Orkantief über SH

Meteorologe Sebastian Wache: Sturm „Zeynep“ sollte man nicht unterschätzen

Meteorologe Sebastian Wache: Sturm „Zeynep“ sollte man nicht unterschätzen

Meteorologe: Sturm „Zeynep“ sollte man nicht unterschätzen

SHZ
Kiel
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Meteorologe Sebastian Wache hat uns die aktuelle Sturmlage erklärt. Foto: Wetterwelt/shz.de

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Der Kieler Meteorologe Sebastian Wache gibt eine Einschätzung, wie stark uns Orkantief „Zeynep“ in Schleswig-Holstein erwischen wird.

Orkantief „Zeynep“ steuert auf Schleswig-Holstein zu. Aktuell ist das Tief bei Irland und entsprechende Satellitenbilder lassen den Kieler Meteorologen Sebastian Wache aufhorchen. „Der Kerndruck des Tiefs ist schon jetzt tiefer als damals bei Orkan Christian“. Wache geht davon aus, dass „Zeynep“ auf der Nordsee zu einem sogenannten Bombenzyklon heranreift. Das bedeutet, dass der Kerndruck des Tiefs aufgrund starker Temperaturunterschiede rapide abnimmt. Die Folge: Das Orkantief wird in seiner Wucht voraussichtlich noch etwas stärker.

Das Besondere an dem Orkantief ist sein Frontensystem. Denn bei „Zeynep“ wird sich wohl keine sogenannte Okklusionsfront bilden, also eine Vereinigung einer Kaltfront mit einer Warmfront, da die Kaltfront bei der aktuellen Wetterlage die Warmfront nicht erreicht. Stattdessen dreht sich die Warmfront um den Tiefkern herum. „Das bedeutet, dass in dem Bereich hinter der Kaltfront und der eingedrehten Warmfront sehr trockene Luft ist, die sich allmählich abkühlt“, sagt Wache. Man spricht hier von einem Shapiro-Keyser Zyklon. Die abgekühlte Warmluft wird nach unten beschleunigt. Zwischen der Rückseite der Kaltfront und der sich um den Tiefkern wickelnden Warmfront bildet sich als Folge ein sogenannter „Sting Jet“ aus.

„Zeynep“ könnte ein zweiter „Christian“ werden

Am Boden kann es durch diesen Stachel zu erheblich höheren Windgeschwindigkeiten kommen, als bisher vom Deutschen Wetterdienst vorhergesagt. Dieser geht aktuell von Windspitzen bis 160km/h an der Nordseeküste aus.

Das Orkantief „Zeynep“ sei also nicht zu unterschätzen.

„Der Fahrplan ist klar“, sagt Wache. In der Fachwelt diskutiere man aktuell nur noch, wo genau der Kern des Sturmtiefs über Schleswig-Holstein zieht. „20 Kilometer nördlich oder südlich machen einen enormen Unterschied“. Aktuell steht die Elbmündung im Fokus. Doch egal, wo die höchsten Windgeschwindigkeiten gemessen werden: Es wird im ganzen Land stürmisch.

Zunächst werde der Wind aus Südwest in einer Achse Büsum-Brunsbüttel-Kiel durchziehen, später drehe der Wind auf West, weshalb sich die Achse in Richtung Lübeck verschiebt, sagt Wache.

Sturm wird Schleswig-Holstein fast 24 Stunden beschäftigen

„Zeynep ist aber nicht nur mit Christian vergleichbar, sondern auch mit Orkan Xaver“, sagt Wache. Denn ähnlich wie Xaver, der damals vom 5. bis zum 7. Dezember über das Land zog, wird uns auch „Zeynep“ lange beschäftigen.

Weil „Zeynep“ aber eine lange Schleppe hinter sich herziehe, sei auch bis Samstagabend weiterhin mit schweren Sturmböen und orkanartigen Böen zu rechnen. Der Höhepunkt sei aber in der Nacht zum Samstag zu erwarten.

Eine extreme Belastung für Natur und Material

„Fast 24 Stunden Dauerfeuer sind eine extreme Belastung für die Natur und Material“, warnt Wache. Durch die vorangegangenen Stürme seien Bäume eine Gefahr. Aber auch die hohe Niederschlagsmenge im Februar könnte die Standfestigkeit vieler Bäume geschwächt haben. „Wir haben bereits jetzt 50 Prozent mehr Niederschlag im Februar als üblich.“ Der Boden sei an vielen Stellen im Land übersättigt.

Doch auch kleinere Gegenstände wie Mülltonnen oder Trampoline können gefährlich werden. „Wer nicht rausmuss, sollte zu Hause bleiben und die Ruhe vor dem Sturm nutzen, um Gegenstände zu sichern“. Wer auf Autofahrten verzichten könne, der sollte dies tun, sagt der Meteorologe.

Klimawandel nimmt Einfluss auf das aktuelle Wetter

Die derzeit außergewöhnliche Wetterlage sei keine Besonderheit. Orkantiefs dieser Dimension habe es schon immer gegeben, sagt Wache. Winterstürme seien in unseren Breiten normal. Aber: „Wir sind jetzt schon in der fünften Woche. Wir beobachten in den letzten Jahren wohl auch bedingt durch den Klimawandel eine Zunahme von stationären Wetterlagen.“ Das führe dann zu solchen Sturmlagen wie aktuell oder zu Dürreperioden wie im Sommer 2018.

Die aktuelle Intensität hängt derweil von einem weiteren Faktor ab. „Während wir in Skandinavien teilweise zweistellige Minustemperaturen haben, war hier der Januar schon im Mittel vier Grad zu warm und der Februar teilweise bis zu sechs Grad“, sagt Wache. Die hohen Temperaturunterschiede feuerten aktuelle Tiefdruckgebiete zusätzlich an.

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