Arbeitskräftemangel

Ausgerechnet auf Sylt: Mitarbeiter verdienen weniger als auf dem Festland

Ausgerechnet auf Sylt: Mitarbeiter verdienen weniger als auf dem Festland

Ausgerechnet auf Sylt: Mitarbeiter verdienen weniger

SHZ
Sylt
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Der Personalmangel in der Restaurant- und Gaststättenbranche erschwert den Betrieb. Foto: Jens Büttner/shz.de

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„Früher wollte jeder auf Sylt arbeiten, aber das hat nachgelassen“, sagt Sandra Fogel, Leiterin der Arbeitsagentur in Westerland. Das hat mehrere Gründe und führt zu einem massiven Mangel an Arbeitskräften.

Egal ob Mitarbeiter für Küche und Service in Restaurants, Strandkorbvermietungen oder in der Physiotherapie: Die Stellenanzeigen für Service- und Fachkräfte in Gastronomie, Hotellerie und Tourismus explodieren, Sylter Betriebe suchen händeringend vor Beginn der Frühjahrssaison und den jetzt umfassenden Lockerungen in der Pandemie nach Mitarbeitern – auf Sylt und deutschlandweit.


Doch die Situation hat sich inzwischen nach zwei Jahren Pandemie auch durch die Insellage besonders zugespitzt. „Früher wollte jeder auf Sylt arbeiten, aber das hat in den vergangenen Jahren nachgelassen“, sagt Sandra Fogel, Leiterin der Agentur für Arbeit in Westerland und Niebüll. Ein wesentlicher Grund dafür sei die schlechte Bahnanbindung mit ständigen Verspätungen und Zugausfällen, die an den Nerven der Pendler zerre und viel Zeit koste. Viele suchten sich deshalb lieber Jobs auf dem Festland. Aber auch der Mangel an Wohnungen, teure Lebenshaltungskosten und dazu eine durchschnittlich schlechtere Bezahlung als in Nordfriesland und Westdeutschland machten Sylt für Arbeitnehmer zunehmend unattraktiv.

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Gemeinsam mit dem Pressesprecher der Arbeitsagentur Flensburg, Christian Groborsch, hat Sandra Fogel für shz.de die Arbeitsmarkt-Lage auf der Insel anhand von Zahlen und Fakten untersucht.


Die gute Nachricht ist, dass trotz der Corona-Krise die Zahl der Arbeitslosen auf Sylt in den vergangenen zwei Jahren gesunken ist: Waren im Dezember 2019 − also dem Jahr vor der Pandemie − noch 570 Menschen arbeitslos gemeldet, waren es im Dezember 2021 nur noch 411 Personen. Das sei wesentlich darauf zurückzuführen, dass Arbeitgeber im Jahr 2021 ihre Mitarbeiter trotz Corona-Krise im Betrieb gehalten haben − wohlwissend, dass sie so schnell keinen Ersatz finden werden, wenn das Geschäft wieder brummt. „Die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften hat dazu geführt, dass Betriebe ihre Beschäftigten zumindest in Kurzarbeit gehalten haben“, erläutert Sandra Fogel.

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Dennoch können Arbeitgeber zurzeit ihren Bedarf an Mitarbeitern kaum noch decken. „Viele Beschäftigte haben sich in der Pandemie krisensichere Jobs gesucht und plötzlich gesehen, dass es Alternativen für sie gibt – auch außerhalb der Insel. Dadurch ist die Konkurrenz größer geworden.“

Betriebe mussten sich neue Mitarbeiter suchen. Die Nachfrage nach Arbeitskräften stieg von 2019 bis 2021 um 3,9 Prozent. Allein im Dezember 2021hatte die Arbeitsagentur für Sylt 276 offene Stellen im Angebot, der größte Anteil entfällt mit 76 Stellen auf das Gastgewerbe, aber auch im Handel, Dienstleistungssektor und im Gesundheits- und Sozialwesen werden viele Mitarbeiter gesucht.


Das hat die Arbeitswelt auch auf Sylt auf den Kopf gestellt und stellt die Arbeitgeber vor neue Herausforderungen. „Auf der Suche nach Mitarbeitern ist nicht mehr die Ausbildung entscheidend, sondern die Arbeitsleistung unabhängig von Geschlecht, Alter und Qualifikation“, sagt Fogel. Heute könne ein gelernter Fliesenleger als Restaurantfachmann arbeiten.

Ohne ausländische Arbeitskräfte ginge nichts

„Und wenn wir die ausländischen Arbeitskräfte aus Osteuropa, Afrika und Afghanistan nicht hätten, könnten wir den Arbeitskräftebedarf auf der Insel noch viel weniger decken“, so Fogel. Von 568 Menschen, die insgesamt von Mitte 2020 bis Mitte 2021 auf der Insel Arbeit gefunden haben, hätten gut die Hälfte eine ausländischer Staatsangehörigkeit.

Personalwohnung ist keine Dauerlösung

Wegen der großen Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt müssen Arbeitgeber ihren potenziellen Mitarbeitern heute sogenannte Benefits bieten: garantierte und gute Arbeitszeiten, mehr Urlaub oder Extras wie ein E-Bike. „Mit Corona hat sich ein Wandel in der Gesellschaft vollzogen. Früher wurde sieben Tage in der Woche geschuftet. Das wollen viele nicht mehr. Heute achtet man viel mehr Work-Life-Balance“, so Agenturchefin Fogel. Eine Wohnung gehört natürlich auch dazu, mindestens eine Personalwohnung, aber auch das ist für die meisten keine Dauerlösung: „Viele wollen nicht, dass die Wohnung abhängig ist vom Arbeitsplatz, sondern viele möchten frei sein, wenn sie den Arbeitgeber auf der Insel wechseln wollen.“

Durchschnittlich 317 Euro weniger als in Nordfriesland

Und die Bezahlung? Es gebe viele Arbeitgeber auf Sylt, die nicht mehr als den Mindestlohn zahlten, andere lägen deutlich darüber, so Fogel. Statistisch gesehen ist Sylt kein Verdienst-Paradies. Laut Arbeitsagentur verdient ein Arbeitnehmer auf der Insel durchschnittlich 920 Euro und damit 35,3 Prozent weniger als in Westdeutschland und 317 Euro weniger als in Nordfriesland. Das betrifft alle Gehaltsklassen vom „Helfer“ wie Spüler und Reinigungskräfte bis zum IT-Experten. Und: Die Gehaltsunterschiede steigen sogar mit zunehmender Qualifikation.


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