Leitartikel

„Fremd- und Eigenwahrnehmung“

Fremd- und Eigenwahrnehmung

Fremd- und Eigenwahrnehmung

Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:

Wieder ein Mann, der seinen Posten räumen muss, weil er, so der Vorwurf, Frauen belästigt haben soll. Es scheint so, als ob Männer in höheren politischen Ämtern dazu neigen, sich und ihre Anziehungskraft zu überschätzen, meint „Nordschleswiger"-Journalist Helge Möller und hat einen Tipp.

Noch einer. Nachdem Morten Østergaard als Parteichef der Radikalen Venstre seinen Hut nehmen musste, weil ihm sexuelle Belästigung vorgeworfen wird, musste am Montag auch Kopenhagens Oberbürgermeister Frank Jensen gehen, weil er ebenfalls Frauen belästigt haben soll.

Gibt es nichts Wichtigers als alte Geschichten von Händen hervorzukramen, die nicht dort blieben, wo sie hätten bleiben sollen? Vielleicht, das mag jeder selbst entscheiden. Müssen diese Geschichten gleich das politische Aus bedeuten? Auch diese Frage wird gestellt. Ich denke nach längerem Überlegen: Ja, wenn sich herausstellt, dass die Sache „System hat“, also kein Einzelfall ist und Männer mit solchem Verhalten regelmäßig auffallen.

Mehrere Geschichten stimmen nachdenklich. Zum einen eine Aussage über Morten Østergaard, es sei bekannt gewesen, dass man auf Festen auf ihn habe aufpassen müssen (oder andersherum, dass Frauen sich vor ihm in Acht nehmen mussten).

Und dann ist da DR-Radiomoderator Mads Aagaard Danielsen, der erst seine Sendung und dann seine Anstellung verlor, weil auch er übergriffig wurde, auch gern bei Festen.

Østergaard, Jensen, Danielsen – diese drei Männer standen im Rampenlicht, sie waren und sind bekannt, und sie haben Macht. Sie sind keine Harvey Weinsteins, aber es ist die gleiche Vorgehensweise, nach dem Motto. „Ich darf das!“, verbunden mit einer kolossalen Selbstüberschätzung. „Ich bin wer, ich bin ein toller Typ, Frauen müssen mich einfach mögen.“ Nein, müssen sie nicht. Das Sexappeal wird aus weiblicher Sicht wahrscheinlich weitaus geringer taxiert, als von dieser Sorte Männer mutig geschätzt.

Neben der totalen Selbstüberschätzung, die auch Männer bei anderen Männern immer wieder einmal beobachten können, gibt der aktuelle Text  von Walter Turnowsky im „Nordschleswiger“ weiteren Aufschluss. Mein Kollege schreibt von einer Frau in der Minderheit, die nach ihrer Aussage von einem Mann aus der Minderheit so bedrängt worden ist, dass sie die Arbeit für die Minderheit und in der Minderheit aufgegeben hat.

Männer dürfen sich verlieben, ja, und einer Frau den Hof machen. Und es ist wohl auch nicht so, dass Frauen grundsätzlich Annäherungen ablehnen. Was Männer auch nicht tun, sonst gäbe es wohl keine glücklichen Paare. Nur: Der oder die Richtige muss es halt sein.

Und so kommt es eben vor, dass Mann es eben nicht ist. Also sollten Männer ihre feinen Antennen, die sie durchaus auch haben, einschalten und merken, wann es langt. Der überwiegende Teil der Männer (und auch der Frauen) erkennen höfliche Abweisung. Doch anscheinend nicht alle, und es scheint offenbar in einigen Fällen schwieriger zu werden, je höher die Position in Politik und Wirtschaft ist. Das Berauschtsein an sich selbst scheint ein Teil des Problems zu sein.

Doch es bleibt dabei: Wer sich in einer Machtposition befindet, sollte das nicht ausnutzen und wer grabscht, ist übergriffig. Ein bisschen Demut, Selbstkritik und Selbstironie hilft in diesem Fall allen weiter.

Mehr lesen

Leserbrief

Meinung
Kristian Pihl Lorentzen
„Hærvejsmotorvejen som grøn energi- og transportkorridor“

Leserbrief

Meinung
Asger Christensen
„På tide med et EU-forbud mod afbrænding af tøj“