Erdgas in Schleswig-Holstein

Frank Schnabel plant das LNG-Terminal in Brunsbüttel schon seit elf Jahren

Frank Schnabel plant das LNG-Terminal in Brunsbüttel schon seit elf Jahren

Frank Schnabel plant das LNG-Terminal schon seit elf Jahren

SHZ
Brunsbüttel
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Der Brunsbütteler Hafen-Chef Frank Schnabel ist zugleich Sprecher der Werkleiterrunde. Foto: Michael Ruff/shz.de

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Er war kurz davor zu verzweifeln, nachdem ihn zwei Wirtschaftsminister abgewiesen hatten. Doch der Einsatz von Brunsbüttels Hafen-Chef Frank Schnabel für ein Flüsiggasterminal könnte nun auf ein Happyend hinauslaufen.

Wäre er nur gehört worden. Frank Schnabel (55) hätte früh jener Mann werden können, der Deutschland unabhängiger von Wladimir Putins fossiler Energie gemacht hätte. Schnabel, Chef im Brunsbütteler Elbehafen, beschäftigt sich seit zehn Jahren intensiv mit Flüssiggas. LNG – Liquefied Natural Gas. Die Technologie, die Erdgas durch Kühlung auf minus 160 Grad auf ein Sechshundertstel seines Volumens schrumpfen lässt und damit wirtschaftlich transportfähig macht.

Im Jahr 2011 sind die Brunsbütteler erstmals aus Norwegen angesprochen worden. Eine Firma wollte eine Tankstelle für LNG bauen, eine Bunkerstation mit Treibstoff für die Schifffahrt mit einem 500-Kubikmeter-Tank. Aus Schnabels Büro kann man die Elbe in all ihrer Breite ebenso überblicken wie die Einfahrt in den Nord-Ostsee-Kanal. Schnabel war von der LNG-Idee angesteckt.

Nach Putins Annexion der Krim 2014 habe er sich gedacht, jetzt brauche man ein LNG-Terminal zur Diversifizierung der Gasversorgung – eine Alternative zur russischen Pipeline Nordstream. Und Schnabel fand den strategischen Partner, den er brauchte: Das niederländische Unternehmen Gasunie war auf der Suche nach einem guten Ort für ein Importterminal.

„Brunsbüttel ist der beste Standort“, sagt Schnabel. Schleswig-Holsteins größtes zusammenhängendes Industriegebiet hat nicht nur große Energieverbraucher wie das norwegischen Chemieunternehmen Yara im direkten Umfeld und Knowhow mit Gefahrengütern, sondern auch viel erneuerbare Energieproduktion in der Nähe.

Mit den neuen Partnern zusammen hat der Brunsbütteler Hafen-Chef seine Idee schließlich im Bundeswirtschaftsministerium vorgestellt: „Dann bin ich zu Sigmar Gabriel gefahren“, erinnert sich Schnabel. Mit dem Hinweis, das sei eine tolle Idee, die man unterstütze, gaben Berlin und der Ex-SPD-Chef aber kein Geld für das Projekt. Deutschland brauche das nicht. Es gebe genügend Gas über die Pipeline aus Russland, hörte er im Ministerium.

Nachdem CDU-Mann Peter Altmeier 2018 ins Berliner Wirtschaftsministerium eingezogen war, unternahmen Schnabel & Co einen zweiten Versuch mit ihrer kleinen Hauptstadtdelegation. Wieder habe es viel Wohlwollen gegeben, aber wenig Phantasie auf die Frage: Warum muss sich die Bundesregierung in Brunsbüttel beteiligen? „Der Bund hat seinerzeit nicht ausreichend bedacht, dass man sich abhängig macht, obwohl die Krim damals schon besetzt war“, sagt der Betriebswirt.

Seitdem Bundeskanzler Olaf Scholz ein LNG-Terminal in Brunsbüttel zur Chefsache gemacht hat, ist die kleine Industrie- und Schleusenstadt am südlichen Zipfel Dithmarschens in aller Munde – ein Synonym für Deutschlands unabhängige Energiezukunft. „Früher waren wir höchstens durch das Kernkraftwerk in den Medien“, sagt Frank Schnabel. Die Nachrichten waren dann häufig leicht negativ besetzt. Zwischenlager, kleine Störfälle, Atomstrom-Abschaltungen, solche Meldungen.

Jetzt sind es 30 Hektar grüne Wiese, einen guten Kilometer Luftlinie vom Verwaltungsgebäude des Elbehafens, die die Phantasie anregen. Die Fläche findet sich gleich hinter der großen Sonderabfallverbrennungsanlage Sava. Noch weiden hier Kühe. Das Entscheidende für die Planer: Sie grasen schon auf einer Gewerbefläche.

