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„Hat sich DF zu Tode gesiegt?“

Hat sich DF zu Tode gesiegt?

Hat sich DF zu Tode gesiegt?

Kopenhagen
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Die Dänische Volkspartei (DF) steckt in einer tiefen Krise. Ihre Politik ist salonfähig geworden und damit hat sie sich teilweise selber überflüssig gemacht. Doch die Wurzeln der Krise stecken noch tiefer, meint Walter Turnowsky, Korrespondent in Kopenhagen.

Die Bilder vom 9. September 2015 haben sich im Bewusstsein vieler festgebrannt. 300 Migranten und Flüchtlinge waren von ihrer Unterkunft im dänischen Grenzdorf Fröslee zur Autobahn marschiert und wanderten die E45 entlang.

Vier Monate später führt Staatsminister Lars Løkke Rasmussen (Venstre) Grenzkontrollen ein. Ein lang gehegter Wunsch der Dänischen Volkspartei (DF), die am Zenit ihrer Macht angekommen ist.

Bereits bei den Folketingswahlen im Juni 2015 waren die Flüchtlinge vor allem aus Syrien bereits das zentrale Thema. DF wurde mit 21,1 Prozent zweitstärkste Kraft und lag nur relativ knapp hinter den Sozialdemokraten mit 26,3 Prozent.

In Nordschleswig war DF deutlich stärkste Kraft mit Ergebnissen um die 30 Prozent.

Foto: Claus Fisker/Ritzau Scanpix

Beim Klima daneben getroffen

Szenenwechsel: 2019 sind wieder Menschen auf den Straßen, doch diesmal sind es keine Flüchtlinge und Migranten.

Es sind junge Menschen, die sich um den Klimawandel Sorgen machen und sich der Fridays-for-Future- Bewegung anschlossen. Sie prägen das Stadtbild in Stockholm, Berlin, London und auch in Kopenhagen.

Die ehemalige DF-Vorsitzende Pia Kjærsgaard spricht von „Klimabekloppten“ (klimatosser), sie stellt Greta Thunberg als ein Kind dar, das für den Klimakampf missbraucht würde. Während die Partei bislang immer einen sicheren Riecher dafür gehabt hat, welche Themen zumindest einen großen Teil der Bevölkerung bewegen, lag Kjærsgaard diesmal auffallend deutlich neben dem Zeitgeist.

Kurz vor der Wahl versuchte DF den Kurswechsel und erklärte sich auch zur Anhängerin einer Klimawende. Glaubwürdig war das nicht. Die Partei landete bei 8,7 Prozent, weniger als die Hälfte im Vergleich zum Traumergebnis von 2015. Vor allem in ihren Hochburgen, unter anderem in Nordschleswig, musste sie massive Einbußen hinnehmen. Seither sackt DF in den Umfragen immer weiter ab.

Erfolg von Anfang an

Rückblick auf das Jahr 1995: Pia Kjærsgaard bricht aus dem Chaos-Verein Fortschrittspartei aus und gründet ihre eigene Partei. Auf Anhieb erreicht DF bei den Wahlen 1998 7,4 Prozent. Bei der Siegesfeier Kjærsgaards steht ein freundlicher, junger Mann und freut sich über das Ergebnis. Kristian Thulesen Dahl war von Anfang an für die Rolle des Kronprinzen vorgesehen.

Pia Kjærsgaard
Pia Kjærsgaard verlies die Fortschrittspartei um DF zu gründen Foto: Scanpix

Vier Faktoren waren für den Erfolg von DF entscheidend. Erst einmal hatte Kjærsgaard aus den ewigen Querelen im (freundlich gesagt) buntem Haufen der Fortschrittspartei gelernt. Sie sorgte von Anfang an dafür, dass die Parteiführung die Zügel straff in der Hand hielt. In keiner anderen Partei ist die Macht dermaßen bei der Leitung konzentriert.

Inhaltlich hat sie eine scharfe Rhetorik gegenüber Flüchtlingen, Einwanderern und Muslimen mit einer eher sozialdemokratisch ausgerichteten Politik verbunden.

Schmuddelkinder

Damit bewies sie – und das ist der dritte Faktor – ihre oben erwähntes Gespür für das, was gut ankommt.
Und letztlich gelang es der Partei, sich als die legitimen Vertreter der zu Unrecht Benachteiligten zu inszenieren. Dabei kam es ihr nur entgegen, dass der damalige Staatsminister Poul Nyrup Rasmussen (Soz.) erklärte, die DF würde nie salonfähig. Dabei lag er nicht nur falsch, er tat DF einen riesigen Gefallen, denn die Rolle der Schmuddelkinder im Folketing gefiel Kjærsgaard nur allzu gut.

