Leitartikel
„Viele Zukunfts-Ideen sind vom Tisch – War alles für die Katz?“
Viele Zukunfts-Ideen sind vom Tisch – War alles für die Katz?
Viele Zukunfts-Ideen vom Tisch – War alles für die Katz?
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Erst herrschte große Aufbruchstimmung in der Minderheit und jetzt sind viele Ideen der AG Zukunft vom Tisch. Warum das wenig überraschend ist, schreibt Journalistin Marle Liebelt in ihrem aktuellen Leitartikel.
Erst wird eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, die sich mit der Zukunft der Minderheit auseinandersetzen soll, dann tut sie das auch und dann kommen dabei auch noch jede Menge, man kann schon fast sagen, revolutionäre Ideen bei rum.
Der Hauptvorstand hat sich diese aufgeschlossen angehört, teilweise Bedenken geäußert, den Ball aber aufgenommen und sich intensiv mit einer möglichen Umsetzung auseinandergesetzt.
Und jetzt?
Diese Woche steht nach der jüngsten Hauptvorstandssitzung nun die Nachricht im Raum: Die meisten Ideen sind vom Tisch.
War alles für die Katz? Danke für nix? Never change a running system?
So würde ich es nicht sagen. Es war abzusehen, dass viele der Ideen, die die AG Zukunft erarbeitet hat, nicht oder so nicht umgesetzt werden können. Das war auch nie die Absicht.
Fortschritt und eine demokratische Veränderung ist immer der Kompromiss aus dem konservativen „Weiter so!“ und dem revolutionären „Stürzt das System“.
Marle Liebelt
„Think big!“, war das Motto der AG. Sie hatte einen klaren Arbeitsauftrag: Macht euch frei von allem, was ist und spielt „Wünsch dir was“.
Das hat sie gemacht: Die AG-Mitglieder haben so getan, als gäbe es die bestehenden Strukturen nicht. Ideen wie eine Basismitgliedschaft oder eine Struktur ohne Bezirke füllen ein leeres Blatt.
Nur hat es dieses leere Blatt in Wirklichkeit nie gegeben. Die Minderheit hat eine bestehende Struktur und zu behaupten, sie funktioniere nicht, wäre Humbug. Genauso wie jetzt mir nichts, dir nichts alles über den Haufen zu schmeißen.
So gesehen läuft eigentlich alles nach Plan. Nur wie geht es weiter? Welche Konsequenz zieht man aus dem Ergebnis, das der Hauptvorstand ausgearbeitet hat?
Der Stein rollt
Zuerst einmal wurde ein Stein ins Rollen gebracht. Es ist ein großer Schritt für eine Gesellschaft, die eigenen Strukturen zu hinterfragen.
Gesellschaftliche Strukturen sind oft festgefahren. Einfach weiterzumachen, ist immer der einfachste Weg. Zumal nicht vergessen werden darf, dass wir es hier nicht mit einem Rollen- oder Strategie-Spiel zu tun haben, sondern mit einer real existierenden Volksgruppe. Eine Minderheit, die eine Geschichte hat, die in einer Region zu Hause ist, in der das friedliche Miteinander nicht gottgegeben, sondern das Resultat gewaltvoller Konflikte, mehrerer Rückschläge und letztlich viel Diplomatie ist.
Man muss sich das mal vor Augen führen: Es gibt hier Minderheiten, die von den Regierungen ihrer Herberg-Staaten unterstützt werden. Minderheiten, die nicht neben den Mehrheitsgesellschaften her existieren, sondern eng mit ihnen verflochten sind, voneinander lernen und miteinander leben.
Die bestehenden Strukturen sind aus diesen Gegebenheiten gewachsen. Aber diese positive Entwicklung des Miteinanders bedeutet auch, dass die Strukturen nicht starr sein dürfen. Denn mit ihr geht einher, dass die Menschen, die sich der Minderheit zugehörig fühlen, heute anders ticken als früher.
Die klare Linie zwischen der Identifikation mit der Minderheits- oder Mehrheitsbevölkerung verwischt mehr und mehr. Diesem gesellschaftlichen Trend müssen die Strukturen Rechnung tragen.
An welchen Stellschrauben dafür gedreht werden sollte, und an welchen auch gedreht werden kann, sollte eben dieser Zukunftsprozess aufdecken.
Die Mischung macht's
Und ganz bestimmt stehen festgefahrene Strukturen auch diesem Findungsprozess im Weg. Der Hang zum konservativen „Weiter so“ ist immer da und so wird es wohl auch immer sein.
Es liegt jetzt an allen – an den Mitgliedern des Hauptvorstandes genauso wie an allen Mitgliedern an der Basis – dafür zu sorgen, dass der Stein weiter rollt. Die Veränderungen, die jetzt auf dem Tisch liegen, müssen weitergedacht werden.
Dabei kann nur etwas herumkommen, wenn an der offenen Diskussionskultur festgehalten wird.
Diejenigen, die gegen festgefahrene Strukturen argumentieren, müssen das frei tun können und ernst genommen werden.
Diejenigen, die an Strukturen festhalten wollen, müssen die Gelegenheit haben, dies zu begründen, ohne als altes, stures Minderheiten-Mitglied abgetan zu werden.
In der Praxis bedeutet das: Hier ist eine Idee, lass doch mal dieses oder jenes machen. Etwas spricht dagegen? Lasst uns die Idee deshalb nicht verwerfen. Lasst uns gucken, ob wir an der Idee festhalten und das Hindernis umgehen können.
Fortschritt und eine demokratische Veränderung ist immer der Kompromiss aus dem konservativen „Weiter so!“ und dem revolutionären „Stürzt das System“.