Zehn, elf Jahre Kärrnerarbeit mit vielen Höhen und Tiefen – für Frank Schnabel lohnen sie sich nun womöglich doch noch: „Ich hätte vor zwei Jahren auch aufgeben können“, sagt er. Aber der Hafen-Chef hat immer daran geglaubt, dass diese immense Energieabhängigkeit von Russland irgendwann zu groß wird.

Brunsbüttel steht jetzt für Aufbruchstimmung

Jetzt steht Brunsbüttel also für Aufbruchstimmung. Von einem Tag auf den anderen registriert der Standort riesiges Interesse an Grundstücken und Ansiedlungen. Energie zieht Wirtschaft nach sich. Und Brunsbüttel ist die allererste Adresse, wenn es um das Flüssiggasterminal geht.

Frank Schnabel kennt das Alleinstellungsmerkmal in Süderdithmarschen: „Wilhelmshaven ist kein Projekt, an dem man sich beteiligen könnte. Das ist auch in Stade oder Rostock nicht so.“ Am Entree zum Verwaltungsgebäude von Brunsbüttel Port am Elbehafen aber steht seit vier Jahren schon das Logo der Projektgesellschaft German LNG Terminal GmbH.

In Brunsbüttel beteiligt sich nun der Bund – vermutlich über seine Förderbank KfW – mit 50 Prozent, Gasunie hält 40 Prozent und RWE übernimmt die restlichen zehn Prozent der Anteile. Als Eigentümer und Nutzer hat der westdeutsche Energieriese dann doppeltes Interesse.

Zwischen der 30-Hektar-Kuhweide und dem Elbdeich liegen noch zehn Hektar Kohlelager. Hier spielt die nächste große Schlagzeile, die Brunsbüttel-Süd derzeit mehrmals wöchentlich produziert: RWE will jetzt schon ein großes Ammoniak-Terminal bauen aus grünem Wasserstoff. Zusätzlich. Schnabel findet, dass es ein großer Erfolg sei, dass man RWE überzeugen konnte, dass Brunsbüttel der beste Standort ist.

So soll es also bald schon gleich zwei Terminals geben. Erstens das LNG-Terminal, dass zunächst fossiles Erdgas aus Katar oder unter Umständen auch Fracking-Gas aus den USA importiert – und das nach den Plänen irgendwann in der zweiten Hälfte der 30er Jahre auf Ammoniak umstellbar sein soll: „Damit das auch Zukunft hat“, sagt Schnabel. Zweitens aber soll zugleich auf der kleineren Fläche direkt am Elbdeich bereits Brunsbüttels grüne Wasserstoffzukunft mit Ammoniak beginnen.

Es sei wichtig, dass auch die Schifffahrt grün wird, sagt der Hafen-Geschäftsführer: „Die Reeder sagen, ich kann nur umrüsten, wenn ich auch tanken kann.“

Auch Shell will Kapazitäten in Brunsbüttel

Auch Mineralölkonzern Shell hat bereist ein Memorandum unterzeichnet, um sich langfristig Kapazitäten in den kombinierte Import- und Distributionsterminal zu sichern. Jetzt gehe es auch darum, Mengen zu organisieren, sagt Schnabel. Zuletzt seien alle LNG-Mengen nach Asien gegangen. „Brunsbüttel ist zwar ein kleines Nest“, sagt der Mann in der gelben Arbeitsjacke, „aber wir machen globale Wirtschaftspolitik.“

Für die Industrie an der Unterelbe hat der Brunsbüttel-Boom schon begonnen. „Es gibt einen Riesen-Run auf die Flächen“, beobachtet Schnabel, der auch Sprecher der Werkleiterrunde des Industriestandortes ist. Die neuen Projekte ziehen Unternehmen an, die Flüssiggas brauchen. Und ein Tochterunternehmen von Gasunie werde Brunsbüttel an das Hochdruckgasnetz bei Elmshorn anbinden.

Energie ist an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste, Deutschlands Windstandort Nummer eins, ohnehin längst vorhanden. Die geplante Batteriefabrik mit 3000 Jobs an der A23 bei Heide könnte ein Vorbote des Booms sein.

Dass es ausgerechnet eines brutalen Krieges bedurfte und des Engagements von Robert Habeck, eines Grünen-Wirtschaftsministers – das hat für Frank Schnabel schon etwas Tragikomisches. Dafür geht es jetzt um zwei Tanks, die netto je 165.000 Kubikmeter LNG fassen – und nicht mehr wie 2011 um einen 500-Kubikmeter-Flüssiggastank.

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