Sorge um Krebs-Behandlung

Flensburger Kliniken: Notfälle und dringliche Behandlungen werden nicht verschoben

Notfälle und dringliche Behandlungen werden nicht verschoben

Notfälle und dringliche Behandlungen werden nicht verschoben

SHZ
Flensburg
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Britta B. aus Hürup sorgt sich um die Behandlung von Krebsparienten. Foto: Mira Nagar/shz.de

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Britta B. sieht ihre Chemotherapie durch die Corona-Patienten in Gefahr. Die Flensburger Kliniken versichern: Notfälle, Tumor-OPs und Chemos werden nicht verschoben.

Für Britta B. saß der Routine-Hinweis wie ein Tiefschlag. Sie sollte sich am Tag vorher nochmal erkundigen, ob der Termin steht, hatte man ihr gesagt. Bei der 57-Jährigen aus Hürup machten sich Angst und Zweifel breit. Zweifel, ob ihre Chemotherapie fortgesetzt – oder wegen der Pandemie verschoben würde.

Der Termin mit stationärem Aufenthalt im Franziskus-Krankenhaus fand schließlich wie geplant statt. Doch die Zweifel blieben. Inzwischen hat sich die 57-Jährige bei einer onkologischen Praxis erkundigt und möchte ihre Therapie dort fortsetzen. Denn ob die Fortführung im Krankenhaus gesichert ist, dass wisse sie nicht.

Krankenhäuser geben Entwarnung

Ingo Tüchsen, Geschäftsführer des Diako-Krankenhauses, kann beruhigen: In der Diako werden derzeit keine OPs und Behandlungen wie Chemotherapien aufgrund der Corona-Pandemie verschoben. „Sollten wir bei einer verschärften Pandemie-Lage in die Situation kommen, Behandlungen verschieben zu müssen, dann wären es nur solche, die medizinisch vertretbar verschoben werden können“, so Tüchsen.

Auch Prof. Stephan Timm, Facharzt für Chirurgie am St.-Franziskus-Hospital weist darauf hin: „Es wird grundsätzlich immer alles dafür getan, dass Notfallpatienten sowie Patienten mit dringlichen Operationen behandelt werden.“ Auch eine Chemotherapie musste bislang nicht verschoben werden. Lediglich im Februar, als Flensburg zum Corona-Hotspot wurde, sei es zur Verschiebung von ein bis zwei Tumor-OPs gekommen. „Um eine Woche, aber nie länger.“

Sorge um zögerliche Patienten

„Wir haben eher die Sorge, dass Patientinnen und Patienten mit Tumor- und anderen Erkrankungen aus Sorge, sich mit Covid-19 zu infizieren, wichtige Behandlungen aufschieben“, ergänzt Tüchsen. „Dabei zeichnen sich die Krankenhäuser durch hohe Impfquoten und regelmäßige, engmaschige Testungen von Mitarbeitenden und Patienten aus. Viel gefährlicher ist es, Krankheiten durch das Aufschieben von Behandlungen zu verschlimmern – bis hin zu vermeidbaren Spätfolgen.“

Das zeige sich auch bei Schlaganfallpatienten. So wurden in der Diako im letzten Winter rund 13 Prozent weniger Schlaganfälle behandelt. „Dieser Rückgang ist besorgniserregend, da wie beim Herzinfarkt beim Schlaganfall jede Minute zählt und moderne erfolgversprechende Verfahren nur innerhalb der ersten 4,5 Stunden nach dem ersten Auftreten der Symptome durchgeführt werden können“, erklärt Tüchsen.

Auch bei Britta B. wurde der Eierstockkrebs möglicherweise erst später erkannt, als es ohne die Pandemie der Fall gewesen wäre. „2020 bin ich nicht zur Vorsorge gegangen“, sagt sie. Erst 2021 kam daher die Diagnose und mit ihr zwei Operationen und die Chemo.

