Weihnachten als Single-Mutter

Einsam in der Adventszeit: Die Flensburgerin Amelie Jensen sehnt sich nach Nähe

Einsam in der Adventszeit: Die Flensburgerin Amelie Jensen sehnt sich nach Nähe

Flensburgerin Amelie Jensen ist einsam in der Adventszeit:

SHZ
Flensburg
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Für die Flensburgerin Amelie Jensen fühlt sich Einsamkeit wie „Herzklopfen, wie ein Flattern“ an. Symbolbild Foto: Fabian Sommer/dpa

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Wenn andere Weihnachtssterne an die Fenster hängen, Glühwein trinken und Zeit mit den Liebsten verbringen, fühlt sich Amelie Jensen besonders einsam.

Amelie Jensen lacht viel. Man merkt ihr an, dass sie gerne erzählt und unter Menschen ist. Sie trägt einen Kunstlederrock und leichtes Make-Up. Auf neue Menschen zugehen fällt ihr leicht. Die 41-Jährige beschreibt sich selbst als extrovertiert und selbstbewusst. Sie hat einen großen Bekannten- und Freundeskreis und eine beste Freundin, mit der sie täglich Kontakt hat. Mit ihren Freunden geht sie im Wald spazieren, man kocht gemeinsam oder trifft sich auf ein Glas Wein. „Eigentlich hab ich gar keinen Grund einsam zu sein – ich tu´s aber trotzdem“, sagt Amelie Jensen.

Das diffuse Gefühl von Einsamkeit erlebt wahrscheinlich jeder einmal in seinem Leben. Das Ende einer Beziehung. Neu sein in einer fremden Stadt. Sich unverstanden fühlen. Und auch unter Menschen kann man sich einsam fühlen. Doch ab wann wird Einsamkeit zum Problem? Wenn sie über Wochen, Monate oder Jahre fühlbar und chronisch geworden ist?

Schlimmste Zeit im Jahr

Für Amelie Jensen fühlt sich Einsamkeit wie „Herzklopfen, wie ein Flattern“ an. „So ein beengendes Gefühl in der Brust, so wie wenn man aufgeregt ist.“ Die Advents- und Weihnachtszeit ist für sie die schlimmste Zeit des Jahres. Sie ist auch sonst einsam, aber nie so stark wie in der Adventszeit. Ihre Freundinnen machen es sich dann gemütlich und schmücken die Wohnung. Die Flensburgerin dekoriert auch, aber hauptsächlich für ihren 13-jährigen Sohn. Vor zehn Jahren trennte sie sich von ihrem Mann und lebt seitdem alleine mit ihrem Sohn in Mürwik.

Amelie Jensen kann gar nicht genau sagen, wann „diese Momente“ kommen. Wenn sie ihren Sohn abends ins Bett gebracht hat und sie sich den ganzen Abend durch „Tic Tok“ scrollt, um sich abzulenken. Wenn sie auf dem Weihnachtsmarkt in mitten einer Gruppe von Freunden der einzige Single ist. „Weihnachten ist ja das Fest der Liebe, jeder hat irgendwen – das fühlt sich nicht gut an.“ Auf der Arbeit, wenn sie auf ihr Handy schaut und sich wünscht, dass jemand an sie denkt. Als sie letztes Jahr mit ihrem Sohn stundenlang in der Notaufnahme saß: „Ich hätte gerne zu jemandem gesagt: Ich bin seit 20 Stunden auf den Beinen, kannst du bitte kommen und Kaffee bringen?“

Freundin reagiert unsensibel

Ihre Freunde ruft sie in solchen Situationen nicht an. Die 41-jährige möchte niemanden zu Last fallen und jammern. Sich schwach zeigen, etwas Emotionales preisgeben fällt ihr schwer. Einmal sprach sie ihr Problem in einem WhatsApp-Chat an. Eine Freundin meinte nur, dass sie sich nicht so anstellen solle. Die Reaktion der Freundin hat Amelie Jensen schockiert. Auch bei ihren Eltern, die bei Berlin wohnen, spricht sie dieses Gefühl von Enge in der Brust nicht an. „Die denken, ich komme super klar.“

Amelie Jensen sehnt sich nach Nähe. Alle ihre Freundinnen haben einen Partner. Es fällt auf, dass sie ihre Freunde ausschließlich als „sehr glücklich“ in ihren Beziehungen beschreibt. Dass man sich auch in einer Partnerschaft mal einsam fühlt, kann sie sich nicht vorstellen. Für andere scheint es leicht zu sein, jemanden zu finden: „Meine Schwester hat nach ihrer Scheidung natürlich sofort wieder einen tollen Mann gefunden.“

Kürzere Affären, aber nichts Ernstes

Die 41-jährige wünscht sich jemanden, bei dem sie sich fallen lassen kann. Jemand, der sie in den Arm nimmt, der mit ihr über den Weihnachtsmarkt schlendert. Jemand, den sie mit zu ihren Freunden mitnehmen und bei dem sie denken kann „das ist meiner.“ Am allermeisten wünscht sie sich, dass da jemand ist, der wartet und sich freut, wenn sie nach der Arbeit nach Hause in die dunkle Wohnung kommt.

Im Moment sucht die Flensburgerin nicht aktiv nach einem Partner. Lange nutzte sie Dating-Apps, um jemanden kennen zu lernen. Sie würde es nicht wieder probieren: „Alles ist sehr oberflächlich, es geht nicht um dich als Person.“ Sie hatte in den letzten Jahren zwar kürzere Affären, aber nichts Ernstes. Allgemein findet sie Dating anstrengend: „Wenn ich Männer in meinem Alter date, haben die alle 'ne Midlife-Crisis!“

Speed-Dating oder Kochkurs für Singles

Die 41-jährige denkt, dass es viele in ihrem Alter gibt, denen es so geht wie ihr. Sie würde sich mehr Angebote für Singles in Flensburg wünschen. Speed-Dating oder einen Kochkurs für Singles zum Beispiel. Dieses Jahr hat sie für ihren Sohn und sich einen Exit-Adventskalender gekauft. Jeden Abend zusammen ein Rätsel lösen. Die „Quality-Time“ als Familie genießen. Den Versuch abends nicht in ein Loch zu fallen.

Und es gibt noch etwas was ihr hilft: Der Gedanke, dass die immer heile Familie der anderen eine Illusion ist. Dass sich auch ihre Freundinnen manchmal einsam fühlen, trotz Beziehung.

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