Es gelang ihr sogar, diese Rolle weiterzuspielen, als DF längst Unterstützerpartei, zunächst für die Regierung von Anders Fogh Rasmussen, und später dem Kabinett unter Leitung Lars Løkke Rasmussens war.

In der Position befand sie sich nun im Zentrum der Macht. Obwohl DF nicht Teil der Regierung war, hatte die Partei de facto größeren Einfluss als Venstres Koalitionspartner von den Konservativen und später auch der Liberalen Allianz.

Dabei kombinierte sie eine eher pragmatische Linie in der täglichen Politik mit einer weiterhin scharfen Rhetorik in der Ausländerfrage. Es gab eine deutliche Arbeitsteilung. Personen wie Mogens Camre, Jesper Langballe, Søren Krarup und später auch Marie Krarup waren für die ideologischen Positionierungen in der Ausländerfrage zuständig. Dabei wurde bewusst in Kauf genommen, dass sie auch Mal über die Stränge schlugen. Auf diese Weise konnte die Partei auch den aller äußersten rechten Rand abdecken.

DF-Parteichef Kristian Thulesen Dahl. Foto: Scanpix

Der Zuständige für die pragmatische Umsetzung war Thulesen Dahl. Bei den Verhandlungen erreichte er Stück für Stück Verschärfungen der Ausländergesetzgebung. Vor allem aber stellte sich DF auch als der Garant des Wohlfahrtstaates im bürgerlichen Lager dar.

Andere besetzen DF-Themen

Allmählich übernahmen auch andere Parteien zentrale Positionen der Dänischen Volkspartei.

Nachdem Mette Fredriksen den Vorsitz bei den Sozialdemokraten übernahm, geschah das auch hier. Selbst SF vertritt heute Positionen in der Ausländerpolitik, die vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wären.

Die Frage ist also, ob sich DF sozusagen zu Tode gesiegt hat. Ob sie sich selbst überflüssig gemacht hat. Das ist sicherlich Teil der Erklärung, aber in meiner Einschätzung nicht unbedingt der wichtigste Teil.

2012 übernahm Kronprinz Thulesen Dahl den Vorsitz der Partei. Der Führungswechsel klappte ganz nach Plan und mit Erfolg. DF legte in den Umfragen zu und im Herbst 2013 war Thuelsen Dahl der populärste Parteivorsitzende des Landes.

Messerschmidts Sturzflug

Der Anfang des Niedergangs kam von unerwarteter Seite.

Morten Messerschmidt raste 2015 mit Überschallgeschwindigkeit ein weiteres Mal ins Europaparlament. Mit über 465.000 persönlichen Stimmen erreicht er das beste Ergebnis, das ein dänischer Politiker erreicht hat. Er war seinerseits ersehen, die Rolle des Kronprinzen zu übernehmen.

Morten Messerschmidt (DF) Foto: Linda Kastrup/Ritzau Scanpix

Doch bereits im selben Jahr strauchelte der Prinz. Er wird beschuldigt EU-Mittel aus dem Fonds FELD missbraucht zu haben. Die Betrugseinheit der EU, Olaf kommt später zu dem Ergebnis, dass 4,4 Millionen Kronen illegal verwendet worden sind, unter anderem innerhalb der DF.

Bei den Europawahlen im Mai 2019 erlebt DF den ersten deutlichen Rückgang bei einer Wahl. Zunächst versuchte man dies als ein vorübergehendes Phänomen ausgelöst durch die FELD-Affäre abzutun.

Image beschädigt 

Dabei hatte man übersehen, dass die Affäre die Partei in ihrem Kern getroffen hat. Das sorgsam gepflegte Image der Partei als Vertreterin der Schwachen und Benachteiligten war plötzlich infrage gestellt.
Auch wenn die wenigsten vermutlich die Affäre ganz verstanden haben, so blieb doch hängen, dass DF Geld der Bürger unrechtmäßig verwendet hatte.

Der Umgang von DF mit dem Fall, in dem man versuchte, ihn herunterzuspielen, hat das Ganze nicht besser gemacht.
Messerschmidt selber ist hochintelligent, kann aber auch arrogant wirken. Von einem volkstümlichen Auftreten hat er wenig.

Und so hat auch dies dazu beigetragen, dass das Image der ehemaligen ‚Schmuddelkinder‘ für immer verloren ist.
DF wird nun als das war genommen, was sie schon lange ist, nämlich als Teil der politischen Machtelite. Mit der Rolle hat sie bei weitem noch nicht gelernt umzugehen.

Die Partei, die einst immer alles richtig zu machen schien, tritt jetzt von einem Fettnäpfchen ins nächste.

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