Klimawandel

Viren im Permafrostboden: Was geschieht, wenn sie auftauen?

Viren im Permafrostboden: Was geschieht, wenn sie auftauen?

Viren im Permafrostboden: Was geschieht, wenn sie auftauen?

Sonderburg/Sønderborg
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Auch in der Tundra tauen Böden auf, die seit Jahrtausenden gefroren waren. Aus ihnen steigt Methan auf, das im Winter in den Eisschichten der Seen hängen bleibt. Foto: Katey Walter Anthony/Science Photo Library/Ritzau Scanpix

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Im Permafrostboden dieser Erde schlummern bislang unbekannte Bakterien und Viren. Taut das Erdreich auf, werden sie freigesetzt. Die Sonderburger Forscherin Roana de Oliveira Hansen erklärt, womit wir rechnen müssen.

Droht der Menschheit und den Ökosystemen dieser Welt Gefahr aus der Tiefe? In mehreren Hundert Metern liegen unbekannte Viren, Bakterien und Chemikalien, eingefroren seit Jahrhunderten und Jahrtausenden.

Mit der anhaltenden Erderwärmung taut der Permafrostboden in Sibirien, Kanada, Alaska und Grönland auf – und die potenziellen Krankheitserreger erwachen. Was birgt das einst ewige Eis, das längst in der Endlichkeit angekommen ist?

Biochemische Gefahr aus dem Permafrostboden

Roana de Oliveira Hansen ist Forscherin und Lektorin an der Süddänischen Universität und Teil eines Forscherteams, das sich mit der Frage beschäftigt, wie groß die biochemische Gefahr ist, die vom auftauenden Permafrostboden ausgeht.

Roana de Oliveira Hansen arbeitet seit 15 Jahren als Forscherin an der SDU. Foto: Sara Eskildsen
Diese Skizze bildet ab, was im Permafrostboden verborgen ist – und womit die Menschheit rechnen muss. Foto: Der Nordschleswiger

Roana de Oliveira Hansen arbeitet mit einem Forscherteam aus Kanada und Kopenhagen (København) zusammen. Sie wollen ein System entwickeln, wie Proben aus dem Permafrostboden entnommen und ausgewertet werden können.

„Es ist nicht ungefährlich, die Proben zu entnehmen. Keiner weiß, was sich in der Tiefe verbirgt und zum Vorschein kommt. Wir entwickeln daher einen automatisierten Vorgang. Mit einem Roboter, der vor Ort Proben entnimmt und weiterleitet“, erklärt die 38-Jährige, während sie an ihrem Schreibtisch in der Technischen Fakultät im Mads Clausens Institut in ihren Unterlagen blättert. 

Auch radioaktiver Abfall ist ein Problem

„Man kann derzeit noch nicht genau sagen, welche Viren und Bakterien auf uns zukommen und wie sie reagieren, wenn sie zum Leben erwachen. Sicher ist, dass sie im Permafrostboden existieren. Dazu sind bereits Feldversuche und Forschungsprojekte durchgeführt worden. Übrigens gibt es in der Tiefe auch radioaktiven Abfall, der eines Tages mal vergraben wurde. Auch der wird mit dem Auftauen ein Problem!“

Man geht davon aus, dass ein Großteil der Böden in rund 30 Jahren aufgetaut ist. Bis dahin müssen wir wissen, was auf uns zukommt – und wie wir darauf reagieren.

Roana de Oliveira Hansen, Mikrotechnologin

Die Forschenden wollen zwei grundlegende Fragen beantworten: Stellen die vielen bislang unbekannten Bakterien oder Virenstämme eine Gefahr für die Menschheit dar, und reagieren die Stämme mit extremer Vermehrung, wenn sie nach Hunderten oder Tausenden Jahren zum Leben erwachen?

Und: Kann die Natur vor Ort mit all den Mikroorganismen leben – oder vernichten sie Flora und Fauna in den Klimazonen der hohen Breitengrade und in den Hochgebirgen?

So starben 2016 auf der sibirischen Halbinsel Jamal 2.300 Rentiere an einem Milzbrandausbruch, nachdem ein Tierkadaver aufgetaut war, der 75 Jahre lang im Permafrostboden gelegen hatte.

„Zombiebakterien“ machten bereits Schlagzeilen

73 Menschen erkrankten, ein Junge starb. Damals machten die „Zombiebakterien“ Schlagzeilen, die aufgrund ihrer langen Ruhezeit besonders aggressiv gewütet haben sollen. Was also, wenn Viren nicht nach 75 Jahren, sondern nach 75.000 Jahren zum Leben erwachen?

„Man geht davon aus, dass ein Großteil der Böden in rund 30 Jahren aufgetaut ist. Bis dahin müssen wir wissen, was auf uns zukommt – und wie wir darauf reagieren“, so die Forscherin.

Roana de Oliveira Hansen hat diesen mikroelektronischen Sensoren geschaffen, mit dem Bodenproben vor Ort von einem Roboter ausgewertet und analysiert werden können. Foto: Sara Eskildsen

Global Innovation Network Programme

Das „Global Innovation Network Programme“ (GINP) hat vom dänischen Ministerium für Ausbildung und Forschung 350.798 Kronen erhalten. Die SDU arbeitet mit den kanadischen Universitäten McMaster University und Wilfrid Laurier University (WLU) sowie dem Copenhagen Nanosystems (CPH Nano) zusammen.

Roana de Oliveira Hansen kam mit 23 Jahren als Doktorandin an die SDU nach Sonderburg. Sie hatte einen Master-Abschluss in Mikro-Elektronik aus ihrem Heimatland Brasilien und einen dänischen Freund – mit dem sie eine Familie gegründet hat.

Ihre Aufgabe im internationalen Forscherteam ist es, Sensoren für die Probenentnahme zu entwickeln. Roana de Oliveira Hansen erstellt die sensorischen Werkzeuge für den Roboter, wenn dieser Proben entnimmt, beispielsweise in einem entlegenen Gebiet in Kanada.

Reise nach Kanada im Juli

Im Juli 2023 trifft sich die Sonderburger Forscherin erstmals zu einem Workshop mit ihren Kolleginnen und Kollegen in Kanada. Um herauszufinden, wie man die Gefahr aus der Tiefe erkennen und handhaben kann.

Ich habe zwei Söhne, und ich wünsche mir, dass es auf dieser Welt eine Zukunft für sie und deren Kinder gibt. Das ist sicher auch ein Antrieb für mich.

Roana de Oliveira Hansen, Forscherin

„Unser Ziel ist es, die Probenentnahme zu planen. Und einen Bereitschaftsplan zu entwickeln, mit dem man Gegenden und Personen in unmittelbarer Nähe isolieren kann“, so die Lektorin, die mit ihrer Familie in Broacker (Broager) lebt.

„Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, Lösungen zu finden“

„Ich habe zwei Söhne, und ich wünsche mir, dass es auf dieser Welt eine Zukunft für sie und deren Kinder gibt. Das ist sicher auch ein Antrieb für mich. Der Klimawandel stellt uns vor große Herausforderungen und Gefahren. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, Lösungen zu finden“, sagt Roana de Oliveira Hansen.

 

Die Forscherin kommt aus der brasilianischen Stadt Porto Alegre und lebt mit ihrer Familie in Broacker. Foto: Sara Eskildsen
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