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Starke Frau in einer Männer-Welt

Starke Frau in einer Männer-Welt

Starke Frau in einer Männer-Welt

Køge
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Heidi Johansen im Gespräch mit HB Køge-Torwart Oskar Snorre. Foto: Claus Birch/Ritzau Scanpix

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Heidi Johansen ist seit 2019 Torwarttrainerin von HB Køge. Der männlichen Torhüter wohlgemerkt. Die 38-jährige Sonderburgerin ist die erste Trainerin im dänischen Profi-Fußball der Männer und spricht im ausführlichen „Nordschleswiger“-Interview über Herausforderungen in einer Männer-Welt, ihren Traum von der Superliga und über ihre eigene Karriere.

Schmetterlinge im Bauch hatte sie an ihrem ersten Arbeitstag schon, aber nicht mehr als am ersten Arbeitstag von anderen Jobs.

„Ich hatte keine Angst vor der Aufgabe. Ich wusste, was ich kann. Ob das jetzt Frauen oder Männer sind. Der Fußball ist derselbe“, sagt Heidi Johansen im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“.

Die 38-jährige Sonderburgerin hat im Sommer 2019 Geschichte geschrieben und eine Barriere durchbrochen, als sie als erste Frau in den Trainerstab einer Männer-Mannschaft im dänischen Profi-Fußballs aufgenommen wurde. Als Torwarttrainerin wurde sie bei Erstdivisionär HB Køge eingestellt. Eine Einstellung, die damals für Aufsehen sorgte und immer noch ein Novum ist.

Man merkt es ihr an, dass sie bei weitem nicht zum ersten Mal über das Thema spricht, dass es manchmal ein wenig leidig sein kann, aber auch, dass sie zu diesem Thema viel auf dem Herzen hat.

Heidi Johansen arbeitet seit Mitte 2019 bei HB Køge, ist aber auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Foto: HBK

„Als es 2019 publik gemacht wurde, hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte zu groß aufgebauscht wurde. Weshalb mussten wir jetzt über die Geschlechter-Frage sprechen? Aber es war eine große Sensation, denn davor hatte noch keine Frau die Tür aufgestoßen. Auch deswegen bin ich froh, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, damit andere Frauen auch die Chance bekommen“, so die 80-fache dänische Nationaltorhüterin.

Geändert hat sich aber bislang nur wenig, und auch in Zukunft wird es wohl kaum genau so viele Frauen wie Männer im Fußball-Geschäft geben.

„Das ist als Frau schwierig. Das kommt auch darauf auf, welche Prioritäten man im Leben hat. Ich lebe alleine, aber wenn ich auf eine Familie und Kinder Rücksicht nehmen müsste, wäre es schwierig. Man könnte argumentieren, dass das Kind auch einen Vater hat, aber ich glaube, dass mit einer Frau irgendetwas passiert, wenn sie Mutter wird. Es ist schwierig, im Alltag alles unter einen Hut zu bringen. Das Fußball-Geschäft ist ein Lebensstil mit vielen schiefen Arbeitszeiten, aber auf der anderen Seite kann der Job auch so viel“, meint die 38-Jährige.

Weshalb mussten wir jetzt über die Geschlechter-Frage sprechen?

Heidi Johansen

„Ich bin nach meiner aktiven Karriere direkt in einen Trainerjob gewechselt und bin es gewohnt, mich in dieser Welt zu bewegen. Ich bin den Konkurrenzkampf gewohnt, und auch das Streben nach Zielen. Das ist ein großer Teil von mir, die Passion und Leidenschaft auszuleben. Fußball hat mir immer sehr viel bedeutet“, so Johansen.

Der Job in einer Männer-Welt war eine Herausforderung, und als HB Køge Kontakt zu ihr aufnahm, zögerte sie nicht lange.

Heidi Johansen hat 80 Länderspiele für Dänemark absolviert. Foto: Björn Larsson Rosvall/Ritzau Scanpix

„Meine Motivation war nicht, dass ich jetzt die erste Frau in einem Männer-Klub sein würde. Meine Motivation ist es, so gut wie möglich zu werden, und als diese Möglichkeit entstand, musste ich mich damit auseinandersetzen. Der Frauen- und der Männer-Fußball sind gar nicht mal so unterschiedlich. Ich wusste, was ich kann, und wenn ich mir jeden Tag Mühe gebe, wieso sollte ich keine Männer trainieren können?“, so Heidi Johansen, die die größten Unterschiede im körperlichen Bereich sieht, aber auch andere Unterschiede festgestellt hat.

