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Elterntaxis sorgen in Nordschleswig für Probleme - das sagt eine Verkehrspsychologin

Elterntaxis sorgen in Nordschleswig für Probleme

Elterntaxis sorgen in Nordschleswig für Probleme

Apenrade/Aabenraa
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Elterntaxis vor der DPA.
Eltern bringen ihre Kinder zur Deutschen Privatschule Apenrade (DPA). Foto: Karin Riggelsen

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Immer häufiger fahren Eltern ihre Kinder zur Schule, statt sie mit dem Rad oder zu Fuß zur Schule zu schicken. Das hat jedoch nicht nur direkte Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit rund um Schulen, sondern sorgt auch für fehlendes Verkehrstraining. Dabei sollten damit schon die Jüngsten anfangen, erklärt Verkehrspsychologin Mette Møller.

Studien belegen seit geraumer Zeit, dass Schulkinder immer seltener allein und ohne Aufsicht durch ihre Eltern den Schulweg bestreiten. Viele werden heute mit dem Auto zur Schule gefahren. Die sogenannten „Elterntaxis“ sorgen dabei besonders zu Stoßzeiten für unübersichtliche Verkehrssituationen rund um die Schulen – zum Nachteil für die Kinder, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Schule kommen. 

Aus einer von Epinion im Jahr 2021 durchgeführten repräsentativen Umfrage geht hervor, dass 24 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Dänemark im Sommer mit dem Auto zur Schule gebracht werden, 20 Prozent gehen zu Fuß und 41 sind mit dem Fahrrad in die Schule unterwegs. Der Anteil der Kinder, die gefahren werden, ist unter den Fünf- bis Achtjährigen mit 40 Prozent besonders hoch. Nur 30 Prozent der Altersgruppe fahren mit dem Fahrrad, 20 Prozent gehen zu Fuß. 

Während damit im Sommer etwa jedes vierte Kind am häufigsten mit dem Auto zur Schule gefahren wird, ist es im Winter sogar fast jedes dritte (55 Prozent). Der Anteil der Kinder, die mit dem Auto zur Schule gefahren werden, nimmt mit zunehmendem Alter ab. Im Sommer werden 12 Prozent der 13- bis 16-Jährigen am häufigsten mit dem Auto zur Schule gefahren, während es im Winter 17 Prozent sind. Allerdings ist auch der Radanteil bei dieser Altersgruppe mit 48 Prozent (Winter 39 Prozent) am höchsten.

In Kopenhagen gibt es daher an mittlerweile zehn Schulen ein Einfahrverbot für gewisse Zeiträume am Morgen. Die Verbote sollen den Weg für Schülerinnen und Schüler sicherer machen. Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto bringen, müssen nun abseits der Schule halten, die Sprösslinge die letzten Meter zu Fuß gehen. 

Zwar ist man in Nordschleswig von Kopenhagener Verhältnissen weit entfernt, doch fragt man beim Deutschen Schul- und Sprachverein (DSSV) nach, so ist das Phänomen „Elterntaxi“ auch an den deutschen Schulen in Nordschleswig bekannt. Laut Schulrätin Anke Tästensen sei das Problem aber regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. 

Unterschiedliche Erfahrungen an Deutschen Schulen

An der Deutschen Schule in Apenrade beispielsweise herrscht morgens Hochbetrieb. Schulleiterin Catarina Bartling berichtet, man habe die Eltern wiederholt gebeten, ihre Kinder nicht im Svinget (eine Wendeschleife vor der Schule, Anm. d. Red.) abzusetzen, sondern vorher. „Im Svinget wird regelmäßig unser Schulbus blockiert, da dort Autos den freien Weg zuparken.“ Weil hier neben dem Deutschen Gymnasium für Nordschleswig (DGN) auch die Apenrader Staatsschule (Aabenraa Statsskole) liegt, sei es im Umfeld der Schulen sehr eng.

