Suchthilfezentrum Schleswig

Suchttherapeut Wolfgang Grote: „Ein klares „Jein“ zur Cannabis-Legalisierung“

„Ein klares „Jein“ zur Cannabis-Legalisierung“

„Ein klares „Jein“ zur Cannabis-Legalisierung“

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Schleswig
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Wolfgang Grote, Leiter des Schleswiger Suchthilfezentrums, ist gegen eine Kriminalisierung, aber wünscht sich mehr Aufklärung über die Gefahren von Cannabis. Foto: Stephan Schaar/shz.de

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Der Leiter des Schleswiger Suchthilfezentrums sieht die Diskussion um eine Cannabis-Legalisierung kritisch. Im Interview erklärt Wolfgang Grote, wie eine Legalisierung der Droge sinnvoll wäre und was dazu gehören müsste.

Wolfgang Grote ist Sozialpädagoge, Suchttherapeut und Leiter des Schleswiger Suchthilfezentrums. Die aktuellen Pläne der künftigen Ampel-Koalition für eine Legalisierung von Cannabis sieht er zwiespältig und auch kritisch. Im Interview mit SN-Stadtreporter Stephan Schaar erklärt er, welche Gefahren von Cannabis ausgehen – und wie eine Legalisierung sinnvoll umgesetzt werden könnte.

Herr Grote, wie stehen Sie zu einer möglichen Legalisierung von Cannabis?

Ich verfolge interessiert die aktuelle Diskussion und finde die Berichterstattung oft zu einseitig, entweder wird Cannabis verteufelt oder verherrlicht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Legalisierung kommt und es hat sich auch gezeigt, dass ein Verbot und eine Kriminalisierung allein nicht zielführend ist. Aber es ist ein schwieriges Thema. Eine Legalisierung sehe ich zwiespältig. Ob das richtig ist, kann ich nur mit einem klaren „Jein“ beantworten.

Was ist auch Ihrer Sicht das Problem einer Legalisierung?

Ich finde es schade, dass dieses Thema so hochgepuscht wird, während wir mit Tabak und Alkohol bereits zwei legale Drogen haben, die massive gesundheitliche Probleme und hohe gesellschaftliche Kosten verursachen – und wir viele Jahre schon brauchen, um das mehr und mehr zurückzudrängen. Da beobachte ich es dann mit Sorge, dass die Cannabis-Legalisierung so forciert wird.


Grundsätzlich stellt sich natürlich die Frage, ob ein Suchtmittel ein so hohes gesellschaftliches Zersetzungspotenzial und Einzelgefährdungspotenzial hat, dass man es nicht in die Verantwortung des Einzelnen geben kann und es kriminalisiert werden muss. Und Verbote alleine reichen nicht aus, das sieht man bei den Heroinabhängigen.

Andererseits ist meine Befürchtung, dass es so legalisiert wird, dass sich die Forderungen von Fachleuten, unter anderem von Suchthilfeexperten, nur sehr begrenzt wiederfinden.

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Welche Gefahren sehen Sie bei einer Cannabis-Legalisierung?

Gerade bei jungen Leuten ab dem 12. Lebensjahr gibt es zwei große Gruppen, die anfangen, Cannabis oder Alkohol zu konsumieren. Die einen versuchen es aus Neugierde, um cool zu sein, um etwas Verbotenes zu tun und weil andere es auch machen. Die merken dann aber bald, es ist ja ganz nett, aber ich will auch Sport und andere Dinge machen und irgendwie ist es auch doof.

Und dann gibt es diejenigen, die den Konsum als Entlastung suchen und in jungen Jahren in eine Abhängigkeit geraten. Das sind oft diejenigen, die wir dann hier in der Suchthilfe haben oder die in ganz schlimmen Fällen in der Jugendanstalt landen. Die Droge, die Suche nach Entlastung und die Abhängigkeit sind aber nur Symptome für einen untauglichen Lösungsversuch von Problemen. Aber diesen Jugendlichen, die in so massiv problematischen Verhältnissen leben, dass sie eine Entlastung brauchen, denen ist es egal, ob das legal oder illegal ist.

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Was macht Cannabis für den Konsumenten gefährlich?

Verglichen mit Tabak und Alkohol gilt Cannabis noch immer als weniger gesundheitsschädlich. Es gibt auch – anders als beim Alkohol – keine körperliche Abhängigkeit. Aber es verursacht eine psychische Abhängigkeit, kann zu Antriebslosigkeit und Depressionen führen und im schlimmsten Fall auch Psychosen auslösen. Das sind tiefgreifende Bewusstseinsveränderungen, wie etwa Wahnvorstellungen. Das ist nochmal eine ganz andere Liga.


Würde der Konsum durch eine Legalisierung ansteigen?

Das glaube ich nicht zwingend. Es gibt Studien aus Ländern, in denen Cannabis entkriminalisiert wurde, die keinen unkontrollierbaren Anstieg des Konsums aufweisen. Teilweise hat sich der Konsum sogar verringert. Allerdings ging mit einer Legalisierung auch eine Aufklärung und eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema in der Gesellschaft einher – und das ist etwas, was bei uns noch fehlt, da stehen wir noch am Anfang. Wir sollten von den Erfahrungen der anderen Länder auf jeden Fall lernen. Es gibt kein einzelnes Land mit einer „best practice“, aber es gibt von verschiedenen Ländern positive Erfahrungen, die wir übernehmen könnten.

Wie sollte eine Legalisierung umgesetzt werden?

Wir brauchen mehr Aufklärung und sollten insgesamt mehr Geld in die Suchtprävention investieren. Wichtig wäre auch ein absolutes Werbeverbot, auch für Alkohol und Tabak, und das Mindestalter für den Konsum sollte bei 21 Jahren liegen. Staatlich kontrolliert angebautes Cannabis sollte nicht teurer als der Schwarzmarkt sein. Legales Cannabis ist auch ein Riesengeschäft und die Steuereinahmen, die auf jährlich 1,7 Milliarden Euro geschätzt werden, sollten in regelmäßige Präventionsmaßnahmen ab der ersten Klasse an Schulen, für mehr ambulante Beratungsstellen und in die Modernisierung von Schulen investiert werden.

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