„Der Fokus auf den Männer-Fußball ist größer. Der Frauen-Fußball ist auf dem Vormarsch, aber die Breite ist weitaus größer im Männer-Fußball. Und die Männer haben körperliche Vorteile. Sie bewegen sich schneller, springen höher. Aber in einem Punkt sehe ich die Frauen weit vorne“, sagt sie. „Die Mädchen müssen es wirklich wollen, wenn sie sich im Fußball durchsetzen wollen. Es fließt jetzt langsam auch ein wenig Geld im Frauen-Fußball, aber die Spielerinnen sind es gewohnt, ihr Geld woanders verdienen zu müssen, und spielen dennoch abends Fußball. Sie sind es gewohnt, ihren Alltag zu planen und zu strukturieren. Die Jungs können mit dem Fußball schneller ihren Lebensunterhalt verdienen. Nicht nur in der Superliga, sondern auch in der 1. Division und in einigen Klubs in der 2. Division gibt es vernünftiges Geld. Die Mädchen, die es schaffen, haben wirklich alles gegeben, um dort hinzugelangen“, meint die Sonderburgerin.

„Die Mädchen zeigen manchmal aber zu viel Demut. Alle Jungs denken, die sind Weltmeister. Das mag ich irgendwie, dass die Jungs so stark von eigenen Fähigkeiten überzeugt sind. Wir Frauen müssen öfter einfach sagen, dass wir Dinge beherrschen und die Herausforderungen einfach annehmen. Und warum sollten wir Frauen uns nicht für den gleichen Job wie die Männer bewerben, wenn wir die Fähigkeiten dafür besitzen?“, fragt sich Heidi Johansen, die gerne mit Männern zusammenarbeitet.

„In einigen Bereichen ist dies sogar einfacher. Wir können beim Training stinksauer aufeinander sein, aber nach zwei Minuten ist alles wieder vergessen. Wir wollen alle nur das Beste rausholen, da wird nicht so viel persönlich genommen“, sagt sie.

Heidi Johansen wurde 2021 gemeinsam mit Weltfußballerin Pernille Harder für ihre Arbeit im dänischen Fußball mit dem „Vallø Pris“ ausgezeichnet. Foto: Claus Birch/Ritzau Scanpix

Mit Männern zu arbeiten, ist für sie auch nicht neu.

„Ich hatte in meiner aktiven Karriere nur männliche Trainer. Die einzige Herausforderung ist die Umkleidekabine, aber das ist in Wirklichkeit auch keine. Den Spielern ist es völlig egal, aber ich halte mich von der Umkleidekabine fern. Ich habe versucht, von Tag eins an eine professionelle Distanz zu wahren, um auch den Spielern zu zeigen, wo meine Grenze liegt“, so die Torwarttrainerin, die ansonsten keine Probleme mit der Männer-Welt hat.

„Einmal gab es von den Rängen den Zuruf, ob unser Torwart seine Mutter mitgebracht hätte. Das fand ich nur lustig. Damit muss man umgehen können. Ansonsten habe ich nur positives Feedback bekommen. Als ich bei HB Køge eingestiegen bin, war das erst einmal nur für ein Jahr. Mein großes Ziel war es, ein Angebot zur Vertragsverlängerung zu bekommen. Für mich war dies ein Erfolgskriterium“, so Johansen.

 

 

 

Einmal gab es von den Rängen den Zuruf, ob unser Torwart seine Mutter mitgebracht hätte.

Heidi Johansen

Der Vertrag wurde nicht nur bis zum Sommer 2022 verlängert, Heidi Johansen wurde 2020 zum Trainer des Jahres bei HB Køge gekürt. Der im Sommer 2022 auslaufende Vertrag wird allerdings nicht verlängert. Dies geschieht auf Wunsch der Sonderburgerin selbst, die seit 2015 auch Torwarttrainerin der dänischen Frauen-Nationalmannschaft ist.

Lust auf ein neues Abenteuer

„Ich hatte über drei Jahre zwei Jobs, beide auf dem Papier Teilzeitjobs, und die sind phasenweise schwer unter einen Hut zu bringen. Ich tue mich schwer, Dinge nicht zu hundert Prozent zu machen, und wir stehen jetzt vor der ersten großen Endrunde mit der Nationalmannschaft. Juni und Juli sind ganz weg, und ich würde die komplette Saisonvorbereitung verpassen, theoretisch mit zwei neuen Torhütern. Ich habe schon in der WM-Qualifikation gemerkt, als wir dreimal zehn Tage weg waren, dass mir das nicht gefällt. Dieser Doppel-Job ist zu hart“, meint Heidi Johansen.

„HB Køge hat gezögert, einen Fulltime-Job anzubieten, aber für mich ist das kein Abschied aus dem Männer-Fußball. Ich habe Lust auf ein neues Abenteuer und weiß noch nicht, was nach dem 1. August passiert. Ich hoffe wirklich, dass ich irgendwann die Chance in der Superliga bekomme. Der Männer-Fußball hat mich keineswegs abgeschreckt“, sagt sie.

Heidi Johansen ist seit 2015 Torwarttrainerin der Frauen-Nationalmannschaft und freut sich auf die EM in England. Foto: Claus Birch/Ritzau Scanpix

Ein Großereignis wirft seine Schatten voraus, und dieses will sie unter keinen Umständen verpassen: Die Europameisterschaft vom 6. bis zum 26. Juli in England.

