Die Woche am Alsensund

„Menschen haben keine Wurzeln. Nur Füße. Oder?“

Menschen haben keine Wurzeln. Nur Füße. Oder?

Menschen haben keine Wurzeln. Nur Füße. Oder?

Sonderburg/Sønderborg
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Mitunter könnte man beim Warten auf einen Gesprächspartner Wurzeln schlagen, findet Journalistin Sara Wasmund. Foto: Karin Riggelsen

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In dieser Woche ging Lokaljournalistin Sara Eskildsen im Deutschen Museum der Frage nach, welche Wurzeln in der deutschen Minderheit geschlagen werden. Ob darunter auch Wurzeln des Übels sind, ist in der neuen Kolumne „Die Woche am Alsensund“ zu lesen.

In dieser Woche am Alsensund ist Museumsleiter Hauke Grella immer wieder in den Keller gegangen. Nicht zum Lachen, sondern um die Bauarbeiten zu begleiten, die am Donnerstag im Untergeschoss des Deutschen Museums Nordschleswig begonnen haben. Im Laufe der kommenden Monate wird dort ein neues Archiv entstehen, in dem alle Gegenstände gelagert werden, die aktuell nicht im Museum gezeigt werden.

Auch die Laune hält sich öfters mal im Keller auf

Der Keller als solcher gilt ja als ein Ort, in dem man gerne mal Geheimnisse versteckt. Alte Briefe, zum Beispiel. Oder Leichen. Liegt der Bauer tot im Keller, war der Knecht mal wieder schneller, sagt der Volksmund. Auch die Laune hält sich in der Regel im Keller auf, wenn es ihr nicht besonders gut geht. Im Keller liegen Dinge im Verborgenen, in alten Kisten und staubigen Regalen. Nur allzu selten findet man gute Weine. Im Keller geraten Dinge in Vergessenheit.

Doch nicht im Keller des Deutschen Museums in Sonderburg. Hier wird eine umfassende Renovierung dafür sorgen, dass die Erinnerung System erhält. In Regalsystemen und mit einer kleinen Teeküche ausgestattet, entsteht in dem weißen Gewölbekeller in Zukunft die Schatzkammer, in der die Geschichte der deutschen Minderheit eingelagert wird. Das neue Archiv liegt übrigens direkt neben Archiv und Forschungsstelle der deutschen Minderheit, beides war bis vor Kurzem in Apenrade beheimatet.

Im Kellergewölbe des deutschen Museums in Sonderburg wird ein neues Archiv eingerichtet, in dem nicht gezeigte Gegenstände eingelagert werden. Eine Leiche war beim Rundgang im Keller nicht zu entdecken. Foto: Sara Wasmund

Nun füllen bald zwei Archive das gesamte Kellergeschoss des Deutschen Museums in Sonderburg. Man kann getrost einen der wenigen noch nicht geschmolzenen Eisberge dieser Erde als Sinnbild heranziehen. Von einem Eisberg ist meistens nur die Spitze zu sehen, der Rest des Brockens liegt unter der Oberfläche.

Oben im Museum ist die Geschichte der deutschen Minderheit in Nordschleswig zu sehen, unten in den Archiven, unter der Oberfläche, liegt noch vieles im Verborgenen, das es aufzuarbeiten, einzuordnen und letztendlich zu zeigen gilt. Ob wohl bei der Digitalisierung des Archivs noch die eine oder andere Leiche im Keller entdeckt wird?

Mit Wurzeln kennt sich das Museum bestens aus

Beim Rundgang durch die Kellerbaustelle stolperte der Museumsleiter zwar über keine Leiche, er stieß aber mit seinem braunen Schuh auf einen grünen Zweig, der sich bei näherer Betrachtung als eine alte Baumwurzel im Sand des Kellerbodens herausstellte. Mein suchender Blick durch das Gewölbe blieb mir einen Baum schuldig. Doch Hauke wusste, dass es sich nicht um eine Wurzel des Übels handelte, sondern um ein Überbleibsel aus alten Zeiten, als vor dem alten Museum nicht nur die Träume, sondern auch noch Bäume in den Himmel wuchsen.

