Renovierung im Landeshaus

Unbewusst – diese Spuren hinterlassen Politiker im Kieler Plenarsaal

Unbewusst – diese Spuren hinterlassen Politiker im Kieler Plenarsaal

Unbewusst – diese Spuren hinterlassen Politiker im Kieler Plenarsaal

SHZ
Kiel
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Der Landtag in Kiel wird momentan für die kommende Legislatur vorbereitet - Sebastian Pagel und Andre Reetz tragen die eingelagerten Tische wieder an ihre Plätze. Foto: Marcus Dewanger Foto: 90037

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Während sich die Politiker zu Koalitionsgesprächen treffen, wird im Plenarsaal geschliffen, gebaut und geschraubt. In etwa zwei Wochen müssen die Renovierungsarbeiten fertig sein. Nun heißt es: Spuren beseitigen.

Die vergangenen fünf Jahre haben ihre Spuren im Plenarsaal des Kieler Landtags hinterlassen, einige sind deutlicher, andere erst auf den zweiten Blick erkennbar. Vor allem der Boden erzählt von emotional geführten Debatten und hitzigen Diskussionen. Besonders oft müssen die Abgeordneten der Grünen und der FDP mit den Füßen gescharrt haben, die Verschleißspuren dort verraten sie.


„Und natürlich beim Rednerpult”, sagt Michael Bartels, der die gerade laufenden Renovierungsmaßnahmen leitet. Denn nach jeder Legislaturperiode ist vor der nächsten und so wird das Zentrum der Macht für die neuen und alten Parlamentarier aufgemöbelt. „Eigentlich bin ich ein ganz normaler Verwaltungsbeamter für den Bereich Bauunterhaltung”, sagt Bartels und ergänzt, „also verantwortlich für diese Liegenschaft.” Wo sonst Politiker vermeintlichen den Überblick haben, zumindest aber Verantwortung tragen, hat in diesen Tagen Bartels den Hut auf.


Während der Landtagswahl war im gläsernen Plenarsaal ein Fernsehstudio eingerichtet. Um dafür Platz zu schaffen, wurden alle Stühle und Tische abmontiert und ausgeräumt. Bevor das neue Parlament mit den Sitzungen beginnt, wird der 408 Quadratmeter große Saal auf Hochglanz gebracht. Der Holzboden wurde abgeschliffen und neu versiegelt, Tische wieder aufgebaut und neu verkabelt, jeder Stuhl bekommt neue Filzschoner und die Technik wird geprüft.

Ein ganzes Team ist im Einsatz

Vier Haus- und ein Medientechniker sind im Einsatz. „Dazu kommen noch externe Handwerker“, sagt er.


Bartels arbeitet seit 1994 im Landeshaus. Er kennt hier jede Ecke. Momentan herrsche im Gebäude eine ganz besondere Stimmung. „So eine Mischung aus Anspannung und Vorfreude“, versucht er zu beschreiben. Schließlich kämen nun viele neue Parlamentarier „und da sind ja auch viele junge Leute dabei“, sagt er.

Einige seien in den ersten Tagen ganz aufgeregt, aber das könne er gut verstehen. „Ich versuche mir immer möglichst schnell die Gesichter zu merken“, schließlich will der Beamte ja wissen, wer hier ein und aus geht. „Aber klar, auch bei uns heißt es dann: Achtung, da kommen die Neuen!“, sagt er und schiebt nach: „Ich freue mich drauf!“

Zum Thema: Diese Abgeordneten sitzen künftig im schleswig-holsteinischen Landtag

Bis zum 7. Juni muss der Saal mit Blick auf die Förde picobello sein, denn dann kommt das Parlament zu seiner ersten Sitzung, zur konstituierenden Sitzung, zusammen. Bartels ist zuversichtlich: „Solange alles gut läuft, ist alles gut“, sagt der Beamte.

Der große Technikcheck kommt zum Schluss

Aufregend wird es noch einmal beim letzten Schritt. „Dann machen wir den großen Test, ob auch alles mit der Technik klappt. Das ist dann immer spannend“, sagt er, während er noch mit dem Navigieren der Tische beschäftigt ist. „Der kommt in die dritte Reihe“, sagt er zu den Möbelpackern, guckt einmal kurz zur Kontrolle auf seine Skizze, nickt, „aber das wird schon werden”. Er schätzt, dass die ganze Renovierung am Ende 20 bis 25.000 Euro kosten wird.



Einige Mitarbeiter einer Umzugsfirma tragen nach und nach die Tische wieder rein. Bei ihnen lagerten die extra für den Saal angefertigten Tische, verkleidet mit amerikanischen Ahorn. „Die müssen ja in diese runde Form passen“, sagt Bartels. „Bei den alten Tischen gab es bei einigen immer eine richtige Kerbe an einer Seite. Da haben die Parlamentarier immer draufgeklatscht. Bei denen mit einem Ehering hat man das dann besonders gesehen“, sagt er. Heute gibt es keine Kerben mehr. Ob das an der Heiratsquote, dem amerikanischen Ahorn oder dem weniger gewordenen Applaus liegt, das wisse Bartels nicht. Keine Kerben, dafür jede Menge Kabel gibt es heutzutage. Jeder Tisch, in den Saal passen maximal 120 Stück, ist einzeln verkabelt.

In den Katakomben an der Kieler Förde

Zusammengelegt schätzt ein Kollege, dass es es 20 Kilometer Leitungen sein könnten. Alle laufen unterhalb des Plenarsaals in der Gebäudeleittechnik, Bartels nennt sie GLT-Zentrale, zusammen. Riesige Rechner stehen dort dicht an dicht. Kaum einer kennt sich in den Landtag-Katakomben so gut aus wie Bartels. Er erzählt von einer Kollegin, die sich hier nie alleine runter getraut hatte. „Nur mit mir ist sie herunter gekommen”, ergänzt er.


Nicht ohne Stolz in der Stimme erzählt er von der modernen Lüftungsanlage und den Wärmepumpen. „Das ist schon alles ganz gut hier“, sagt er.

Ausblick auf die Förde

Der gläsernen Anbau wurde im April 2003 eingeweiht. Von drei Seiten verglast hat man von innen einen weiten Blick über die Förde. An der Kiellinie direkt vor dem Gebäude findet das tägliche Leben statt. Spaziergänger, Jogger, Menschen die ihre Mittagspause verbringen. Damit die Parlamentarier auch gut gucken können, auch falls sie mal ihre Gedanken schweifen lassen wollen (müssen), kommen zweimal im Jahr die Fensterputzer. “Es sei denn, die Möwen machen mal wieder Sturzflug, dann auch öfter”, sagt Bartels.

Keine Kritzeleien von den Abgeordneten

Und immerhin: Kaugummis oder Kritzeleien auf den Tischen gab es von den Parlamentariern – zumindest während der letzten Legislaturperiode – keine. „Manchmal hinterlassen Besuchergruppen ein Andenken“, sagt der 58-Jährige, sehen wir dann spätestens in fünf Jahren.

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