An der Deutschen Schule in Pattburg (Padborg) hat man die Probleme mit den Elterntaxis inzwischen weitgehend in den Griff bekommen. „Wir hatten tatsächlich Probleme damit, dass viele Eltern die Kinder direkt vor der Tür abluden, aber durch viele Aufforderungen [...] ist es viel besser geworden“, sagt Schulleiterin Birgit Bennick Pedersen.

Auf dem Dorf geht es da entspannter zu, auch wenn an der Deutschen Schule Buhrkall (Burkal) die Zahl der chauffierten Kinder laut Schulleiterin Ute Eigenmann zugenommen habe. „Ich würde es bei uns nicht als Problem bezeichnen“, sagt sie. Wenn Eltern ihre Kinder fahren, habe das verschiedene Gründe. Etwa, weil sie außerhalb des Schulbezirkes wohnen oder so weit weg, dass Schulbusse dort gar nicht mehr fahren. Es gebe aber auch eine kleine Gruppe von Eltern, die ihre Kinder fahren, obwohl diese auch mit dem öffentlichen Bus kommen könnten. Zu gefährlichen Situationen komme es aber äußerst selten, sagt Eigenmann. Das Fahrrad sei nur bedingt eine Alternative, weil die Verkehrssicherheit nicht auf dem gesamten Schulweg ausreichend gegeben sei und der Weg gerade für jüngere Schüler zu weit.

Eltern wollen es ihren Kindern so gut und schön wie möglich machen − sie sollen nicht nass werden, sie sollen nicht frieren. Die Fahrt im Auto könnte eine schöne Zeit sein, um sich voneinander zu verabschieden oder gemeinsam ein lustiges Lied im Radio zu hören.

Verkehrspsychologin Mette Møller
Eltern-Taxi vor der DPA.
Viele Eltern halten in der Wendeschleife, obwohl es dort nicht erlaubt ist. Foto: Karin Riggelsen

Warum fahren Eltern ihre Kinder zur Schule?

Für die Verkehrspsychologin Mette Møller von der Technischen Universität Dänemark (DTU) gibt es drei Hauptgründe dafür: 

  • Praktische Umstände: „Vielleicht fahren die Eltern direkt an der Schule vorbei, sodass es einfacher ist, das Kind dort abzusetzen. Vielleicht spart es Zeit für das Kind (das sich verspäten könnte) oder für die Eltern. Wenn die Eltern nicht selbst mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, ist es zu umständlich, dem Kind erst mit dem Fahrrad zu folgen und dann nach Hause zu fahren und das Auto zu holen.“

  • Sicherheit: „Eltern wollen sich um ihre Kinder kümmern, und wenn sie ihr Kind fahren, kann es in der Nähe der Schule viel Verkehr geben, was den Eltern ein ungutes Gefühl geben kann.“ Vielleicht sei aber auch die Infrastruktur nicht so gut, etwa fehlende Radwege, viel Verkehr, kreuzende Kraftfahrzeuge oder dunkle Tunnel. „Vielleicht hat das Kind selbst Angst vor dem Radfahren. Kinder können sich sehr unsicher und ängstlich fühlen, wenn es Kraftfahrzeuge, also Verkehr, gibt“, so Møller.

  • Fürsorge: Dies hänge mit den beiden anderen Faktoren zusammen, sagt die Psychologin. „Eltern wollen es ihren Kindern so gut und schön wie möglich machen − sie sollen nicht nass werden, sie sollen nicht frieren. Die Fahrt im Auto könnte eine schöne Zeit sein, um sich voneinander zu verabschieden oder gemeinsam ein lustiges Lied im Radio zu hören.“

 

Jeppe Holm Gudmandsen vom Rat für sicheren Verkehr (Rådet for sikker Trafik) nennt ähnliche Gründe. „Schulzusammenlegungen oder -schließungen können dazu führen, dass einige Kinder längere Schulwege haben und Eltern den Schulweg als zu lang oder zu unsicher empfinden, weshalb ihre Kinder nicht allein mit dem Fahrrad fahren dürfen. Andere Gründe für die Unsicherheit der Eltern können etwa die Geschwindigkeit der Autos, mangelnde Rücksichtnahme, verkehrsreiche Kreuzungen, keine oder wenige Radwege, viele Radfahrer oder ähnliches sein“, sagt Holm Gudmandsen.

