Mobilität

„Leider hat sich das Angebot in den vergangenen Jahren verschlechtert“: Wie Volker Heesch Bus und Bahn in Nordschleswig erlebt

„Angebot verschlechtert“: Wie Volker Heesch Bus und Bahn in Nordschleswig erlebt

Wie Volker Heesch Bus und Bahn in Nordschleswig erlebt

Tondern/Hoyer
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Volker Heesch nutzt in Nordschleswig und südlich der Grenze vorzugsweise Rad, Bus oder Bahn, ärgert sich aber zum Beispiel über unsichere Fahrradabstellanlagen. Foto: Gerrit Hencke

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THEMA ÖPNV: Wo es beim öffentlichen Nahverkehr in Nordschleswig und über die Grenze hakt, was gut funktioniert und was zumindest ihm fehlt, das bemerkt der ehemalige „Nordschleswiger“-Redakteur Volker Heesch häufig. Als passionierter Bahn-, Bus- und Radfahrer verzichtet er auf sein Auto so gut es geht. Das klappt oft, aber nicht immer.

Volker Heesch lebt seit Jahrzehnten in Nordschleswig. Von Hoyer (Højer) aus erledigt der ehemalige „Nordschleswiger“-Redakteur seinen Alltag vorzugsweise mit dem Fahrrad, der Bahn oder dem Bus.

„Leider hat sich das Angebot in den vergangenen Jahren verschlechtert. Das liegt mit Sicherheit aber auch an der zurückgehenden Nachfrage“, so Heesch. Warum das so ist? Der Hoyeraner sieht da gleich mehrere Gründe. So sei die Einwohnendenzahl der Kommune Tondern (Tønder) von einst 42.000 Bürgerinnen und Bürgern auf 37.000 zurückgegangen. So gebe es weniger junge Leute, was wiederum weniger Schülerinnen und Schüler sowie Pendlerinnen und Pendler bedeute. „In der Folge gebe es auch weniger Routen und eine geringere Taktung. „Was noch dazu kommt ist, dass mehr Leute hier auf dem Land zwei Autos haben. Auch ältere Menschen fahren heute mehr Auto“, so Heesch. 

Weniger direkte Busverbindungen

1983/1984 sei er als Referendar ohne Auto regelmäßig mit Bus und Fahrrad auf der Strecke Ribe-Tingleff-Flensburg unterwegs gewesen, selbst sonnabends. „Solche Linien sind seit Jahren verschwunden.“ Heute sei es schwieriger, in Richtung Ostküste zu kommen. So sei irgendwann auch die direkte Busverbindung von Tondern nach Apenrade (Aabenraa) eingestellt worden. „Heute kommt man mit dem Bus nur über Umwege dorthin. Da ist das Auto doch schneller“, sagt Heesch, der seinen Wagen eigentlich möglichst wenig benutzen möchte. Auch Krusau (Kruså) sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus Hoyer nur schwer zu erreichen.

Volker heesch
Sonntags fährt aktuell nur ein Bus am späten Abend in Richtung Hoyer. Der Grund: Schülerinnen und Schüler der Nachschule sollen die Möglichkeit haben, noch abends an ihr Ziel zu kommen. Foto: Gerrit Hencke

Wenn man mal ein paar Tage verreisen möchte, dann will man keine Angst um sein Fahrrad haben.

Volker Heesch

Und auch grenzüberschreitend sei der Bus selten eine Alternative. „Ich fahre mit dem Rad nach Klanxbüll und kann dort den Zug nehmen, der von Sylt kommt.“ Anders als in Tondern gebe es am Bahnhof in Klanxbüll nämlich sichere und wettergeschützte Abstellanlagen für 24 Fahrräder, die im Zuge einer Bike+Ride-Offensive der Bahn und Kommunen gebaut werden konnten. „Wenn man mal ein paar Tage verreisen möchte, dann will man keine Angst um sein Fahrrad haben.“ In Flensburg sind ähnliche Anlagen geplant.

Klanxbüll
Geschützte Abstellanlage für Fahrräder am Bahnhof in Klanxbüll. Foto: Volker Heesch
Volker Heesch
Volker Heesch vermisst sichere Abstellanlagen am Busbahnhof und am Bahnhof in Tondern. Foto: Gerrit Hencke

Doch am Busverkehr sei nicht alles schlecht, sagt Heesch. Routen und Taktung seien aufeinander abgestimmt und im Vergleich zu den alten Bussen von Sydtrafik sind die neun neuen Elektrobusse, die in der Kommune Tondern auf den Hauptrouten unterwegs sind, barrierefrei.

