Deutsche Minderheit

Einblicke in die retuschierte Erzählung über Nolde und den Nationalsozialismus

Einblicke in die retuschierte Erzählung über Nolde und den Nationalsozialismus

Retuschiertes Bild von Nolde und dem Nationalsozialismus

Tondern/Tønder
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Hans Chr. Davidsen stieß in Tondern auf interessierte Zuhörende. Foto: Monika Thomsen

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Autor Hans Chr. Davidsen erzählte in Tondern, welche Rolle der Nationalsozialismus im Lebens des Malers spielte. Der Referent thematisierte auch den Mythos der ungemalten Bilder.

„Ich habe viele Jahre geglaubt, dass Nolde selbst ein falsches Bild von sich vermittelt hat“, sagte Hans Christian Davidsen im Brorsonhaus in Tondern.

Unter dem Titel „Nolde – der Maler, der sich danebenbenahm“ unternahmen 30 Teilnehmende mit dem Kulturredakteur von „Flensborg Avis“ und Autors einen interessanten Streifzug durch das Leben des Künstlers Emil Nolde und seinem Verhältnis zum Nationalsozialismus.

Der deutsch-dänische Maler galt viele Jahre in der Öffentlichkeit als Künstler, der 1941 ein Malverbot von den deutschen Nationalsozialisten erhielt und dessen Bilder aus den deutschen Museen entfernt wurden.

Viel Material durchforstet

Auf der Grundlage der Recherchen für sein 2021 erschienenes Buch „Nolde – Maleren, der trådte ved siden af“ gab es im Brorsonhaus keine Schwarz-Weiß-Malerei, sondern Davidsen zeichnete ein facettenreiches Bild des 1867 in Nolde, östlich von Tondern geborenen Künstlers.

Für so manch einen gab es an diesem Abend, der vom Aktivitätsrat des deutschen Gemeindeteils und der Deutschen Bücherei Tondern ausgerichtet wurde, neue Erkenntnisse.

Es war nicht das erste und auch nicht das letzte Mal, dass Davidsen in Tondern von Nolde erzählte. Aber in deutscher Sprache war es eine Premiere.

Die gemeinsame Veranstaltung der deutschen Gemeinde und der Bücherei fand im Rahmen der Kulturtage statt. Foto: Monika Thomsen

Kritische Passagen entfernt

1958 seien in der Neuauflage von Noldes erstmals 1934 erschienenen Erinnerungsbuch „Jahre der Kämpfe“ kritische, parteifreundliche und antisemitische Passagen gestrichen worden.

„Für mich war es die ganz große Überraschung, dass es die Hüter seines Erbes waren, die die wichtigen Passagen gestrichen und Nolde mit einem Persil-Schein versehen hatten“, sagte Davidsen in Bezug auf die ersten Führungskräfte des Nolde Museums.

Dadurch sei ein verzerrtes Bild von Noldes Position während des Zweiten Weltkrieges entstanden. Nolde habe bereits 1933 und auch später als Mann der Tat, Adolf Hitler verehrt. Seine Frau Ada habe ihm in nichts nachgestanden.

Hitler war kein Freund von Noldes Kunst

Der Referent ging auf den Irrtum von Nolde ein, dass Hitler im Hinblick auf die Kunst auf Noldes Seite stehen würde. Hitler habe dem Expressionismus abweisend gegenübergestanden, so Davidsen. Nolde habe sich einschmeicheln wollen, um als Künstler akzeptiert zu werden. Es sei sein Traum gewesen, ein anerkannter Staatskünstler zu werden.

Im September 1934 sei Nolde der Nationalsozialistischen Arbeitsgemeinschaft Nordschleswig (NSAN) beigetreten. Er und seine dänische Frau Ada lebten bereits seit 1927 in Seebüll (Sebøl), südlich der 1920 gezogenen Grenze.

Nolde, der sich der deutschen Minderheit verbunden fühlte, habe bis zu seinem Tod 1956 die dänische Staatsbürgerschaft behalten. Dies sei ausschlaggebend dafür gewesen, dass er mehr als 1.000 Bilder, die als entartete Kunst beschlagnahmt worden waren, zurückbekommen hatte.

Pastorin Dorothea Lindow dankte Hans Chr. Davidsen für den spannenden Vortrag. Foto: Monika Thomsen

Nolde-Archiv seit zehn Jahren zugänglich

Die Leitung des Nolde-Museums in Seebüll sei bis 2013 sehr defensiv gewesen und nicht auf die Debatte eingegangen, ob Nolde ein Nazi war. Bis 2013 sei das Nolde-Archiv in Seebüll hermetisch für externe Forschende abgeriegelt gewesen.

Mit Christian Ring als neuen Direktor sei endlich mit externen Fachkräften eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben worden, um Noldes fragwürdiges Verhältnis zum Nationalsozialismus zu klären.

„Ich glaubte noch bis 1999 an den Mythos der ungemalten Bilder. Das ist in etwa so, wenn einem als Kind die Illusion vom Weihnachtsmann geraubt wird“, erzählte Davidsen.

„Der Mythos von den ungemalten Bildern“

Offiziell habe es geheißen, dass es ein Malverbot für Nolde gegeben habe. Er habe dann die kleinen Aquarelle gemalt, damit die Gestapo nicht auf den Geruch der Ölfarben aufmerksam werden konnte.

„Das ist aber nicht wahr. Es hat ein Berufsverbot, aber nie ein Malverbot für Nolde gegeben. Die ersten kleinen Aquarelle, die als eine Art Skizze für Ölbilder dienen sollten, hat er bereits 1919 gemalt“, so der Kulturredakteur.

Ein Jeder müsse für sich selbst entscheiden, wo die rote Linie ist. Das eine sei der Mensch Nolde, das andere sei Noldes Kunst, so Davidsen, der nach einem regen Austausch von der interessierten Runde mit viel Applaus verabschiedet wurde.

 

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