Die Woche am Alsensund

„Kurzurlaub im Pflanzencenter“

Kurzurlaub im Pflanzencenter

Kurzurlaub im Pflanzencenter

Sonderburg/Sønderborg
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Die Kolumnistin wartet – auf den Frühling. Foto: Karin Riggelsen

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Was tun, wenn das Fernweh ruft? Kolumnistin Sara Wasmund fand sich in dieser Woche unter einem Olivenbaum wieder und stellte fest, dass Hoffnung nicht immer ein sonderlich zartes Pflänzchen ist. Was ein Weinstock aus Sizilien damit zu tun hat, ist in der neuen Folge „Die Woche am Alsensund“ zu lesen.

In dieser Woche am Alsensund stand ich unter einem Olivenbaum in der Sonne, während mir der Duft von Urlaub in die blasse Nase stieg. Damals, in einem anderen Leben, als man noch nach Südeuropa reisen konnte! Durch den Anflug von Fernweh drang Baulärm an mein Ohr, und ehe ich mich erwehren konnte, war die Illusion vom Märzwind davongeweht.

Unterwegs im Gartencenter Billig Blume

Statt auf Samos’ Tischoliven essend, fand ich mich am Augustenburger Landevej in einem Pflanzenzentrum wieder. Anlass war ein Rundgang im neuen Gartencenter, das den nüchternen Namen „Billig Blume“, auf Dänische „Billig Blomst“ trägt.

Interview am Olivenbaum Foto: Karin Riggelsen

Geschäftsführer Tommy führte mich zwei Tage vor Eröffnung durch die 8.500 Quadratmeter große Ausstellungsfläche. Und ich stand plötzlich vor dem Olivenbaum und der Frage, ob diese knorrige Nutzpflanze wohl den Winter auf meiner Terrasse überleben würde.

Vermutlich wären dort weder die gemeine Olivenschildlaus noch der polsterförmige Feuerschwamm die größten Feinde der Pflanze, sondern der scharfe süddänische Südostwind mit Schneesturm im Gepäck.

Eine Orangerie muss her!

Eine Orangerie musse her, beschloss ich, angestachelt von den mich anduftenden Obstbäumchen um mich herum. Ich sah mich schon im Glashaus sitzen und mit Steinen der Tischoliven werfen.

Wenige Meter neben uns stand ein rebenloser Weinstock zum Verkauf, der auf eine neue Herausforderung in dänischen Gefilden wartet. Tommy zufolge stammte die Pflanze aus einem stillgelegten Weinberg aus Italien. Sonderburg statt Sizilien – armer Kerl, wenn der wüsste, in welch kühlen Gefilden er gelandet ist.

Ich wünsche schon jetzt allen sizilianischen Weinstöcken, die im Frühjahr 2021 in nordschleswigschen Tonboden zwangsverpflanzt werden, alles Gute.

Olivenbäume to go Foto: Karin Riggelsen

Schutz vor Wind und Wetter haben seit dieser Woche immerhin die älteren Kinder der Förde-Schule, wenn sie sich an einem Tag der Woche als Klasse im Freien treffen dürfen ­– das nämlich lassen die Corona-Restriktionen mittlerweile zu. Auf dem Gelände des Hotels Benniksgaard dürfen die Klassen 5 bis 7 Naturhütten und Grillplatz als Klassenzimmer im Freien nutzen.

Es ist eine verwickelte Situation

Stockbrot statt Stellenwertdarstellung von Zahlen – die Corona-Situation ist mindestens ebenso verwickelt wie die Teiglinge, die die Schüler der Klasse 7a am Donnerstag an Ästen übers Feuer hielten.

Überhaupt haben Stockbrot und Corona-Krise so manches gemeinsam. Man muss immer auf den rechten Abstand achten, sonst sieht man schwarz, und es gibt immer wieder neue Wendepunkte.

Sara Wasmund, Journalistin

Überhaupt haben Stockbrot und Corona-Krise so manches gemeinsam. Man muss immer auf den rechten Abstand achten, sonst sieht man schwarz, und es wird brenzlig. Und: Es gibt immer wieder neue Wendepunkte.

Außerdem gilt: Sobald man denkt, jetzt wird es bald gut sein, plumpst einem das Brot vom Stock, und eine neue Mutation legt das gesellschaftliche Leben in Schutt und Asche.

Lagerfeuer am Alsensund

Ich mag Stockbrot. Jedes Jahr im September machen wir auf einem Stoppelfeld direkt am Alsensund ein riesiges Lagerfeuer, in dessen Glut wir Stockbrot, Pfannkuchen, Marshmallows und Würstchen aufbacken.

Es ist eine Kunst für sich, drei Hunde vom Grillrost fernzuhalten, während man nebenbei Stöcke schnitzt und Sommerferienkinder mit Teig in den Haaren davon abhält, beim Weithüpfen über die Glut den Kürzeren zu ziehen.

Mal eben den Grill anschmeißen ... Foto: Sara Wasmund

Ob meine Sommergäste aus Deutschland in diesem Jahr wohl über die Grenze reisen dürfen, um auf einem Stoppelfeld in Nordschleswig Stockbrot zu backen? Die Hoffnung ist ein zartes Pflänzchen, und in meinem Fall ist sie mittlerweile ebenso knorrig und verwachsen wie der sizilianische Billig-Rebstock im Sonderburger Gewerbegebiet Ost.

Was mache ich mit meinem Fernweh?

Und was mache ich mit meinem Fernweh? Seit dieser Woche fällt mir die Ungewissheit deutlich leichter. Denn bei akuten Anfällen werde ich mich einfach bei Billig Blomst unter einen Olivenbaum stellen und einmal tief einatmen.

Und wer weiß, vielleicht gönne ich mir ja aus all den eingesparten Reisegeldern irgendwann mal eine Orangerie, pflanze darin einen Olea europaea und stoße mit einem guten Italiener (Wein) auf das Leben in Nordschleswig an.

Ja, ein Leben ohne Träume, das ist wie ein Garten ohne Blumen von Billig Blomst.

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