Geburtshilfe in SH

Hebammen in SH: Wenn Männer Kinder bekämen, gäbe es flächendeckend Kreißsäle

Hebammen in SH: Wenn Männer Kinder bekämen, gäbe es flächendeckend Kreißsäle

„Wenn Männer Kinder bekämen: flächendeckend Kreißsäle“

SHZ
Kiel / Eckernförde
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Der Weg zur Geburtshilfestation, hier im Schleswiger Krankenhaus. Foto: Andrea Schumann / SHZ

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Ist die Entscheidung einst auf den Inseln und jetzt in Eckernförde oder Preetz, den Kreißsaal für immer zu schließen, Folge einer Politik, die Abläufe in den Krankenhäusern zu ökonomisieren?

Wenn Männer Kinder bekämen, hätten wir noch flächendeckend Kreißsäle. Das behaupteten schon die Föhrer Frauen, als vor fünf Jahren die Geburtsstation auf der Insel geschlossen wurde. Und das hört man aktuell in Eckernförde. Ist die Entscheidung dort und demnächst sicher auch in Preetz, den Kreißsaal für immer abzuschließen, Folge einer männerdominierten Gesundheitspolitik, die alles daran setzt, Abläufe in den Krankenhäusern zu ökonomisieren? Würden Männer, die angeblich schon bei einer harmlosen Grippe jammern, als sei das Ende nah, anders entscheiden, wenn sie Schmerzen wie unter der Geburt erleiden müssten.

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Ohne dem angeblich so starken Geschlecht zu nahe zu treten: Die Erfahrung müssen sie nicht machen – sie können also kaum nachvollziehen, wie es Frauen ergeht. Die empfinden es als Geringschätzung, dass zu wenig Hebammen für werdende Mütter bereitstehen, um eine 1:1-Betreuung in der entscheidenden Phase der Niederkunft zu gewährleisten, die für Frauen ein Leben lang prägend ist. Im Kreißsaal entscheidet sich, ob die Geburt zu einer traumatischen Erinnerung wird oder zu einem Ereignis, aus dem die Gebärende für immer Kraft und Selbstvertrauen schöpft.


Seit Jahren schon demonstrieren diejenigen, die in diesem Beruf tätig sind, für bessere Arbeitsbedingungen und Vergütung. Seit Jahren passiert wenig – und das, obwohl die Mangelsituation so existenzielle Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit von Patientinnen hat. Da können Männer kaum mitreden, selbst wenn sie im Kreißsaal dabei sind.


Dennoch ist eine patriarchatskritische Abrechnung fehl am Platz. Trotz allem Gender-Wunschdenken fortschrittlicher Zeitgnossen: die Männer können nichts dafür. Und ausgerechnet eine Frau, die Landesvorsitzende der Frauenärzte in Schleswig-Holstein, Doris Scharrel, meint, die Schließung der Geburtsstationen – in der vergangenen Woche in Ratzeburg, jetzt in Eckernförde und demnächst wohl auch in Preetz sei richtig.

„Manchmal geht es dem Kind plötzlich nicht mehr gut oder die Mutter braucht Blutkonserven, dann gibt es ein Problem, weil der ärztliche Notdienst nicht schnell genug kommt“, sagte sie am Wochenende im NDR. Der Notdienst komme von zu Hause, oft mit halbstündiger Anfahrt: „Diese strukturellen Rahmenbedingungen reichen nicht, um akut und schnell zu handeln“, so Scharrel.


Dem widersprechen Hebammen vehement: „Für schwangere Frauen bedeutet der Wegfall der wohnortnahen geburtshilflichen Versorgung: weitere Wege, längere Fahrzeiten und eine Gefährdung in Notsituationen“, erklärt die Landesvorsitzende Anke Bertram. Die Schließung der Kreißsäle erfolgt jeweils ohne zuvor die notwendigen Versorgungsstrukturen an den verbliebenen Standorten angepasst zu haben. In einem Brief an den Ministerpräsidenten fordert sie „einen Paradigmenwechsel in der Geburtshilfe“.

Jede vierte Geburtshilfe geschlossen

Dabei wissen die Hebammen sehr wohl, dass geburtshilfliche Abteilungen in strukturschwachen Regionen nicht wirtschaftlich zu führen sind. Trotzdem sei die Schließung – in Schleswig-Holstein traf es in den vergangenen zwölf Jahren jede vierte geburtshilfliche Abteilung – kontraproduktiv. Eine angemessen Betreuung während der Geburt gehöre zur Daseinsvorsorge und sei kein Luxus.

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Das bedeutet nicht einen Anspruch auf den Geburtsort, wie ihn zum Beispiel Sylter Frauen geltend machten, als sie beklagten, es gebe künftig laut Personalausweis keine gebürtigen Insulaner mehr, weil Neugeborene in Flensburg oder Husum zur Welt kommen. Aber 30 Kilometer Anfahrt bei schlechten Verkehrsverhältnissen sorgen bei Schwangeren für Stress, und der ist für den Geburtsablauf hinderlich. Auch der in großen Kliniken übliche ständige Wechsel des betreuenden Personals belastet Mutter und Kind.

Ökonomisch spricht alles für eine 100prozentige Kaiserschnittquote

Hier gilt es einen Kompromiss zu finden, der die Bedürfnisse der Frauen und medizinische Notwendigkeiten berücksichtig und nicht allein auf die Zahlen starrt. Aus Sicht der Betriebswirte (oft Männer) spricht eigentlich alles für eine 100prozentige Kaiserschnittquote. Kaiserschnitte sind planbar und optimieren den Gewinn. Das Ereignis Geburt entzieht sich leider nicht immer der Logik dieser ökonomischen Verwertungsprozesse.

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Bei aller Kritik an der aktuellen vielleicht zu männlichen Gesundheitspolitik darf aber nicht vergessen werden: Auch schwangere Frauen handeln rational. Zwischenfälle unter der Geburt - im schlimmsten Fall der Tod von Mutter oder Kind – haben in der Regel sofortige Konsequenzen. Die Frauen stimmen mit den Füßen ab. Die Kliniken entfernen sich dann schnell von den notwendigen Fallzahlen (550 Geburten pro Jahr) statt sich ihnen zu nähern.

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