Meinung

„Und das soll gesund sein? “

Und das soll gesund sein?

Und das soll gesund sein?

Hadersleben/Haderslev
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Drastisch ausgedrückt: Die pflanzliche Ernährung spaltet die Nation. Die Argumentationen für und gegen ein veganes oder vegetarisches Leben sind vielfältig. Ausgetragen an Küchentischen, in Kommentarspalten und an der Supermarktkasse. Dabei hinkt Dänemark dem Angebot von Deutschland hinterher. Schade eigentlich.

Der Wocheneinkauf: für einige ein zeitintensives Hobby, dem sie mit olympischem Ehrgeiz nachgehen, für andere ein Drama in fünf Akten mit anschließender Urlaubsreife. Viele der Menschen, die sich pflanzlich ernähren, gehören mittlerweile zu der ersten Kategorie. Das war nicht immer so. Oder eher: Seitdem Kohlrabi-Schnitzel nicht die einzigen veganen Schnitzel auf dem Markt sind, haben pflanzlich essende Menschen wieder mehr Freude am kulinarischen Sein.

Aber von vorn: Ich persönlich ernähre mich schon seit langer, sehr langer Zeit pflanzlich und kann fast auf zwei Jahrzehnte Veggiewurst und Co. zurückschauen. Unvergessen sind die Besuche in den späten 2000ern im Reformhaus gewesen, bei denen man Sojawürste in komischer Konsistenz und mit merkwürdigem Geruch in den Einkaufskorb legte. Eindeutig ein Relikt, das vielen Neuzeit-Veganerinnen und Veganern erspart bleibt. Die Sojawurst kaute man immer etwas zu lang, sie erinnerte einen an steinharte Gummibärchen in einer intensiven Sojasoßen-Ummantelung. Klingt nach innovativer Sterneküche, war es aber definitiv nicht.

Der Markt war damals einfach noch nicht reif. Hat man damals eine Sojamilch im Regal eines Supermarktes oder gar Discounters gefunden, wurde vor Freude geweint und Miteinkaufende theatralisch umarmt. 

Nun schreiben wir aber das Jahr 2023. Morgens schmiert man sich sein Brötchen und legt veganen Räucherlachs drauf, den Kaffee trinkt man mit einer Barista-Hafermilch, mit extra hohem Fettanteil, damit sie sich schäumen lässt. Es gibt veganes Leder aus Äpfeln und Hanf und wer das nötige Kleingeld hat, kann sogar vegane Menüs bei einem Küchenchef mit Michelin-Stern bekommen.

Die Zeit ist eine andere, und während Menschen, die sich pflanzlich ernähren, im Schlaraffenland leben und fast nichts missen müssen, hängen trotzdem viele Menschen an ihrer Wurst aus Fleisch. In Dänemark sogar stärker als in Deutschland. Warum eigentlich? Ist Dänemark doch in vielen Dingen, sei es Digitalisierung oder erneuerbare Energie, Deutschland viel weiter voraus. Und auch wenn man sich streiten darf, ob ein pflanzliches Sortiment das gerechtfertigte Pendant zur Digitalisierung ist, kann man trotzdem Kritik üben.

Denn während in Dresden „Die Vegane Fleischerei“ aufgemacht hat, die Restaurantkette „Nordsee“, die früher nur Fisch servierte, auch vegane Garnelensandwiches anbietet und der Tante-Emma-Laden im Ruhrpott veganen Käse führt, fragt man sich schon: Was ist los in Dänemark?

Denn der Einkauf im dänischen Supermarkt kann enttäuschend sein. Klar gibt es (deutsche) Vorreiter wie etwa Lidl mit einem relativ großen Sortiment, aber so wirklich überrascht wird man dann irgendwie doch nicht. Zumindest nicht in Nordschleswig. Das Angebot ist eher mau, lediglich das vegane Eis kann manchmal überzeugend sein. Dann gibt es neben Schokolade, Vanille oder Erdbeere auch wagemutige Kreationen mit Kirsche, Marshmallows oder Karamell. 

Für jemanden wie mich, der aus einer deutschen Großstadt nach Nordschleswig gezogen ist, war das erst einmal ein Schock. Was nun? Reise ich ab jetzt nur noch mit einem 75-Liter-Koffer nach Deutschland, um einen Vorrat aufzubauen? Das Internet ist schließlich mittlerweile voll mit Tipps und Tricks von „Preppern“ zum Überleben in Katastrophen. Oder demonstriere ich doch für mehr veganen Backfisch vor SuperBrugsen? Oder selbst ist die Frau: Ich mache doch noch dieses Haferflocken-Schnitzel-Rezept von TikTok (Gern mal suchen, ist wirklich einfach und erschwinglich). 

Letztlich hab mich dazu entschieden, Ruhe zu bewahren. Das ist ohnehin ein Tipp, den man als vegan oder vegetarisch lebender Mensch immer befolgen sollte. 

Ruhe bewahren am Esstisch, wenn der Verwandte 20. Grades deine Ernährung kritisiert: „Also ich verstehe nicht, wieso man überhaupt Ersatzprodukte braucht, man kann auch was anderes essen.“ – Um diese Frage einfach mal zu beantworten: Weil es schmeckt. Es schmeckt, und wenn es eine Alternative gibt, warum nicht diese essen? Denn die Argumentation mit der Gesundheit zieht nun eben nicht mehr. Und beim Thema Klimawandel und Tierwohl, nun: Kälber und Lämmer sind auch irgendwie nur große Hunde, „Bärchenwurst“ war schon immer makaber, und Mastrinder die pupsen gefährden unser Klima und den Regenwald. 

Also: Ruhe bewahren, was das Sortiment des Supermarktes um die Ecke anbelangt. Ich glaube ganz fest daran, dass man irgendwann auch in Dänemark ein pflanzliches Weihnachtsmenü „akzeptiert“. Auch wenn die Zähne dabei knirschen werden. Oder dass man Fast-Food-Ketten mit besseren pflanzlichen Menüs ausstattet, anstatt mit Apfelstücken zu werben. Dänemark wird den Wandel in den anderen Ländern nicht dauerhaft ignorieren können. Ich hoffe nur, dass es hierzulande nicht allzu lange dauert. Geduld kann manchmal anstrengend sein. 

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