. Die Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft. Diese Diskriminierungsform ist deshalb so omnipräsent, weil nicht nur Frauen und People of Colour, Homosexuelle oder etwa Muslime von ihr betroffen sein können. 

Selbst der weiße Mann ... 

Nein, auch der sonst so privilegierte weiße Hetero-Mann kann diskriminiert werden, zum Beispiel wenn er arm oder ungebildet ist. 

Nun gut, was aber hat das jetzt mit den Institutionen der Minderheit zu tun? Ganz einfach: Sie sind besonders gut darin, Kindern und Jugendlichen, ganz gleich welcher sozialen Herkunft, zu einem hohen Bildungsgrad zu verhelfen. Das belegt eine Cepos-Studie, für die sich Forschende anschauen, an welchen Gymnasien des Landes dieses Phänomen besonders gut gelingt. Das DGN – das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig – ist seit Jahren ganz vorn mit dabei. 

Mich wundert, dass dieser Aspekt so wenig in den Vordergrund rückt, wenn es um die Vorzüge der Minderheitenschulen in Nordschleswig geht. Überhaupt wundert mich, dass wir zwar viel über verschiedene Formen der Diskriminierung sprechen, kaum aber über Klassismus.

Job, Kleidung, Sprache – alles gibt Auskunft über soziale Herkunft

Liegt es daran, dass die Auseinandersetzung mit Diskriminierungsformen oft in Kreisen geschieht, die selbst gut ausgebildet und sozial abgesichert sind? Da ist es einfach, über Diskriminierungsformen zu sprechen, die man ablehnt. Was aber, wenn die eigene soziale Gruppe die Täterin ist, weil sie in ihrem alltäglichen Verhalten schlechter gestellten Menschen aufzeigt, was sie nicht haben oder erreichen können? Oder wenn sie durch ihr Verhalten und ihren Konsum eine für manche Menschen nicht zu erreichende Norm definiert?

Wer arbeitet was, wer fährt mit welch einem Auto auf den Mitarbeitenden-Parkplatz, wer reist wohin, wer trägt welche Kleidung, wer bedient sich welcher Art zu sprechen, wer konsumiert welche kulturellen Angebote, wer unternimmt was am Wochenende? Wessen Kinder sind wie angezogen? Und wessen Kinder tragen nur die beste Kleidung und haben die ausgewogensten Mahlzeiten in der Brotdose? Diese und mehr Fragen liefern uns immer und überall Informationen, die Rückschlüsse auf den sozio-ökonomischen Status einer Person zulassen. Und sie sorgen für Abgrenzung, von der auch nachfolgende Generationen geprägt sind. 

Immer und überall

All diese Normen zeigen Menschen, was sie nicht leisten können, oder nicht genau wissen, wie sie sie erreichen. Jeden Tag. Du bist nicht genug. Schnell kann dieser erstrebenswerte Lebensstil der Grund sein, dass riesige Gruppen unserer Gesellschaft ausgegrenzt werden. Bei der Arbeit, in der Schule, im Verein, im Kindergarten, in der Uni. 

Das macht auch die für Diskriminierungsformen sensibilisiertesten Menschen zu Täterinnen und Tätern, wenn es darum geht, Menschen auszugrenzen. Und vielleicht wird gerade deshalb so wenig über dieses Thema gesprochen. 

Das ist kein Appell, seinen Kindern deshalb keine nachhaltige Kleidung zu kaufen, Fastfood zu essen und den Müll nicht mehr zu trennen. Aber es soll eine Erinnerung sein, dass immer, wenn diese Norm gelebt wird, vielleicht gerade jemand anwesend ist, der oder die sich davon ausgegrenzt fühlt. 

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