Elektrobusse
Die neuen Elektrobusse lassen sich hydraulisch absenken, haben eine Rollstuhlrampe und bieten entweder Platz für zwei Fahrräder, zwei Kinderwagen oder einen Rollstuhl. Foto: Gerrit Hencke

Neue Elektrobusse kommen gut an

Wie „Der Nordschleswiger“ vor Ort erfuhr, sind die Busfahrerinnen und -fahrer zufrieden mit den neuen Modellen des chinesischen Herstellers Yutong. Der Elektrobus hat eine Reichweite von 500 Kilometern und kann im Busdebot in Tondern geladen werden. Das reicht, denn jeder Bus ist täglich etwa 365 Kilometer auf den Straßen in der Kommune unterwegs. Dabei werden vorwiegend Pendlerinnen und Pendler sowie Schülerinnen und Schüler transportiert und nur wenige Urlaubende.

Elektrobusse
Nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch barrierefreier: Volker Heesch ist von den neuen Elektrobussen angetan. Foto: Gerrit Hencke

Für Heesch verschenktes Potenzial. „Mittlerweile fahren ja auch Busse nach Röm. Die Insel ist oft überfüllt, die Autos stehen im Stau und mit dem Fahrrad ist der Weg über den Damm oft mühsam.“ Auch hier gehe es darum, auf die Angebote aufmerksam zu machen. 

Kritisch sieht Heesch es, dass Busse oftmals nicht direkt an den Bahnhöfen halten. Das betreffe etwa den Schnellbus von Niebüll (Niebøl) nach Flensburg (Flensborg), der dort am ZOB, aber nicht am Bahnhof hält. „Das erschwert das Weiterreisen mit dem Zug. Es wird nicht bedacht, wer das eigentlich nutzen kann.“

Bahn-Verbindungen zu unbekannt

Und dann kommt Heesch auf sein Lieblingsthema zu sprechen: die Bahn. „Dass es die Bahnlinie von Nordfriesland nach Nordschleswig gibt, ist bei vielen aus dem Bewusstsein verschwunden“, sagt Heesch. Dabei verbinde die Linie Tondern nicht nur mit Deutschland, sondern auch ab Bramming mit Kopenhagen. 

„Es muss bekannter werden, was es alles gibt“, so Heesch, der die Bahn bevorzugt auch für Ausflüge und Urlaube mit und ohne Rad nutzt. Viele wüssten nicht, dass das Schleswig-Holstein-Ticket sogar bis Tondern gilt und das sogenannte Nachbarticket sogar eine Fahrt bis nach Nørre Nebel möglich macht. Bedauerlich finde er es, dass es derzeit wegen Sanierungsarbeiten auf der Strecke Niebüll-Tondern noch den ganzen Sommer Schienenersatzverkehr gibt. Fahrräder können da nicht mitgenommen werden. 

Tonderns Bürgermeister Jørgen Popp Petersen beim Jubiläum der grenzüberschreitenden Bahnverbindung im Jahr 2022.
Tonderns Bürgermeister Jørgen Popp Petersen beim Jubiläum der grenzüberschreitenden Bahnverbindung im Jahr 2022. Foto: Volker Heesch

Tingleff als neuer Knotenpunkt

Der ehemalige Redakteur blickt aber auch in Richtung Osten. Dort freut er sich auf den stündlichen Takt von Tingleff (Tinglev) nach Sonderburg (Sønderborg), der mit der Umstellung der neuen Züge ab 2027 eingeführt werden soll. Auch die Verlängerung des RE7 aus Flensburg nach Tingleff findet Heesch „eine gute Sache“. 

Die Digitalisierung des dänischen Streckennetzes begrüßt Heesch ebenfalls, denn das verkürze künftig die Reisezeiten. Mit der Technik können die Züge schneller fahren. „Es wurde auch bis Niebüll digitalisiert, damit die NEG weiter auf der Strecke bis Tondern fahren kann.“ Wegen der verschiedenen Stromnetze wird die Strecke mit Dieseltriebwagen befahren. „Erste Batteriezüge fahren bereits in Mitteljütland. In Zukunft soll auch Tondern welche bekommen“, so Heesch. 

In Schleswig-Holstein fahren bereits Elektrozüge der Firma Stadler, zuletzt wurde die Strecke von Kiel nach Lübeck und Lüneburg „elektrifiziert“. Die Batterien werden an den Oberleitungen in Bahnhöfen oder an bereits vorhandenen Oberleitungen auf einigen Strecken aufgeladen. Den Rest fahren die Züge mit elektrischer Energie aus den Akkus.