Kinder sollen Schulweg trainieren

Der Rat für sicheren Verkehr empfiehlt, dass Eltern ihre Kinder nicht zur Schule fahren, sondern sie am Verkehr teilhaben lassen. „Können Kinder selbst zur Schule gehen oder mit dem Rad fahren, ist das eine sehr gute Lernerfahrung und das schafft ein gutes Verkehrsverhalten, wenn man etwa mit dem Rad zur Schule fährt“, sagt Holm Gudmandsen. Gleichzeitig werde die Situation im Umkreis der Schule entschärft, weil dann im morgendlichen Verkehr weniger Autos unterwegs seien. Das verringere die Unsicherheit der Kinder und Eltern.

Unser Verkehrsverhalten wird früh festgelegt. Wenn man will, dass mehr Menschen mit dem Fahrrad fahren, zu Fuß gehen oder öffentliche Verkehrsmittel benutzen, ist es wichtig, dass sie so früh wie möglich damit anfangen. Wenn Eltern wollen, dass ihre Kinder und vielleicht auch die Gesellschaft aus Gründen des Umweltschutzes nicht auf das Auto angewiesen sind, dann ist es sehr wichtig, den Kindern zu zeigen, dass man mit dem Fahrrad fahren kann.

Mette Møller

Der Hol- und Bringverkehr der Eltern kann die Sicherheit der Schulkinder nämlich beeinflussen. Gründe dafür sind unter anderem die Behinderung von Schulbussen, gefährliche Fahr- und Wendemanöver oder unerlaubtes Halten im Haltverbot oder in zweiter Reihe. Gefährdungen entstehen vor allem dann, wenn mehrere Eltern ihre Kinder gleichzeitig bringen.

Fehlendes Verkehrstraining sieht auch Mette Møller als eines der großen Probleme an, wenn Eltern ihre Kinder hauptsächlich fahren. „Sich sicher im Verkehr zu bewegen, erfordert Training, egal ob im Auto, auf dem Fahrrad, auf dem Roller oder im Bus. Nur was man häufig wiederholt, lernt man auch.“ Es reiche nicht aus, auf dem Fahrrad zu balancieren und die Verkehrsregeln zu kennen, man müsse auch in der Lage sein, den Verkehr zu „lesen“. „Das vorauszusehen, was passiert, wie man sich positioniert, wie die anderen reagieren“, sagt Møller. Das gehe nur mit praktischer Übung im Verkehr.

„Je kleiner Kinder sind, desto schwieriger ist es natürlich ­− sowohl kognitiv als auch motorisch − und es kann ihnen auch schwerfallen, den Verkehr zu verstehen, weil sie ihn aus einer geringeren Höhe sehen als Erwachsene. Aber sie müssen es trotzdem lernen.“ Wenn sie dann älter werden, fehle ihnen die nötige Übung.

Eltern können mit gutem Beispiel vorangehen

„Unser Verkehrsverhalten wird früh festgelegt. Wenn man will, dass mehr Menschen mit dem Fahrrad fahren, zu Fuß gehen oder öffentliche Verkehrsmittel benutzen, ist es wichtig, dass sie so früh wie möglich damit anfangen. Wenn Eltern wollen, dass ihre Kinder und vielleicht auch die Gesellschaft aus Gründen des Umweltschutzes nicht auf das Auto angewiesen sind, dann ist es sehr wichtig, den Kindern zu zeigen, dass man mit dem Fahrrad fahren kann.“ Da könne man selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Kinder müssten an das Radfahren oder Busfahren gewöhnt werden, damit sie keine Angst davor haben und sich Routine einspiele.

