Volksfest

Mein erstes Mal Kieler Woche: Wie eine Hessin das große Fest erlebte

Mein erstes Mal Kieler Woche: Wie eine Hessin das große Fest erlebte

Kieler Woche: Wie eine Hessin das große Fest erlebte

Dania Isabell Martin/shz.de
Kiel
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Mitten im Getümmel: Dania Isabell Martin ist das erste Mal auf der Kieler Woche. Foto: Staudt/shz.de

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Endlich wieder Kieler Woche: Für viele ist das Fest zur Tradition geworden. Unsere Volontärin Dania Isabell Martin kommt aus Hessen und ist dieses Jahr zum ersten Mal dort. Eine Reportage von der „Party-Meile“.

Menschenmassen, pralle Hitze und viel Musik: Es ist wieder Kieler Woche. Viele werden sofort Bilder im Kopf haben, wenn sie an das Festival denken. Ich allerdings nicht, es ist mein erstes Mal „KiWo“, denn ich komme aus Hessen. Große Jahrmärkte wie den Hessentag gibt es bei uns auch. Aber was ist das besondere an der Kieler Woche?

Piraten und Dirndl

Nachmittags, 15 Uhr, Kiellinie. Mein Weg führt mich vom Landtag Richtung Innenstadt, vorbei an vielen Essensständen und so einigen Cocktailbars. Alle 100 Meter wechselt die Musik. Ob die das wohl abgestimmt haben? Zum Nachdenken bleibt keine Zeit, denn es kreuzen immer wieder sehr ungewöhnliche Gestalten meinen Weg. „Moin ihr Bagaluten!“, ruft ein Mann, der auf einem rollenden Segelboot über den Weg fährt – natürlich mit Piratenhut und Ringelpulli.

Auf der rechten Seite kommt schon mit dröhnender Schlagermusik das berüchtigte Bayernzelt. Was das hier in Schleswig-Holstein zu suchen hat, ist mir ein Rätsel. Schnell weg hier, denke ich mir. Denn betrunkene Bayern hatte ich im Studium schon genug. Kurz darauf treffe ich auf eine Gruppe Frauen in traditionellen Dirndln. „Wir waren letztes Jahr schon hier und total underdressed. Deswegen haben wir dieses Jahr direkt Dirndl angezogen“, sagt eine der Frauen, die aus Kaltenkirchen angereist sind. Kieler Woche scheint verschiedene Kulturen zusammenzubringen.

Hinter den Buden ragt ein großes Kreuzfahrtschiff heraus, das sich langsam aus der Kieler Förde hinausbewegt – unfassbar riesig und doch irgendwie beeindruckend. Vom Schiff hinunter winken die Gäste, und die KiWo-Besucher winken ganz selbstverständlich zurück. Für einen Jahrmarkt wie ich ihn kenne wäre das doch etwas ungewöhnlich.

Volle Wege und ähnliche Stände

An der Hörn wird es eng. Dicht an dicht bewegen sich die Menschen von Fahrgeschäft zu Fressbude. Eine Frau schiebt ihren Kinderwagen Meter für Meter durch die Menge. „Einfach weiterfahren“, ruft ein Mann daneben. Trotzdem bleibt es ruhig, keine Hektik zu sehen. Eigentlich wollte ich auf das große Riesenrad, doch das ist gerade nicht in Betrieb. Der Grund: Reparaturarbeiten.

Langsam wiederholen sich die Stände: Softeis, Bratwurst und Pommes gibt es eigentlich immer nach ein paar hundert Metern wieder. Kein Wunder, die Kieler Woche verteilt sich ja nicht wie bei vielen Jahrmärkten auf eine kompakte Fläche. Hier macht gefühlt die ganze Förde mit.

Viele Fahrräder und wenig freie Parkplätze

Schnell von A nach B zu kommen, scheint mit dem Bus am leichtesten zu sein. Wenn man an einer Haltestelle steht, fährt er meist alle zehn Minuten. Auch E-Roller stehen an jeder Ecke, doch auf der Straße sind nur wenige zu sehen. In Kiel dominieren am Samstag ganz klar die Fahrräder. Sie stehen nicht nur überall, sondern werden auch viel benutzt. Bei den Straßensperrungen und Mangel an freien Parkplätzen ist das wohl die beste Wahl. Um vorbeizukommen, müssen sich die Radler allerdings oft bemerkbar machen, denn die Radwege sind nur selten frei von Fußgängern.

Warum die Menschen auf die Kieler Woche gehen, ist ganz unterschiedlich. Der eine sagt, „Es ist nichts Besonderes. Ich will hier nur meine Freunde treffen.“ Die nächste ist wegen der Sportfreunde Stiller mit ihrer Freundin hier. „Wir haben uns lange nicht mehr gesehen und wollen uns hier einen netten Tag machen.“

Außerdem habe ich schon vier Junggesellinnenabschiede gezählt. Und dann habe ich Heike und Bernd Drewes getroffen. Sie sind seit mehr als zehn Jahren jedes Jahr dabei und reisen extra aus Delmenhorst an. Für die KiWo haben sie sich eine Woche freigenommen und eine Unterkunft in Eckernförde gebucht. Für Heike ist die KiWo besonders, weil sie, von allem was hat.

Kurz vor der Eröffnung ist der Rathausplatz voll. Der internationale Markt kommt wohl nicht nur bei mir gut an. Viel Stöbern ist allerdings nicht mehr drin. Jeder Fleck ist mit Menschen besetzt, vor oder zurück geht es nicht – fast etwas bedrückend. Vor mir steht eine Familie mit Kindern. Der Junge hat Kopfhörer auf. Eine Frau dahinter sagt: „Das Kind kann ja gar nichts sehen. Das ist schon gemein. Aber wenn sie es hochheben, kann der Rest nichts mehr sehen. Das geht auch nicht“ – ein Dilemma. Der Junge scheint mit seiner belgischen Waffel aber ganz zufrieden zu sein.

Was auf der Bühne gesprochen wird, kann ich von der Mitte des Rathausplatzes kaum verstehen, doch immerhin ist es auf den großen Bildschirmen zu sehen. Nun darf Samson aus der Sesamstraße mit dem Ministerpräsidenten Daniel Günther „Anglasen“ – es handelt sich hierbei jedoch nicht, ums Anstoßen, was ich zunächst dachte. Sie läuten eine große, goldene Glocke – und damit beginnt offiziell die Kieler Woche.

Nach einer dreiviertel Stunde auf der Stelle stehen ohne die Chance auf Bewegung fühle ich mich langsam erschöpft. Eine belgische Waffel konnte immerhin den Hunger stillen. Nach einer Umbaupause sind endlich die Sportfreunde Stiller dran. Und als wir alle auf dem Rathausplatz zusammen singen: „Die Welt ist groß genug. Wir sind nicht allein. Zündet ein Leuchtsignal in New York, Rio, Rosenheim“, kann auch ich ich die Magie der Kieler Woche spüren.

Mein Fazit: Die Kieler Woche hat mit Fahrgeschäften und Fressbuden auch Gemeinsamkeiten mit einem Jahrmarkt. Doch hier kommt noch so viel mehr dazu: Segeln, Wasser, gratis Musik, gute öffentliche Verkehrsmittel und vor allem: Der Kerngedanke, dass wir alle zusammen feiern – mit viel Toleranz und wenig Vorurteilen.

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