Krieg in der Ukraine

Über Krieg sprechen: „Den Kindern Ruhe geben“

Über Krieg sprechen: „Den Kindern Ruhe geben“

Über Krieg sprechen: „Den Kindern Ruhe geben“

Gravenstein/Gråsten
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Die Klasse 7 mit Lehrerin Katrin Poppe Foto: Sara Eskildsen

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Wie gehen Kinder und Jugendliche mit dem Krieg in der Ukraine um? Klassenlehrerin, Schülerinnen und Schüler und der Schulleiter der Förde-Schule erzählen, wie sie das Thema verarbeiten.

In der 7. Klasse der Förde-Schule ist der Krieg in der Ukraine immer wieder Thema. „Der Nordschleswiger“ hat die Klasse gefragt: Wie viel Raum nimmt das Thema Krieg in der Ukraine bei euch ein?

Klassenlehrerin Katrin Poppe kann beobachten, dass sich der Umgang mit dem Thema Krieg im Laufe der Wochen verändert hat. „Am Anfang war das ein riesengroßes Thema, und wir haben sehr viel darüber gesprochen. Da war das auch in den Pausen ganz oft ein Thema. Der Gewöhnungseffekt hat sicherlich eingesetzt“, überlegt Katrin Poppe.

„Es gibt auch deutliche Unterschiede in der Klasse und zwischen den Klassenstufen, wie man damit umgeht. Einige haben ganz klar gesagt: Ich habe Angst, und ich möchte am liebsten gar nicht darüber sprechen. Andere hatten eigentlich keine Angst und wollten offen darüber sprechen.“

Tik-Tok-Videos aus dem Kriegsgebiet

Einige Kinder hätten so starke Ängste entwickelt, dass sie sich nicht mehr in die Schule getraut haben. „Mit diesen Kindern haben wir dann ganz gezielt gesprochen und gesagt: Wenn euch etwas Angst macht, geht zu einem Erwachsenen, zu euren Eltern oder zu uns.“

Zusammen mit ihrer Klasse hat Katrin Poppe überlegt, wie man mit dem Thema am besten umgeht. „Wir haben letztendlich für uns gesagt, dass die Kinder an der Schule eine möglichst unbeschwerte Zeit haben und in den Pausen da nicht so viel darüber gesprochen wird.“

Zuhause schauen sich die Schülerinnen und Schüler immer mal wieder Tik-Tok-Videos an. Videos, die schwer einzustufen sind. „Vieles davon ist eine Dramatisierung, und die Videos, die ihr seht – da ist nicht alles echt“, gibt die Lehrerin zu bedenken.

Schülerin Sibel Lorenzen: „Auf Tik-Tok wird oft live gesendet, auch Szenen mit Soldaten und Explosionen.“ Foto: Sara Eskildsen

Sibel Lorenzen sagt: „Auf Tik-Tok wird oft live gesendet, auch Szenen mit Soldaten und Explosionen.“ Wer die Videos gemacht hat, wo sie entstanden und wie sie einzuordnen sind – die Kinder bleiben nach den Videos mit vielen ungeklärten Fragen zurück.

„Manchmal weiß man, dass es fake ist, aber das ist schwer zu entscheiden“, so Sibill, die zusammen mit Helena als Spendensammlerin für die „Folkekirkens Nødhjælp“ unterwegs war.

„Alle sagen, dass es der Dritte Weltkrieg wird“

Sie habe keine große Angst, aber es ist unheimlich. „Alle sagen, auch auf den sozialen Medien, dass es der Dritte Weltkrieg wird, und das ist scary. Wenn wir darüber sprechen, kann man sich ein wenig beruhigen.“

Kristian Lausten vertraut auf die Berichterstattung der Journalistinnen und Journalisten. Foto: Sara Eskildsen

Kristian Lausten hält sich daher hauptsächlich an die Nachrichten. „Meine Informationen kommen aus den Nachrichten. ,TV2’ hat ja beispielsweise ihre Journalisten in der Ukraine, und die können direkt erzählen, was da passiert.“