„Es wird schwieriger sein, Kinder zum Fahrradfahren zu bewegen, wenn sie es nicht gewohnt sind. Daher kann es sein, dass Eltern ihre Kinder jahrelang zu vielen Aktivitäten oder zur Schule fahren und vielleicht auch fahren müssen. Es kann daher auch auf die Eltern zurückfallen, wenn sie ihren Kindern nicht beigebracht haben, allein zu fahren“, sagt die Verkehrspsychologin. 

Verkehrssicherheitsrat gibt Tipps

„Wir empfehlen den Eltern, mit ihren Kindern das Verhalten im Straßenverkehr zu trainieren. Wenn die Kinder im Grundschulalter sind, geht es vor allem darum, ihnen die Grundregeln im Straßenverkehr beizubringen, aber Jugendliche brauchen klarere Vereinbarungen mit den Eltern über die Benutzung von Handys, Fahrradhelmen und Alkohol“, so Holm Gudmandsen. Auf der Webseite von „Sikker Trafik“ gebe es für jedes Alter Empfehlungen.

Dass immer weniger Kinder in Dänemark den Schulweg mit dem Fahrrad zurücklegen, bereitet auch dem Radfahrerverband (Cyklistforbundet) Sorgen. Dieser will mit der jährlichen Kampagne „Vi kan cykle!“ (Wir können Radfahren) die Kleinen schon im Kindergarten an das Fahrrad gewöhnen, damit sie später besser dafür gerüstet sind, den Schulweg mit dem Rad zu bestreiten.

Auch die Polizei beteiligt sich regelmäßig an landesweiten Kampagnen − etwa bei „Den sureste Uge“, wo im tiefsten Winter die Schülerlotsinnen und -lotsen im Fokus stehen, die laut Polizei einen wichtigen Job machen.  

Polizei kann Elterntaxis nicht sanktionieren

Die Polizei für Südjütland und Nordschleswig kenne das Problem der Elterntaxis natürlich, habe aber keine Möglichkeit, das Verhalten zu sanktionieren. „Im Bezirksrat, der sich aus dem Polizeidirektor und allen Bürgermeistern der Kommunen im Polizeibezirk zusammensetzt, wurde schon vor Jahren darüber diskutiert, ob an den Schulen eine Verkehrspolitik eingeführt werden sollte. Damals wurde beschlossen, dass jeder eine solche aufstellen sollte. Es ist dann oft Aufgabe der Schulbehörde, die Einhaltung der Vorschriften zu kontrollieren“, sagt Vizeinspektor der Reichspolizei Knud Reinholdt.

Die Verkehrssicherheit sei aber natürlich ein Schwerpunkt an und in der Umgebung von Schulen, wo zu bestimmten Zeiten ­− morgens und nachmittags − oft Verkehrsbeschränkungen gelten. „Deren Nichteinhaltung kann von der Polizei geahndet werden; zu diesem Zweck führen wir im Laufe des Jahres mehrere Kontrollen durch“, so Reinholdt.

Denn die Gemeinden würden großen Wert darauf legen, dass Kinder die Möglichkeit haben, mit dem Rad zur Schule zu fahren − „nicht zuletzt zur Förderung ihrer Gesundheit, aber auch der Mobilität im Allgemeinen“, sagt Knud Reinholdt. Die Gemeinden würden viel Geld für die Förderung dieser Möglichkeit ausgeben − und etwa mit dem Bau von Radwegen für sichere Schulwege sorgen. „Dies wird von der Polizei unterstützt − unter anderem durch die Beteiligung an der Bewertung von Schulwegen, wo es konkrete Regeln für die Bewertung von Schulwegen und deren Gefährlichkeit gibt.“

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