Ernährung

Fleisch- und Milchersatz in Dänemark: Wie das Angebot vergrößert werden soll

Fleisch- und Milchersatz in Dänemark: Wie das Angebot vergrößert werden soll

Fleischersatz: Wie das Angebot vergrößert werden soll

Kopenhagen/Apenrade
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Pflanzliche Alternativen zur Milch stehen in einem Supermarktregal.
Pflanzliche Alternativen zur Milch stehen in einem Supermarktregal. Foto: Jakob Eskildsen/Ritzau Scanpix

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Trotz vieler neuer Ersatzprodukte für Fleisch und Milch ist die Auswahl in vielen dänischen Supermärkten begrenzt. Anders sieht es südlich der Grenze aus. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Doch Dänemark will den Sektor der pflanzlichen Ernährung weiter ausbauen – aus Klimaschutzgründen.

Als Person, die sich vegetarisch oder vegan ernährt, ist das Angebot an pflanzenbasierten Lebensmitteln als Ersatz für Fleisch und Milchprodukte in dänischen Supermärkten nach wie vor überschaubar. Denn blickt man hier im Grenzland in die deutschen Supermärkte, so ist das Angebot an Waren zahlreicher Hersteller deutlich größer. Das zeigte bereits ein Selbstversuch von Journalistin Amanda Klara Stephany in Hadersleben (Haderslev). Warum das so ist, darüber gibt es einige Theorien.

Kleinere Supermärkte?

„Wir haben noch nicht untersucht, ob die Zahlen zur durchschnittlichen Sortimentsbreite eines deutschen Supermarktes höher sind als die eines dänischen“, sagt Jessica Aschemann-Witzel. Sie ist Professorin an der Universität Aarhus und beschäftigt sich unter anderem mit Konsumverhalten und dessen Veränderungen sowie pflanzenbasierten Lebensmitteln. Sie glaubt, dass das Angebot in ziemlich vielen Kategorien in Deutschland größer ist – nicht nur bei Alternativen zu Fleisch und Milchprodukten.

„Mein Eindruck ist, dass die meisten dänischen Supermärkte eine kleinere Fläche haben, und solche großen Supermärkte wie Bilka gibt es in Deutschland in viel größerer Anzahl.“ Zwar sei ihrer Vermutung nach die durchschnittliche Nähe zum nächsten Supermarkt in Dänemark höher als in anderen Ländern, die Größe der Läden aber kleiner. Ein Grund für das kleinere Angebot an Fleisch- und Milchersatzprodukten könnte hier zu finden sein, so Aschemann-Witzel.

 

Wir sind bei pflanzenbasierten Produkten in Deutschland fünf Jahre voraus.

Prof. Dr. Ulrike Johannsen, Universität Flensburg

Ersatzprodukte kamen in Dänemark später an

„Richtig ist aber, dass der Markt für pflanzenbasierte Lebensmittel in Dänemark erst wesentlich später ins Rollen kam als in Deutschland.“ Mittlerweile sei da einiges aufgeholt worden, so die Expertin. Dass es langsamer ging, hänge sicher auch mit dem Selbstverständnis als Exportnation für Milch und Fleisch zusammen.

Tatsächlich sei der Handel in Deutschland sehr viel früher auf das Thema angesprungen, sagt auch Professorin Ulrike Johannsen von der Universität Flensburg. Ihre Schwerpunkte sind Ernährung, Gesundheit und Konsum. „Wir sind bei pflanzenbasierten Produkten in Deutschland fünf Jahre voraus.“ Es sei ein riesiger Wachstumsmarkt. Das liege auch an den vielen großen Metropolen wie Berlin, wo sich eine alternative Gründerszene rund um vegetarische und vegane Ernährung etabliert hat.

Zwar habe die Inflation durch den Ukraine-Krieg dafür gesorgt, dass die Nachfrage nach hochpreisigen Bioprodukten aus Biomärkten zurückgegangen sei, dafür würden die Menschen aber jetzt die günstigeren Alternativen aus Discountern und Supermärkten kaufen, die mit Eigenmarken das Bio-Segment und pflanzliche Ersatzprodukte ebenfalls abdecken.

Umweltbewegungen in Deutschland schaffen Bewusstsein 

Bei seiner Recherche zum Weihnachtsessen in Nordschleswig ist der stellvertretende Chefredakteur Cornelius von Tiedemann auf die Fleisch-Lust der Menschen in Dänemark gestoßen. Dabei fand er heraus, dass es überwiegend an den „Geschmackstraditionen“ liegt – eine Mahlzeit sei erst eine Mahlzeit, wenn auch Fleisch drin ist. Vielleicht sind die Menschen in Dänemark einfach stärker an ihre Traditionsgerichte gebunden.

Das glaubt auch Johannsen. Tatsächlich seien in Deutschland gerade Mitglieder von großen Bewegungen wie „Fridays For Future“ oder die „Letzte Generation“ stark sensibel, was pflanzenbasierte Ernährung betrifft. „Auch die Politik ist dahingehend sensibler geworden, und der Handel hat schnell umgestellt“, sagt die Professorin. Vegetarische und vegane Lebensweise habe in Deutschland die Mittelschicht erreicht. Das sehe man etwa am Grillabend, wo Grillkäse und Veggie-Bratwurst salonfähig geworden sind.

Das belegen auch Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Demnach stellten Unternehmen 2022 rund 6,5 Prozent mehr Fleischersatzprodukte her als 2021. Im Vergleich zu 2019 beträgt der Anstieg sogar 72,7 Prozent.

Ein Grund für das größere Angebot in Deutschland könnte daher ebenfalls sein, dass die Zahl der Menschen, die sich südlich der Grenze vegetarisch oder sogar vegan ernähren, deutlich höher ist. 2021 waren es laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 10 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren; 2 Prozent ernährten sich vegan. 