Bahngleise Ton-Tin
Die Bahngleise der alten Strecke von Tondern nach Tingleff liegen noch. Foto: Gerrit Hencke

Die Gleise liegen noch. Es braucht nur politischen Willen.

Volker Heesch

West-Ost-Verbindungen aufleben lassen

Etwas hinterher trauert Volker Heesch zwei West-Ost-Verbindungen. Die Bahnlinie von Flensburg nach Niebüll, die 1999 komplett eingestellt wurde, sei eine viel bessere Alternative zur seither bestehenden Busverbindung. Auch nördlich der Grenze vermisst er die Bahnverbindung von Tondern nach Tingleff, die 1867 eröffnet und bis 1971 komplett eingestellt wurde. Bis 2001 fuhr noch Güterverkehr auf der Strecke. 2011 wurde dann im Zuge der Modernisierung der Linie nach Esbjerg die Weiche nach Tingleff ausgebaut. 

„Meine Großmutter ist als Hoyeranerin noch von Hoyer aus per Bahn durch Nordschleswig gereist. 1935 verlor Hoyer den Verkehr mit Reisezügen“, erzählt Heesch.

 

„Die Gleise liegen noch. Es braucht nur politischen Willen.“ Bisherige Initiativen, die seit 40 Jahren immer wieder aufkeimen würden, verliefen bisher im Sande.

Die Strecke ist zwar völlig zugewachsen, die Trasse könnte nach Berechnungen von Expertinnen und Experten aber relativ günstig wieder nutzbar gemacht werden, sagt der Bahn-Fan. „Die Strecke besitzt auch Potenzial für Güterverkehr von und nach Tondern, von wo sehr viele Lkw über die überlasteten Autobahnen rollen.“

Heesch hat eine alte Karte ausgegraben, die zeigt, dass die Bahnlinie damals von Hoyer bis nach Sonderburg und weiter nach Mommark auf Alsen (Als) führte. „Von dort konnte man dann die Fähre nach Fünen nehmen.“ 

Auf der Karte aus dem Jahr 1920 sind die Strecken Flensburg-Niebüll und Hoyer-Mommark zu sehen.
Auf der Karte aus dem Jahr 1920 sind die Strecken Flensburg-Niebüll und Hoyer-Mommark zu sehen. Foto: Volker Heesch

Als Busmuffel würde sich Heesch angesichts bestehender Busverbindungen nicht bezeichnen. Er ziehe Züge dem Bus allerdings vor, weil sie „praktischer und schneller“ seien, sagt er. „Wir verpassen die Zeichen der Zeit.“ Auch deshalb ist er dafür, die alten Bahnstrecken zwischen West und Ost sowie manche Haltepunkte wiederzubeleben – etwa in Seegard (Søgård) oder Wester-Satrup (Vester Sottrup). 

Es würde sich anbieten, zur Finanzierung der Streckenausbauten dänisch-deutsche Interreg-Projekte zu schmieden, damit bei der Förderung des ländlichen Raumes nicht jedes Land für sich wurstelt und dann Züge geordert werden, die an der deutsch-dänischen Stromgrenze scheitern.

Volker Heesch

Renaissance für frühere Auslaufmodelle?

„Die Querverbindungen sind stillgelegt worden, als Bahnverkehr als ,Auslaufmodell' vernachlässigt wurde und mit alten Triebwagen auf abgewirtschafteten Gleisen ein unattraktives Angebot bestand“, sagt Heesch. Heute gebe es Herausforderungen des Klimaschutzes, die mit batterieelektrischen Zügen im Nahverkehr gemeistert werden können. 
 
„An der Strecke Niebüll-Flensburg liegen zu ,Schlafstädten' gewachsene Dörfer wie Handewitt, von wo sich tagtäglich Autopendler nach Flensburg in überlastete Straßen wälzen“, sagt Heesch. Auch hier lägen heute Gutachten vor, die die Rentabilität einer Inbetriebnahme belegen. „Die Strecke wäre zudem auch interessant für viele Syltpendler. Es würde sich anbieten, zur Finanzierung der Streckenausbauten dänisch-deutsche Interreg-Projekte zu schmieden, damit bei der Förderung des ländlichen Raumes nicht jedes Land für sich wurstelt und dann Züge geordert werden, die an der deutsch-dänischen Stromgrenze scheitern.“
 
Rentabilität sei in diesem Zusammenhang ein interessantes Stichwort. „Beim Straßenbau wird in Nordschleswig der Flächenverbrauch dermaßen fortgesetzt, als wenn nicht längst die Alarmglocken klingeln.“
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