Deutsche Minderheit

Die AG Gleichstellung zwischen Neuerung und festgefahrenen Strukturen

Die AG Gleichstellung zwischen Neuerung und festgefahrenen Strukturen

Die AG Gleichstellung zwischen Neuerung und alten Strukturen

Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Im Bereich Gleichstellung kommt seit einiger Zeit viel Bewegung in festgefahrene Strukturen innerhalb der Minderheit. Foto: Kilian Neugebauer

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Durch eine strukturelle Unterrepräsentation von Entscheidungsträgerinnen im BDN werden Frauen zur marginalisierten Gruppe innerhalb der Minderheit. Die AG Gleichstellung soll das ändern und die vom BDN beschlossene Gleichstellungspolitik gelebte Realität werden lassen. Das ist aber nicht immer angenehm.

Besonders auf Ebene der Entscheidungstragenden der Verbände innerhalb des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) sind Frauen deutlich unterrepräsentiert. Nachdem der BDN im November 2019 eine Gleichstellungspolitik beschlossen hat, gründete sich die AG Gleichstellung. Sie soll das Thema innerhalb der Minderheit vorantreiben.

Gesellschaftlich sind Sexismus und Gleichstellung ein Pulverfass. „Der Nordschleswiger“ erlebt in Kommentaren von Leserinnen und Lesern immer wieder, dass unter Artikeln zu diesen Themen sehr emotional, oft auch unter der Gürtellinie diskutiert wird. 

Die Nutzerinnen und Nutzer fragen, ob unsere Gesellschaft denn keine anderen Sorgen habe, nutzen Beschimpfungen, spielen Kritik an bestehenden Verhältnissen herunter oder sprechen der Kritik ihre Daseinsberechtigung ab. Wir haben in der AG Gleichstellung nachgefragt, welche Reaktionen sie erlebt. 

Die Antwort kommt nicht überraschend: Auch die Mitglieder der AG erfahren nicht nur Wohlwollen. In ihrer Arbeit sehen sich einige immer wieder mit abwertenden Sprüchen und Ablehnung konfrontiert. „Klar rüttelt das an der Motivation“, sagt Friederike „Lulu“ Kuhrt, Teamkoordinatorin der Bildungsstätte Knivsberg und Mitglied der AG. „Aber jemand muss diese Arbeit machen.“

Wir haben die Gelegenheit, den Prozess selbst zu gestalten, statt eines Tages einem längst abgefahrenen Zug hinterherzulaufen.

Ruth Candussi

Da stimmt Ruth Candussi, Parteisekretärin der Schleswigschen Partei (SP) und ebenfalls Mitglied in der Arbeitsgruppe, zu. „Gerade im BDN müssen wir als Minderheit zusehen, dass wir mit der Zeit gehen“, sagt sie. „Allein schon aus reinem Pragmatismus.“ Denn mal davon abgesehen, dass Gleichstellung schon aus moralischen Gründen in allen Gesellschaften ein Thema sein sollte, erhalte das Thema auch bei der Vergabe von Fördergeldern immer mehr Beachtung. „Da reicht es nicht, wenn wir ein Papier mit guten Absichten aus der Schublade ziehen.“

Die Inhalte müssten laut Candussi gelebt werden und möglichst schnell Einzug in die Strukturen erhalten. „Wir haben die Gelegenheit, den Prozess selbst zu gestalten, statt eines Tages einem längst abgefahrenen Zug hinterherzulaufen“, so Candussi. 

Laut Friederike Kuhrt sei es zwar nicht so, dass die AG nur Gegenwind erfahre. Aber sie versteht nicht, dass dies überhaupt vorkommt. Vor allem, wenn es sich um Kommentare aus den eigenen Reihen des BDN handelt. Solche wurden dem „Nordschleswiger“ von verschiedenen Frauen genannt, jedoch verzichten wir an dieser Stelle auf die Nennung von Namen und angeblich gefallener Worte, um die Anonymität der beteiligten Personen zu wahren.

Niemand sitze in der AG, weil es ihm oder ihr Spaß macht, Leute von der Notwendigkeit der Gleichstellung zu überzeugen, sagt Kuhrt. „Wir machen das, weil es wichtig ist“, ergänzt sie. Wer Ziele formuliert, müsse auch dafür sorgen, dass sie erreicht werden. Das könne unangenehm sein, schließlich werde an bestehenden Strukturen gerüttelt. Aber ohne Veränderung gebe es keinen Fortschritt. „Und hier müssen wir wirklich zusehen, dass wir vorankommen.“ 

Was gerade ansteht

Statt sich an Kommentaren aufzuhängen, versucht die Arbeitsgemeinschaft Meter zu machen, indem sie sich auf konkrete Projekte konzentriert. Derzeit ist das Thema „Handlungspläne“ bestimmend. 

Nachdem in den Verbänden der Status quo festgestellt wurde, bekommen sie von der AG in den nächsten Wochen einen Fragebogen ausgehändigt. „Diesen können sie selbstkritisch durchgehen und erste Ideen formulieren, wie sie ihre Ziele erreichen wollen“, erklärt Ruth Candussi. Um es etwas zu konkretisieren, sind im Fragebogen Oberthemen, wie Work-Life-Balance und Rekrutierung, formuliert. 

Die Rekrutierung neuer Arbeitskräfte sei ein wichtiger Bestandteil der Gleichstellung. Die Verbände könnten etwa überlegen, wie sie in ihren Stellenausschreibungen für mehr Menschen attraktiver werden. „Dabei geht es nicht nur darum, Frauen anzusprechen, sondern zum Beispiel auch Väter oder Menschen mit Handicap.“

Step by step

Es gehe nicht darum, alles über den Haufen zu werfen. „Es können kleine Schritte sein, die sich die Verbände auf die Agenda nehmen“, sagt Candussi und nennt ein Beispiel aus ihrer eigenen Partei. 

Denn auch in der SP gebe es noch viel zu tun. „Ich würde gerne über unsere Sitzungskultur sprechen“, sagt Candussi. Häufig dauerten Sitzungen nämlich länger als anberaumt. „Das schränkt die Teilnahme derjenigen ein, die pünktlich nach Hause zu ihren Kindern müssen.“ 

Die AG hofft auf eine rege Beteiligung an der Erstellung von konkreten Handlungsvorschlägen. Denn sie versteht sich nicht als Organ, das der Minderheit eine Gleichstellungspolitik aufzwingen will. Sondern als eines, das den Anstoß gibt und eine Hilfestellung anbietet. 

Mehr lesen

Leserbrief

Marie Skødt
„Bare whistleblower-ordningen havde vist sit værd!“