„Traut euch auch mal, das Telefon wegzulegen“

Online-Videos von sozialen Plattformen seien schwer einzuordnen, sagt Lehrerin Poppe. „Wir haben darüber geredet und es thematisiert, aber wir können nicht herausfinden, ob es echt ist oder nicht.“

Sie rät den Schülerinnen und Schülern immer wieder: „Wenn ihr etwas seht, was euch Angst macht – wendet euch an jemanden. Und traut euch auch mal, das Telefon wegzulegen. Legt es außer Reichweite, damit man nicht jedes Mal sieht, wenn etwas reinkommt.“

Helena Henriksen hat Spenden für die Menschen aus der Ukraine gesammelt. Foto: Sara Eskildsen

Helena Henriksen sagt: „Es läuft ja jeden Tag in den Nachrichten, und ich schaue es mir an, aber die meiste Zeit interessiert es mich nicht, und ich denke nicht daran.“

Und Mitschüler Oliver Sommerlund fügt hinzu: „Ich denke auch nicht so viel darüber nach, aber man weiß, dass Krieg ist. Es ist jetzt kein großes Thema mehr.“ Er setzt auf das Prinzip Hoffnung. „Denn es ist ja ärgerlich und schlimm für die Menschen in der Ukraine, und ich hoffe, dass es aufhört. Auch wenn ich nicht direkt davon betroffen bin.“

Schülerin Carla Fink informiert sich über die Nachrichten. Foto: Sara Eskildsen

Siebtklässlerin Carla Fink setzt auf nüchterne Nachrichten. „Ich schaue mir die Nachrichten an, um zu sehen, wie weit es jetzt ist. Ich weiß ja, dass es wahrscheinlich nicht hier herkommt, aber man merkt die Auswirkungen ja schon, beispielsweise mit dem Gas, oder dass Benzin und Diesel teuer ist.“

Sebastian Petersen sagt über seinen Umgang mit dem Krieg: „Ich rede nicht so viel darüber. Ich kann darüber reden, aber es ist mir nicht so wichtig.“

Schüler Oliver Sommerlund: „Ich denke nicht so viel darüber nach." Foto: Sara Eskildsen

Schulleiter Niels Westergaard orientiert sich zusammen mit den Lehrkräften an den Richtlinien der Organisation „Red Barnet“  – und am gesunden Menschenverstand.

„Ziemlich am Anfang haben wir alle Klassenlehrer gebeten, nach ihrem Empfinden das Thema anzusprechen – sie kennen ihre Klassen ja am besten und merken, ob Kinder beunruhigt sind oder nicht. Es wurde in allen Klassen angesprochen – je nach Alter der Kinder. Wir wollten den Druck nehmen, denn da sind Ängste.“

Wir probieren, mit dem gesunden Menschenverstand ranzugehen. Den Kindern Ruhe geben, sie nicht übers Ohr zu hauen und ihnen keine Unwahrheiten zu erzählen. Aber ihnen auch sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass bei uns Krieg sein wird, sehr, sehr gering ist.

Niels Westergaard, Schulleiter
Für Schüler Sebastian Petersen ist der Ukraine-Krieg kein dominierendes Thema. Foto: Sara Eskildsen

Gerade die größeren Kinder würden sich Gedanken machen. „Sind wir die Nächsten? Fliegt hier die Atombombe rüber, kommt hier die Strahlung hin, müssen meine Eltern in den Krieg? Diese Sorgen erleben wir bei den kleineren Kindern weniger. Gerade im Bereich 5. bis 7. hören wir von Eltern, dass Kinder schlecht schlafen, weinen und traurig sind.“

Was kann man tun, um den Kindern die Sorgen zu nehmen? „Wir probieren, mit dem gesunden Menschenverstand ranzugehen. Den Kindern Ruhe geben, sie nicht übers Ohr zu hauen und ihnen keine Unwahrheiten zu erzählen. Aber ihnen auch sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass bei uns Krieg sein wird, sehr, sehr gering ist.“

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