Die Woche am Alsensund

Zuhause ist, wo die Hecke leuchtet

Zuhause ist, wo die Hecke leuchtet

Zuhause ist, wo die Hecke leuchtet

Sonderburg/Sønderborg
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Eine neue Woche am Alsensund mit Kolumnistin Sara Eskildsen Foto: Karin Riggelsen

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In dieser Woche am Alsensund stellt Kolumnistin Sara Eskildsen fest, dass der dunkle Monat November durchaus seine Vorzüge hat. Ein Beschluss der Stadtratspolitik rückte Dinge ins rechte Licht.

Meine Hecke leuchtet. Mit drei LED-Schnüren verziert, strahlt der Kirschlorbeer seit dieser Woche im Zeitschaltrhythmus frühmorgens und abends.

Die Dunkelheit rund um das Haus war zuletzt so dicht, dass ich die Auffahrt vor lauter Schwarz nicht mehr erkennen konnte. Es herrschte radikale Finsternis. Als befände sich das Haus in einem Meer aus schwarzer Tinte, die um die Fenster fließt.

Statt schwarzzusehen, beschloss ich, die Advents-Deko ausnahmsweise mal anderthalb Wochen zu früh in Szene zu setzen. Was nützt einem die kalendarische Korrektheit, wenn man abends auf dem Weg zu den Mülltonnen ins Hortensienbeet stürzt?

Der Strom war zu teuer für nächtliche Straßenbeleuchtung

Zwei illuminierte Türkränze, eine LED-Laterne und diverse Lichterketten später kann ich nun getrost auf jenes Licht verzichten, über das die Stadtratspolitik in dieser Woche am Alsensund zu entscheiden hatte: Straßenlaternen.

Die waren seit Anfang des Jahres nachts in der gesamten Kommune ausgeschaltet. Nun, da die Strompreise wieder einigermaßen akzeptabel sind, galt es, die Lage neu zu bewerten. Am Mittwoch traf der zuständige Ausschuss eine Entscheidung: Die Straßenlaternen in den Städten Gravenstein, Norburg und Sonderburg werden ab sofort nachts wieder leuchten.

Mit Blick auf all die betrunkenen Menschen, die nach der Weihnachtsfeier ihren Weg nach Hause finden müssen, sicher keine schlechte Idee.

All jene in anderen Ortschaften oder jene, die wie ich weit draußen auf dem Land ganzjährig ohne Straßenbeleuchtung leben, müssen sich weiterhin was einfallen lassen, um durch die dunkle Jahreszeit zu kommen.

Um emotional vor lauter Finsternis nicht in schwarze Löcher zu fallen, ist Vorsorge die Mutter der Erinnerungskiste: Aufarbeiten ist besser als ausblenden, erinnern besser als verdrängen.

Sara Eskildsen

Wobei der dunkle November auch seinen Zweck hat: Zeit, um mal ganz ungestört vom Sommertrubel nachzudenken. Sich daran zu erinnern, was alles war.

In Sonderburg beispielsweise hat die deutsche Minderheit am 11. November zusammen mit dänischen Organisationen an das Ende des 1. Weltkriegs gedacht. Als Lokaljournalistin weiß ich: Die Dunkelheit des Novembers lädt traditionell dazu ein, sich den Schatten der Vergangenheit zu stellen. Die vielen Pressemitteilungen zu Gedenkfeiern sprechen Bände.

In Reden zu Gedenkveranstaltungen sowie beim Blick durch alte Tagebücher und Fotos wird immer wieder deutlich: Erinnern ist nicht immer leicht. Trauer, Schuld, Scham und Enttäuschung sind Gefühle, die niemand gerne fühlt. Sie unbeleuchtet im Untergrund schlummern zu lassen, ist verlockend.

Schwarze Einfahrten und dunkle Erinnerungen effektiv ausleuchten

Doch trifft Dunkelheit auf Dunkelheit, entstehen schwarze Löcher, deren Anziehungskraft derart groß ist, dass sie alles in ihrer Nähe verschlingen. Die Hoffnung, zum Beispiel. Oder die Freude.

Um emotional vor lauter Finsternis nicht in schwarze Löcher zu fallen, ist Vorsorge die Mutter der Erinnerungskiste: Aufarbeiten ist besser als ausblenden, erinnern besser als verdrängen.

Mithilfe von Kerzen, leuchtenden Hecken und Gemeinschaft kann man schwarze Einfahrten und dunkle Erinnerungen effektiv ausleuchten. Und der wachsende Mond erinnert daran, dass ein Neuanfang gerade dann stattfindet, wenn es zappenduster ist.

Wenn ich am Freitagabend von der Weihnachtsfeier der Redaktion nach Hause komme, finde ich in der Finsternis auch garantiert mein Haus in den Feldern. Zuhause ist, wo die Hecke leuchtet.

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