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Bei HAG-Jahrestreffen Blick auf dänischen Gesamtstaat 1773

Bei HAG-Jahrestreffen Blick auf dänischen Gesamtstaat 1773

Bei HAG-Jahrestreffen Blick auf dänischen Gesamtstaat 1773

Apenrade/Aabenraa
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Der Apenrader Historiker Lars N. Henningsen illustrierte seinen Vortrag über die Vereinigung der Gottorfer und königlichen Teile Holsteins im Jahre 1773 mit einem Foto aus der Gemäldesammlung von Schloss Christiansborg in Kopenhagen. Darauf empfängt König Christian VII. Holstein, und der russische Adler fliegt mit Delmenhorst und Oldenburg als Gegenleistung davon. Foto: Volker Heesch

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Der Apenrader Historiker Lars Henningsen sprach über die Gründung des dänischen Gesamtstaates nach einem Tauschhandel mit Russland. Die Heimatkundliche Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig blickt auf viele interessante Veranstaltungen zurück – und lädt zur Jahrestagung zum Thema „Konsequenzen des Klimawandels an Nord- und Ostsee“ am 2. März in der Akademie Sankelmark ein.

Über 40 Mitglieder der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig (HAG) hat deren Vorsitzende Gisela Jepsen am Freitagnachmittag  im Haus Nordschleswig bei der Generalversammlung begrüßt.

Bei der Generalversammlung der HAG gab es während der Kaffeetafel im Haus Nordschleswig auch Gelegenheit zu angeregter Unterhaltung. Foto: Volker Heesch

 

Während der Veranstaltung hielt der Verein nicht nur Rückschau auf die Aktivitäten im zurückliegenden Jahr und entschied über Satzungsänderungen. Daneben wurden auch Gisela Jepsen, Harald Søndergaard und Claus Pørksen als Vorstandsmitglieder wiedergewählt, ebenso die Vereinsrevisoren Frederik Christensen und Walter Rohwedder. 

Auftakt zu langer Periode des Friedens

Ein Höhepunkt war bei der Zusammenkunft der Vortrag des Apenrader Historikers Dr. Lars N. Henningsen über die Gründung des bis 1864 existierenden dänischen Gesamtstaates im Jahre 1773. Unter dem Titel „die Vereinigung Holsteins unter dem dänischen König 1773 – Friede und Wohlfahrt im Norden“ erklärte der frühere Leiter des Archivs und Forschungsstelle der Dänischen Zentralbibliothek in Flensburg, wie es in Verträgen zwischen Dänemark und Russland nach jahrelangen Verhandlungen glückte, die Herzogtümer Schleswig und Holstein ab 1773 von Kopenhagen aus zu regieren – und eine Phase von Frieden und Wohlstand im heutigen Dänemark und Schleswig-Holstein einzuleiten.

Der einstige Staat der Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf war 1720 nach der Niederlage ihres Bündnispartners Schweden im Nordischen Krieg auf kleine Territorien in Holstein geschrumpft. Der dänische König übernahm nach Kriegsende die zuvor Gottorfer Anteile Schleswigs. 1773 fielen auch die Restgebiete Gottorfs an den König in Kopenhagen, der zugleich Herzog von Schleswig und Holstein war. Foto: Wikipedia

 

„Am 1. Januar 2024 war es genau 250 Jahre her, dass Holstein unter dem dänischen König vereinigt wurde“, so Henningsen. Derzeit werde darüber in Ausstellungen in Schleswig informiert, so der Spezialist für die Geschichte des deutsch-dänischen Grenzlandes, der seinen Vortrag in deutscher Sprache hielt. 

Ein Wunder rettete Dänemark 1762 vor russischer Invasion

Henningsen berichtete, dass die Gottorfer nach 1720 eine Wiederinbesitznahme ihrer Gebiete in Schleswig anstrebten.

Die HAG-Vorsitzende Gisela Jepsen stellte Lars Henningsen als Referenten während der Generalversammlung vor. Foto: Volker Heesch

 

Und das wäre fast geglückt, nachdem der Gottorfer Herzog Peter Ulrich im Jahre 1762 den russischen Zarenthron nach seiner Tante, Zarin Elisabeth, erbte, der Schwester seiner Mutter Anna Petrowna. Diese war wie die Zarin eine Tochter des berühmten Zaren Peter des Großen, dem Gründer St. Petersburgs. „Er ließ im Juli 1772 40.000 russische Soldaten mobilisieren und in Richtung Dänemark marschieren. Dänemark hatte mit 27.000 Soldaten keine Chance. Die größte Krise Dänemark begann“, so der Historiker über den Versuch des Peter III. genannten „Gottorfer" Zaren. Doch es gab ein Wunder zu Gunsten Dänemarks, denn die Gattin von Peter III., Katharina II., ließ diesen umbringen und den Aufmarsch gegen Dänemark beenden. Sie hatte kein Interesse an der Rückeroberung der einstigen Gottorfer Besitztümer.

