Leitartikel

„Ist Schengen tot?“

Ist Schengen tot?

Ist Schengen tot?

Apenrade/Aabenraa
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Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu Grenzkontrollen im Schengenraum sollte es in der EU und in den einzelnen Schengenstaaten eine grundsätzliche Meinungsbildung zum Thema geben, findet „Nordschleswiger“-Redakteur Helge Möller.

Man hatte sich so daran gewöhnt: Freie Bahn nach Dänemark, vorbei an verwaisten Kontrollhäuschen, die irgendwann nicht mehr standen. Dann, 2016, wurde alles anders, nicht nur Dänemark führte wieder Grenzkontrollen ein, nach dem Flüchtlingsstrom aus dem Jahr 2015. Irgendwann kamen Container für die Grenzschützer dazu, da sah alles nicht mehr ganz so vorübergehend aus.

Es kamen: neue Krisen, neue Verlängerung, immer ein halbes Jahr lang. Irgendwie hat man sich als Grenzlandbewohner dann doch wieder daran gewöhnt, kontrolliert oder eben nicht kontrolliert zu werden. Stand man im Stau, ärgerte man sich und fragte: Muss das sein?

Die von staatlicher Seite betriebene schon fast automatische Verlängerung der Grenzkontrollen könnte nun nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes Geschichte sein. So einfach geht es nicht, meint das Gericht, die Grenzkontrollen im Schengenraum sind also kein Selbstgänger. Das Abkommen sieht nun einmal den freien Grenzübertritt vor.

Die einen werden sich nun freuen, die anderen werden Sicherheitsbedenken haben, es kreuzen ja nun auch nicht nur Touristen und Berufspendler die Grenze.

Abseits der Frage, ob die Kontrollen in der Form, in der sie an der deutsch-dänischen Grenze oder auch woanders in Europa durchgeführt werden, Sinn ergeben oder ob sie nicht anders und besser durchgeführt werden können, sollte das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten des Schengenabkommens selbst die Diskussion führen, ob das Abkommen lebt oder ob es tot ist – von der globalen Wirklichkeit überholt.

Die EU, so sieht es aus, will das Abkommen, den freien, ungehinderten Grenzübertritt aufrechterhalten, einzelne Mitgliedsstaaten des Abkommens möchten im Grunde doch lieber kontrollieren und verlängern ihre Ausnahmegenehmigungen für diese regelmäßig.

Es gibt sicher gute Gründe, Schengen nicht aufzugeben, zu verteidigen. Kritiker werden auch gute Gründe gegen Schengen vorweisen können.  Es wäre an der Zeit, nach dem Urteil ganz grundsätzlich über das Abkommen zu diskutieren. Ist das Abkommen aus der Zeit gefallen, von der Wirklichkeit überholt oder ist es das nicht? Die Antwort auf diese Frage sollte nicht durch Dauer-Verlängerungen der Kontrollen auf die lange Bank geschoben werden. Das sieht nach Entscheidungs-Vertagung aus. Das ist unwürdig. Es wird Zeit, über die Zukunft des Schengenabkommens zu entscheiden.

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