„Die EM in England wird eine Riesen-Endrunde mit Spielen im Old Trafford und im Wembley-Stadion. Darauf haben wir drei bis fünf Jahre hingearbeitet“, sagt Heidi Johansen, die bis zum Jahresende einen Vertrag mit DBU besitzt: „Im Jahr darauf folgt die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland. Das hört sich auch nicht schlecht an, aber ich werde sehen, was die Zukunft bringt. Sollte ein attraktives Angebot zur Tür reinflattern, müsste ich überlegen.“

Die Torwarttrainerin will entweder einen Fulltime-Job oder einen Teilzeit-Job, der mit der DBU-Arbeit kombiniert werden kann. Bereits in ihrer aktiven Karriere hat sie nebenher in unterschiedlichem Umfang gearbeitet, bei AZ in Hjørring, wo sie bis zum Umzug nach Køge insgesamt fast 15 Jahre war.

Sonderburg hat sie bereits mit 18 Jahren verlassen, und nach vier Jahren bei OB, die ersten beiden Jahre als Pendlerin, ging es für zehn Jahre zu Fortuna Hjørring, wo sie 2013 ihre Laufbahn beendete.

WM 2007 der absolute Höhepunkt

„Ich kann nicht sagen, wo ich hingehöre. Ich habe meine Wurzeln in Sonderburg, wo meine Eltern und meine Schwester noch leben. Ich habe in Odense gewohnt, mehr als zehn Jahre in Hjørring und jetzt in Køge. Die Jobs haben mich an viele Orte geführt und werden es auch künftig tun“, so die 38-Jährige, die mit Freude und Stolz auf eine große Karriere zurückblicken kann.

Bereits im Alter von 17 Jahren kam sie im August 2000 in Aachen zu ihrem ersten von 80 Länderspielen für Dänemark, als sie bei der 0:7-Pleite gegen Deutschland in der zweiten Halbzeit eingewechselt wurde. Die Torhüterin nahm an drei Endrunden teil, bei der EM 2001 in Deutschland, WM 2007 in China und EM 2009 in Finnland. Ihr letztes Länderspiel machte sie im Juni 2012.

Heidi Johansen im WM-Spiel gegen Brasilien 2007. Foto: Mark Ralston/Ritzau Scanpix

„Die Endrunden mit der Nationalmannschaft sind die großen Höhepunkte gewesen. 2001 bei der EM in Deutschland war ich wirklich jung, und mir ist gar nicht aufgegangen, was ich dort eigentlich mitgemacht habe“, sagt Heidi Johansen über die EM 2001, wo Dänemark vor Norwegen, Frankreich und Italien Gruppensieger wurde und erst im Halbfinale mit 0:1 an Schweden scheiterte.

„Danach hatte ich großes Verletzungspech und verpasste die EM 2005 in England. Die WM 2007 in China war dann vielleicht der größte Höhepunkt. Wir sind zwar schon in der Vorrunde ausgeschieden, aber vor 50.000 kreischenden Chinesen sein Land zu vertreten, war der Wahnsinn. Auch die EM 2009 in Finnland war ein großes Erlebnis“, sagt Heidi Johansen, die sich auch gerne an die internationalen Aufgaben mit Fortuna Hjørring zurückerinnert.

„Wir haben Meisterschaften gewonnen und haben in der Champions League gespielt. Gegen Lyon waren wir gefühlt nie über der Mittellinie, aber es war großartig, gegen die besten Spielerinnen der Welt zu spielen. Höhepunkte waren sicherlich auch die Meister- und Pokal-Titel.“

Ich wollte um jeden Preis gewinnen. Manchmal bin ich zu weit gegangen.

Heidi Johansen

Der Ehrgeiz war der Ansporn für die Sonderburgerin, erst als Torhüterin und jetzt als Trainerin.

„Ich habe das Gefühl, zwei Personen in mir zu haben. Ich bin dazu erzogen worden, demütig zu sein und Respekt anderen Menschen gegenüber zu zeigen. Ich bin gut erzogen worden, hatte aber auch eine andere Seite in mir, die ich auf dem Spielfeld ausgelebt habe. Ich denke, dass ich für einige eine fürchterliche Mit- und Gegenspielerin gewesen bin. Ich bin mir sicher, dass einige mich als arrogant aufgefasst haben. Ich wollte um jeden Preis gewinnen“, erzählt Heidi Johansen. 

„Manchmal bin ich zu weit gegangen und habe eine Grenze überschritten, aber ich denke, das war der Grund dafür, dass ich so weit gekommen bin. Das hat mir eine Robustheit gegeben“, sagt sie.

Heidi Johansen wurde zweimal mit Fortuna Hjørring dänischer Meister, zweimal mit OB. Foto: Henning Bagger/Ritzau Scanpix
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Leitartikel

Anna-Lena Holm
Anna-Lena Holm Hauptredaktion
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