Mit Wurzeln kennt sich das Deutsche Museum in Sonderburg ja bestens aus. In der 2020 neu eröffneten Ausstellung ein paar Meter über dem Museumskeller erzählen Mitglieder der deutschen Minderheit von ihren Wurzeln in Nordschleswig. Sie erzählen davon, wie es ist, deutsche Kultur und Sprache inmitten einer dänischen Mehrheitsbevölkerung zu leben, zu erleben.

Wem es am Wochenende an Gesprächsstoff fehlt, der kann ja mal die Frage in den Raum werfen, ob man sich als Teil der Minderheit eher als Tiefwurzler, Flachwurzler und Herzwurzler bezeichnen würde.

Sara Wasmund, Lokaljournalistin

Eine Wurzel ist aber nur dann hilfreich, wenn sie mit einem Nährboden verbunden ist, der Nahrung liefert. Was dem Baum Wasser und Mineralien, ist dem Menschen Gemeinschaft und Identität. Da kann das Wurzelwerk noch so ausgeprägt sein: Kappt man die Verbindung zur Quelle, verdörrt das Lebewesen.

Die deutsche Minderheit besteht aus vielen unterschiedlichen Pflanzen. Zarten und stämmigen, frisch gepflanzten, alten Eichen und importierten. Es gibt Angehörige von Familien, die seit über einem Jahrhundert in Nordschleswig Deutschsein leben. Und Zugezogene, die sich innerhalb kürzester Zeit in den Vereinen und Organisationen der Minderheit einbringen und Wurzeln schlagen. Und ganz vieles dazwischen. Auch Nutz-, Kletter- und Zierpflanzen sollen darunter sein. Und hie und da Unkraut, aber das sind nicht bestätigte Gerüchte.

Zurück zu den Wurzeln – das gilt nicht nur für Zahnärzte

Wem es am Wochenende an Gesprächsstoff fehlt, der kann ja mal die Frage in den Raum werfen, ob man sich als Teil der Minderheit eher als Tiefwurzler, Flachwurzler und Herzwurzler bezeichnen würde.

Back to the roots, zurück zu den Wurzeln – diese Aussage gilt für Zahnärzte nach der Mittagspause, Museumsleiter beim Rundgang im Archiv und für persönliche Erinnerungen gleichermaßen. 

Museumsleiter Hauke Grella schlägt im Keller des Museums keine Wurzeln, sondern neue Regalsysteme vor. Foto: Sara Wasmund

Doch zurück zum Rundgang im Keller, eine meiner letzten Geschichten in dieser Woche. Bald werden Wurzel und Sand verschwunden und ein neues Archiv entstanden sein. Und hoffentlich wird das Museum in Kürze wieder öffnen dürfen, um über die Wurzeln der Minderheit zu erzählen.

Darüber werden wir dann natürlich aktuell berichten. Ebenso wie über die Einweihung des Archivs oder mögliche Leichen im Keller.

Man muss für gute Geschichten nicht unbedingt im Dreck wühlen

Als Lokalredakteurin habe ich heute im Museumskeller jede Menge Staub aufgewirbelt, allerdings nur aus Sicht meiner Schuhe. Man muss schließlich nicht unbedingt im Dreck wühlen, um auf gute Geschichten zu stoßen. Es sei denn, man ist Archäologin inmitten der Sonderburger Innenstadt und legt einen Keller aus dem 16. Jahrhundert frei. Diese Geschichte hat meine Kollegin Ilse in dieser Woche aufgedeckt, eine von rund 25 Geschichten, die wir in dieser Woche am Alsensund für unsere Leser ausgegraben haben.

Ich wünsche allen Tiefwurzlern, Flachwurzlern und Herzwurzlern innerhalb der Leserschaft ein nährstoffreiches Wochenende und lasse mir nun vom Regen den Staub von den Schuhen spülen. Menschen haben nämlich keine Wurzeln. Nur Füße. Oder?

 

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