Krebsgesellschaft warnt vor „stiller Triage“

Die Deutsche Krebsgesellschaft warnt davor, dass die Corona-Pandemie bittere Auswirkungen auf die onkologischen Patienten haben kann. „Als ärztlicher Direktor einer universitären Klinik bin ich täglich damit konfrontiert, dass aufgrund des enormen Betreuungsaufwands von Covid-19-Erkrankten personelle Engpässe in der stationären Krebsversorgung entstehen, auch dringende Operationen verschoben werden oder Patientinnen und Patienten nach einer Krebs-OP frühzeitig die Intensivstation verlassen müssen, weil ihr Bett dringend gebraucht wird“, warnt Professor Dr. Thomas Seufferlein, Ärztlicher Direktor bei der Uniklinik Ulm und Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass überfüllte Intensivstationen wegen Covid-19 zu einer ungewollten Priorisierung der zu behandelnden Patientinnen und Patienten – und damit zu einer stillen Triage – führen.“

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Prof. Stephan Timm weist den Begriff der Triage zurück. „Was uns aber Sorge bereitet“, so der Facharzt, „ist die Frage, was mit der neuen Corona-Variante auf uns zukommt.“ Derzeit sind drei Personen auf der Intensivstation für Covid-Patienten. Bislang sei unklar, wie viele der aktuell Infizierten in nächster Zeit in die Klinik kommen werden. Weder die Quote sei bekannt noch die zeitliche Verzögerung, mit der die derzeit hohe Inzidenz zu einer hohen Auslastung führt. „Auch wenn es nur zwei Prozent sind, werden es trotzdem zu viele.“ Problematisch könne es zudem werden, wenn es wegen der besonders ansteckenden Omikron-Variante zu Personalausfällen kommt – wenn sich nämlich das Krankenhauspersonal infiziert und in Quarantäne muss.

Diako als Backup

Sollte sich die Lage auf den Intensivstationen wie in einigen anderen Bundesländern zuspitzen, würde die Diako sozusagen als Backup intensivpflichtige Patienten aus dem Franziskus-Hospital übernehmen, erklärt Tüchsen. Bislang war das noch nicht der Fall. Allerdings: Als vor etwa zwei Wochen die Anfrage nach Verlegung aus anderen Bundesländern kam, kam niemand nach Flensburg. „Bei dem sogenannten Kleeblattprinzip ist die Voraussetzung, dass weder die Behandlung von Notfall- noch die von Tumorpatienten eingeschränkt wird“, so Timm.

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Auch in der Diako gibt es Isolierbereiche, in denen die Patienten mit einer Corona-Infektion behandelt werden, bei denen eine andere Haupterkrankung wie Schlaganfall oder Herzinfarkt im Vordergrund stehen. Auch wurden und werden dort Schwangere mit einer Corona-Infektion sowie zum Beispiel auch Dialyse- und unfallchirurgische Patienten behandelt.

Zum Glück – so heißt es aus beiden Kliniken – konnten viele verschobenen elektiven, also die verschiebbaren Operationen nachgeholt werden. „Die Diako Kliniken sind seit dem Sommer sehr gut belegt und viele Patientinnen und Patienten haben ihre planbaren OPs, etwa Operationen an Knien oder Hüftgelenken, nachgeholt“, erklärt Tüchsen. „Patientinnen und Patienten mit Krebserkrankungen sind oft noch sehr zögerlich.“

Britta B. setzt ihre Chemo-Therapie nunmehr in ihrer neuen Praxis fort. Drei Termine sollen es noch sein – dann wird sie hoffentlich geheilt sein. „Medizinisch habe ich mich in Krankenhaus gut aufgehoben gefühlt“, betont sie. Doch die Ärztin wirkte so gestresst und die vermeintliche Verschiebung habe sie „geschockt“. „Das schafft sehr viel Unruhe, das muss man nicht haben.“

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