Deutsche Minderheit
Bruno Hönel bringt Berliner Politik nach Sankelmark
Bruno Hönel bringt Berliner Politik nach Sankelmark
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Der Grüne Bundestagsabgeordnete blickt beim Neujahrsempfang des BDN auf das vergangene Jahr zurück und spricht über die Herausforderungen, die der Krieg in der Ukraine mit sich brachte und wie sie sein erstes Jahr als Abgeordneter in Berlin bestimmt haben.
Deutsche Politik zur Jahreswende – der Titel des Vortrags des 26-jährigen Bruno Hönel verrät den Zuhörenden im Saal der Akademie Sankelmark zu Beginn nicht allzu viel. Doch der Bundestagsabgeordnete der Grünen, der seit vielen Jahren in Lübeck zu Hause ist, zeigt direkt, wo die Reise hingeht.
Eine gute Stunde blickt er zurück auf das Jahr 2022, das er als „nachbebend“ bezeichnet und gibt einen Ausblick auf die Herausforderungen des kommenden Jahres.
Vom harten Wahlkampf in die „Blase Berlin“
Dabei berichtet Hönel vom Beginn seiner bundespolitischen Laufbahn. Vom Wahlkampf im September 2021 und der ersten Reise nach Berlin. Vom Einarbeiten in den politischen Alltag. Ein ganz normaler Weg, den junge, neu gewählte Abgeordnete nun einmal gehen. Bis zum Morgen des 24. Februar, der alles veränderte.
Alles das zwar Aufregende, aber doch Übliche wurde durch den völkerrechtswidrigen „Einschnitt in ein friedliches Europa“ beendet. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine habe alles verändert. „Nichts lief mehr wie geplant“, sagt Hönel. Vielmehr ging es jetzt um den Zusammenhalt demokratischer Staaten und die Solidarität.
Die Grünen mussten die Realität adressieren
Dabei sorgt der Wahl-Lübecker auch mit einem kleinen Schnitzer für Lacher, als er von seiner Partei als „ehemaliger Friedenspartei“ spricht, was er schnell korrigiert. Was er eigentlich sagen wollte: Die zu dem Zeitpunkt noch junge Regierungskoalition aus SPD, FDP und Grünen musste sich schnell sortieren: 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, Waffenlieferungen an die Ukraine, Entlastungspakete, Energieversorgungssicherheit – alles Punkte, wo auch die Grünen sich als Partei hinterfragen und das Festhalten an alten Denkweisen auf den Prüfstand stellen mussten. Plötzlich wurden Entscheidungen mitgetragen, die vor ein paar Jahren noch als undenkbare Beschlüsse seitens seiner Partei galten. Die Grünen hätten sich auch als Partei verändert, „weil alte Denkmuster nichts bringen“.
Rainer Naujeck von der Schleswigschen Partei (SP) fragt in der Diskussionsrunde noch einmal genauer nach, warum die Basis der Grünen diesen Paradigmenwechsel mitgetragen und es keine Flügelkämpfe gegeben habe. Hönel hat darauf eine schnelle Antwort. Man habe als Partei die Realität adressieren müssen. Als Beispiel nannte er die Bundeswehr, die heute nicht verteidigungsfähig sei. Gleichzeitig sei nicht klar, ob etwa bei einer kommenden US-Wahl nicht doch wieder ein Donald Trump gewählt würde. „Was, wenn der die Nato aufkündigt?“, fragt Hönel.
Entscheidend sei hier die Art und Weise der Kommunikation von Robert Habeck und Annalena Baerbock gewesen.
Lützerath zeigt, wie schmerzlich Kompromisse sind
Hönel betont aber auch: „Unsere Überzeugungen haben wir nicht aufgegeben.“ Das wird auch deutlich, als es um die Frage der Kernenergie geht. Zwar sagt der Politiker, er habe nie verstanden, warum man sich so gegen den Streckbetrieb der verbleibenden Atomkraftwerke wehre, neue Brennstäbe zu kaufen, wäre aber das falsche Signal. CSU-Chef Markus Söder warf er vor dem Hintergrund der Endlagersuche Doppelmoral vor.