Nur 3 Prozent leben vegetarisch oder vegan

Zwar verbrauchen Däninnen und Dänen im Durchschnitt noch immer 95,2 Kilogramm Fleisch im Jahr – in Deutschland liegt der Wert übrigens bei 52 Kilogramm – gleichzeitig steigt vor allem bei den Jüngeren das Bewusstsein, wie klimaschädlich Fleischkonsum ist.

„Vegetarisk Forening“ veröffentlichte 2022 Zahlen von Coop und DVF, wonach sich hierzulande 3 Prozent der Bürgerinnen und Bürger vegetarisch oder vegan ernähren. 2017 lag die Zahl allerdings noch bei 1,8 Prozent. Dabei essen jüngere Menschen zwischen 18 und 34 Jahren doppelt so häufig ohne Fleisch (7,4 Prozent) wie der Durchschnitt.

58 Prozent der Bürgerinnen und Bürger wünschen sich in gewissem Maße, weniger Fleisch zu essen. Dies gilt für 72 Prozent der jungen Menschen unter 35 Jahren. Die meisten Vegetarier und Veganer in Dänemark sind übrigens Frauen. Ihre Zahl liegt zwischen 70 und 80 Prozent.

Produktangebot steigt auch in Dänemark

Tatsächlich ist das Angebot an verarbeiteten Produkten auf pflanzlicher Basis in Dänemark von 2013 bis 2021 gestiegen. Das geht aus einem Bericht der dänischen Umweltschutzorganisation „Vegetarisk Forening“ hervor. Im Jahr 2019 erreichte die Zahl der jährlichen Neueinführungen von pflanzlichen Ersatzprodukten demnach ihren Höhepunkt und ging dann 2020 und 2021 leicht zurück. Die Zahl der neuen Produkte ist jedoch immer noch so hoch, dass 2021 durchschnittlich jeden zweiten Tag ein neues verarbeitetes pflanzliches Produkt auf den Markt gebracht wurde, heißt es. Die meisten neuen Produkte ersetzen Milchprodukte wie Käse, Joghurt, Butter oder Milch (29 Prozent), danach folgen der Fleischersatz (26 Prozent) und Fertiggerichte (14 Prozent). 

Heute finden sich in den Supermärkten pflanzenbasierte Produkte von 256 verschiedenen Marken – 80 davon sind dänische Unternehmen wie Naturli' oder Urtekram. Die 80 Firmen allein haben rund 500 Produkte auf dem Markt. Nicht alle davon findet man in den kleinen Läden im ländlichen Raum. „Natürlich gibt es, wie auch in Deutschland, ein Gefälle zwischen Stadt und Land“, sagt Aschemann-Witzel.

Pflanzliche Ernährung als Element der Klimapolitik

Dass sich das in Zukunft ändert, wird auch von staatlicher Seite forciert. Dänemark sieht die pflanzliche Ernährung als wichtiges Element in der Klimapolitik an und fördert sie entsprechend. In einer Vereinbarung der früheren Regierung mit mehreren weiteren Parteien wurde im Oktober 2021 der Grundstein für eine grüne Umstellung der dänischen Landwirtschaft gelegt. Darin enthalten ist auch die Förderung von pflanzenbasierten Lebensmitteln und grünen Proteinen als Wachstumsmarkt.

Ein entsprechender Handlungsplan für das Jahr 2023 wurde in der Folge vom Ministerium für Lebensmittel, Landwirtschaft und Fischerei ausgearbeitet. Darin sind Kernziele der eigens etablierten Stiftung für pflanzliche Lebensmittel (Fonden for Plantebaserede Fødevarer) – kurz Plantefonden – festgelegt. Er wird noch bis 2030 mit jährlich 75 Millionen Kronen finanziert.

580 Millionen Kronen werden zwischen 2023 und 2027 in eine Öko-Regelung (Eco-Scheme) für pflanzliche Lebensmittel investiert. Mit ihr sollen Leistungen von Betrieben belohnt werden, die sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen. Außerdem sollen von 2022 bis 2026 260 Millionen Kronen in eine Strategie für grüne Proteine gesteckt werden.

Fördergelder für Weiterentwicklung des Marktes

Plantefonden möchte in einem ersten Schritt Angebot und Nachfrage nach pflanzlichen Lebensmitteln unter anderem mit Fördergeldern erhöhen. Interessierte Unternehmen, die entsprechende Produkte auf den Markt bringen wollen, können seit Anfang Juni und bis einschließlich 31. August in einer ersten Runde Fördergelder beantragen. Insgesamt steht ein Pool von 58 Millionen Kronen zur Verfügung, um den Sektor der pflanzenbasierten Lebensmittel weiterzuentwickeln.

Plantefonden will dabei Projekten in einigen Schwerpunktbereichen Vorrang einräumen. Etwa bei Vorhaben, die zum Ziel haben, den Anteil pflanzlicher Lebensmittel in öffentlichen und privaten Großküchen und Lebensmitteldiensten zu erhöhen. Außerdem sollen Projekte gefördert werden, mit denen der private Konsum pflanzlicher Nahrungsmittel in Dänemark gesteigert werden kann. Des Weiteren sollen Projekte unterstützt werden, die die Nachfrage nach dänischen Ersatzprodukten auf den Exportmärkten ankurbeln. 

Aber auch Unternehmungen, bei denen es um die Steigerung von Auswahl und Qualität der Produkte auf dem Markt geht, können eine Förderung bekommen. Es ist also davon auszugehen, dass das Angebot an Alternativen zu Milch und Fleisch in Zukunft auch in Dänemark steigen wird. 

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