Die mächtige Katharina

Die neue mächtige Frau in St. Petersburg wünschte Ruhe und ließ Diplomaten aktiv werden, um sich mit Dänemark über Holstein zu einigen. Der in Apenrade geborene Adlige Casper von Saldern, der bekannt ist als Besitzer des Gutes Schierensee in Holstein, erwirkte als russischer Unterhändler in jahrelangen Verhandlungen, dass Russland seine holsteinischen Besitztümer gegen die dänischen Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst eintauschte.  Katharinas Sohn Paul war rechtlich Herzog von Holstein, als er mündig wurde, trat der Tauschhandel 1773 in Kraft.

Dänemark erwirkte Wohlwollen Katharinas mit Austern

Lars Henningsen berichtete, dass der Handel Dänemark teuer zu stehen kam. Nicht nur wurde man zum Vasallen Russlands, mit Einmischung St. Petersburgs in die dänische Politik. Es mussten den Verhandlungspartnern auch große Summen zugesteckt werden, auch Katharina musste wohlwollend gestimmt werden.

Im Wattenmeer zwischen Hoyer und der Insel Sylt wurden die Austern gefangen, die Dänemark nach St. Petersburg schickte, um nach 1762 Katharina auf dem Zarenthron freundlich zu stimmen. Foto: Volker Heesch

 

Dazu zählten Lieferungen frischer Austern aus dem Wattenmeer bei Hoyer nach St. Petersburg. „Die Kaiserin nimmt nur eine Austern in den Mund, wenn sie frisch ist“, zitierte Henningsen aus einer Überlieferung über die mächtige Frau in der russischen Metropole.  

 

Holstein und Schleswig deutschsprachig verwaltet

Lars Henningsen erläuterte, dass insbesondere Holstein nach 1773 viele Sonderrechte bekam und stark modernisiert wurde im Sinne der Aufklärung. Dazu zählten auch Reformen in der Landwirtschaft, unter anderem das Ende der Leibeigenschaft. Es gab in beiden Herzogtümern Schulreformen.

Es herrschte damals ein entspanntes deutsch-dänisches Verhältnis. Es gab einen deutschsprachigen Patriotismus und Königstreue.

Dr. Lars Henningsen

 

Die Universität Kiel wurde ausgebaut, und es folgte ein wirtschaftlicher Aufschwung beispielsweise durch den Bau des Eiderkanals, der Nord- und Ostsee verband. Die beiden Herzogtümer bekamen auch eine eigene Währung.  „Es herrschte damals ein entspanntes deutsch-dänisches Verhältnis. Es gab einen deutschsprachigen Patriotismus und Königstreue“, so der Historiker. Es folgten Glanzjahre des Gesamtstaates, die Eider als Grenze verschwand. Doch das Ende der Harmonie begann mit den England-Kriegen zur Zeit Napoleons und nach dem dänischen Staatsbankrott 1813. Ab 1830 beendete der aufkommende Nationalismus die Harmonie während der Schleswigschen Kriege ab 1848 und 1864.

Berichte aus Vorstand und Deutschem Archiv Nordschleswig

Während des ersten Teils der Generalversammlung der HAG hielt die Vorsitzende Gisela Jepsen Rückschau auf die gelungene Jahrestagung der HAG in Sankelmark mit mehreren Vorträgen zum Thema deutsche Flüchtlinge in Dänemark. Dazu gab es auch eine Exkursion ins Fluchtmuseum in Oksbøl bei Varde. Eine weitere Tagesfahrt hatte das Industriemuseum Kupfermühle zum Ziel. Kassierer Harald Søndergaard gab Einblick in die Vereinsfinanzen. Die Leiterin des Deutschen Archivs Nordschleswig in Sonderburg (Sønderborg), Dr. Nina Jepsen, berichtete über viele Aktivitäten ihrer Einrichtung.

Archivleiterin Nina Jebsen berichtete über ihre Tätigkeit in Sonderburg. Foto: Volker Heesch

Es würden immer mehr Dokumente, Bilder ebenso wie Schriften, digital unter der Internetadresse arkiv.dk Interessierten zugänglich gemacht. Sie würdigte besonders auch den Einsatz der vielen Ehrenamtlichen im Museum und dem dort untergebrachten Archiv. 

Einladung zur Jahrestagung der HAG am 2. März

Gisela Jepsen lud die HAG-Mitgliederschaft zur nächsten Veranstaltung am Sonnabend, 2. März 2024, in die Akademie Sankelmark bei Flensburg ein. Dort stehen drei Vorträge zum Thema „Konsequenzen des Klimawandels an Nord- und Ostsee" auf dem Programm. Einladungen sind verschickt worden, Infos gibt auch die Akademie Sankelmark. Es geht während der Tagung um den Klimawandel im Wattenmeer, Hochwasserschutz im Bereich der Westküste und Effekte des Klimawandels in der Ostsee. Es werden auch Einladungen zu Exkursionen auf die Halbinsel Kekenis (Kegnæs) und nach Hadersleben (Haderslev) verschickt.  

 

 

 

 

 

 

  

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