Und so sieht er auch die von den Grünen mitgetragene Entscheidung, Lützerath für einen früheren Kohleausstieg zu opfern, als Kompromiss an, um Klimaziele zu erreichen. Denn den Kohleausstieg habe man so auf das Jahr 2030 vorziehen können. Eine keinesfalls leichtfertige Entscheidung, sagt Hönel – dennoch „symptomatisch für die verfehlte Klimapolitik der letzten Jahrzehnte“.
Schleswig-Holstein ist ein Fortschrittsland
Auch redet Hönel von den großen Schritten, die sein Land in Sachen Energiewende mache. Und betont dabei auch die Rolle als Vorbild, die Dänemark für Deutschland darstellt. Da ist es wenig verwunderlich, dass der Lübecker Schleswig-Holstein, mit seiner Nähe zu Dänemark, in diesem Zusammenhang als Fortschrittsland hervorhebt, das seine geografische Lage auszunutzen wisse.
In seinem Rückblick fehlt auch nicht die Protestbewegung im Iran. Die Frauen dort hätten trotz drohender Repressalien den Mut zu einer Revolution. Mit feministischer Außenpolitik zeigt Deutschland nach Hönels Worten volle Solidarität.
Zeit, nach vorn zu blicken
Einen Ausblick auf das Jahr 2023 wagt der studierte Psychologe auch. „Das Ende des fossilen Zeitalters ist gekommen.“ All die anderen Krisen würden keine Pause machen, sagt Hönel mit Blick auf den Klimawandel.
Sich aus der Abhängigkeit von Diktatoren zu lösen, sei nicht leicht, der Umbau der Energieversorgung teuer. Trotzdem: Der Druck sei da, erneuerbare Energien zu forcieren.
Gelder für den Norden
Dann berichtet Hönel auch von seinen Eindrücken in der „Blase Berlin“. Wie ihn die Haushaltsverhandlungen 2021 und 2022 „für das Leben gestählt“ hätten. Wie plötzlich Tage mit einer Arbeitszeit von 8 bis 22 Uhr keine Seltenheit mehr waren, oder wie ihn die Wochen als Lokalpolitiker in Lübeck wieder geerdet haben. „Die Blase Berlin kann einen den Bezug zur Realität verlieren lassen“, sagt er.
Doch als Mitglied im Haushaltsausschuss habe er daran mitgewirkt, dass etwa die deutsche Minderheit weiter finanzielle Unterstützung vom Bund erhält. Er sehe es als seine Pflicht als Abgeordneter aus Schleswig-Holstein, mehr Mittel für den „interkulturellen Austausch“ in die Haushalte zu bekommen. Dabei arbeite er auch mit Stefan Seidler vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) zusammen.
Für Schleswig-Holstein und die Minderheit
Mit Blick auf die Minderheit in Nordschleswig zeigt sich Hönel selbstbewusst, künftig Dinge bewegen zu können. So ging es in Nachfragen der Schulrätin des Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig (DSSV), Anke Tästensen, etwa um den Wunsch, die Bildungseinrichtungen im Landesteil weiter zu unterstützen. Hier versprach Hönel, auf seine zuständige Parteikollegin Jamila Schäfer zuzugehen.
Und das Publikum wollte noch mehr von Hönel wissen. Wie man mit der AfD umgehen müsse, zum Beispiel. „Mit vielen kann man gar nicht sprechen“, sagt Hönel. Das erlebe er bei seiner Arbeit in den Ausschüssen. Die Partei sei wie eine Blackbox. Sie provoziere, werde kritisiert und stelle sich dann in eine Opferrolle.
Für 2023 hat Bruno Hönel zwei Hauptwünsche: Die deutsche Regierungs-Koalition soll zusammenhalten und die Unabhängigkeit in der Energieversorgung weiter vorantreiben. Sich selbst möchte er bei seiner Arbeit nicht stressen lassen. Insgesamt versprüht der 26-Jährige Zuversicht.
Lob gibt es ganz am Ende vom Publikum für die offene und ehrliche Art. Dann sorgt der 26-Jährige nochmals für Erheiterung im Saal der Akademie Sankelmark. In seinem Schlusswort wünscht er in gebrochenem Dänisch „Godt Nytår“ – und bekommt sogleich Hilfestellung bei der richtigen Aussprache.