Deutsches Museum

Zeitungen fürs Archiv: „Heil Hitler“-Grüße aus dem Osten

Zeitungen fürs Archiv: „Heil Hitler“-Grüße aus dem Osten

Zeitungen fürs Archiv: „Heil Hitler“-Grüße aus dem Osten

Sonderburg/Sønderborg
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Im Deutschen Archiv Nordschleswig werden die alten Zeitungsbände in die Forschungsarbeit eingehen. Foto: Sara Eskildsen

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Ob die Verlobung des SS-Sturmbannführers oder die offene Singstunde der NS-Frauenschaft – in alten Ausgaben der „Nordschleswigschen Zeitung“ ist der Alltag von einst festgehalten. Spannendes Material für das Deutsche Archiv und Museum Nordschleswig in Sonderburg.

„Freitagnachmittag 4 Uhr findet im Deutschen Haus eine offene Singstunde der NS-Frauenschaft statt, die von Fräulein Liselotte Bade geleitet wird. Fräulein Bade wird uns auch von ihren Erlebnissen in der Slowakei erzählen.“

Zeitungsbände aus Apenrade nach Sonderburg geholt

Ob diese Einladung zur offenen Singstunde auf der Apenrade Lokalseite, ein Gruß von Leutnant Karlheinz Kaiger von der Ostfront oder ein Vortrag der Deutschen Arbeitsfront in Sonderburg über „Leistung und Ertüchtigung als Mittel zum Endsieg“ – die alten Ausgaben der „Nordschleswigschen Zeitung“ sind gedruckte Dokumente des damaligen Alltags.

Am Montagvormittag hat Museumsleiter Hauke Grella die Zeitungsbände der Jahre 1929 bis 1945 aus dem Medienhaus in Apenrade geholt und nach Sonderburg transportiert.

Hauke Grella und Nina Jebsen mit den alten Zeitungsbänden im Archiv für Nordschleswig Foto: Sara Eskildsen

Hier werden sie nun in Zusammenarbeit mit Archivleiterin Nina Jebsen vom Deutschen Archiv Nordschleswig gesichtet und erforscht. Es handelt sich um alle Bände der „Nordschleswigschen Zeitung", die erstmalig am 1. Februar 1929 erschien und die vier ursprünglichen Stadtzeitungen vereinte.

Alle Ausgaben bis zum 17. August 1945

Bis 1929 gab es in Nordschleswig die „Sonderburger Zeitung“, die „Neue Tondernsche Zeitung“, die „Haderslebener Zeitung“ und das „Apenrader Tageblatt“.

Museum und Archiv verwahren nun alle Ausgaben der „Nordschleswigschen Zeitung“ bis zum 17. August 1945, dem letzten Erscheinungstag, kurz bevor das Produktionsgebäude in Apenrade in Flammen aufging.

Ein Bericht aus Sonderburg in der „Nordschleswigschen Zeitung“ aus dem Jahr 1943 Foto: Sara Eskildsen
Archivleiterin Nina Jebsen freut sich auf die Zeitungslektüre, die ihr in den kommenden Jahren bevorsteht. Foto: Sara Eskildsen

Die Zeitungen sind ein Gedächtnis der Minderheit, gerade aus einer Zeit, zu der wir klar feststellen müssen, dass wir im Grunde noch zu wenig darüber wissen. Wir haben bislang gefühlt nur an der Oberfläche gekratzt.

Hauke Grella, Museumsleiter

„Von Kriegsende bis Mitte August 1945 erschien die Zeitung weiter – allerdings unter Aufsicht der dänischen Behörden“ sagt Hauke Grella.

Wie sich unter dieser Aufsicht die Berichterstattung verändert hat ­– fortan ohne Hakenkreuz im Titel und „Sieg Heil“-Grüße im Blatt – ist nur ein spannendes Thema von vielen, das es nun zu erforschen gibt.

„Eine Möglichkeit, ein bisschen dichter heranzukommen“

„Die Zeitungen sind ein Gedächtnis der Minderheit, gerade aus einer Zeit, zu der wir klar feststellen müssen, dass wir im Grunde noch zu wenig darüber wissen. Wir haben bislang gefühlt nur an der Oberfläche gekratzt“, sagt der Museumsleiter. „Das hier ist eine Möglichkeit, ein bisschen dichter heranzukommen.“

Archivleiterin Nina Jebsen sagt: „Ich finde es gut, dass wir es langsam hinkriegen, aus den einzelnen Archiven der einzelnen Institutionen und Verbände die Sachen im großen allgemeinen Archiv zusammenführen“, so die Historikerin, die vor Kurzem beispielsweise auch Material aus dem Archiv des Sozialdienstes von Apenrade nach Sonderburg transportiert hat.

„Wir nähern uns so langsam dem, was wir eigentlich wollen: Dass wir als zentrales Archiv der Minderheit da sind und irgendwann auch alles verzeichnet haben.“

Die Zeitung vom 11. August 1943 Foto: Sara Eskildsen

Für die Archivleiterin wäre es ein Traum, in Ruhe alle Zeitungen von 1929 bis 1945 durchzublättern.

„Um zu gucken, was thematisch alles behandelt wurde. Und eben auch, was nicht behandelt wurde. An Forschungsthemen mangelt es uns bestimmt nicht, aber es fehlt an Zeit, da erstmal das Archiv auf Vordermann gebracht werden muss, da vieles einfach nicht erfasst ist. Und um ordentlich zu forschen, müssen wir uns erst im Klaren darüber sein, welches Material überhaupt vorliegt“, sagt Nina Jebsen, und zeigt auf meterbreite Schrankwände, in denen nicht erfasstes Material gelagert ist.

„Wie wurde 1940 über den 9. April berichtet?“

Darunter Nachlässe von nordschleswigschen Führungspersönlichkeiten aus der Nazizeit, die im Archiv liegen und auf Aufarbeitung warten. Zusammen mit den alten Zeitungen sind sie ein wichtiger Schlüssel zur Aufarbeitung der Vergangenheit, sagt Hauke Grella.

„Wie wurde beispielsweise 1940 über den 9. April berichtet, wie haben die Knivsbergfeste damals ausgesehen, was wurde in der Zeitung darüber geschrieben und wer hat dort Artikel verfasst – auch von der NSDAP Nordschleswig sind Artikel in der Nordschleswigschen Zeitung erschienen.“

Hier am Sonderburger Rønhaveplads liegen Deutsches Museum und Archiv Nordschleswig. Foto: Sara Eskildsen

Der Zweite Weltkrieg ist weiterhin ein unerschöpfliches Thema. „Wir drehen uns zwar oft im Kreis und reden viel über den Nationalsozialismus. Aber es ist eben die Zeit, die aufgearbeitet, die noch beschrieben werden muss. Wir sind gerade irgendwo an der Oberfläche angekommen und haben ein bisschen aufgedeckt. Aber es liegt noch so viel begraben an spannenden Themen. Das muss erzählt werden.“

 

Die Zeitungen sprechen für sich und können – nach Absprache mit Museum und Archiv – durchgeblättert werden. Weitere Infos dazu hier.

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