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Grenzland: Vier Zeitungen berichteten über ihre Zusammenarbeit

Grenzland: Vier Zeitungen berichteten über ihre Zusammenarbeit

Grenzland: Vier Zeitungen berichteten über ihre Zusammenarbeit

Dirk Thöming
Pattburg
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Die Chefredakteure Jørgen Møllekær, Stefan Hans Kläsener, Peter Orry, Gwyn Nissen und Hatto Schmidt (v.l.) diskutierten; Ruth Candussi (Mitte) leitete die Diskussion. Foto: Tim Riediger, Flensborg Avis

Die Chefredakteure von „Der Nordschleswiger“, „JydskeVestkysten“, „Flensborg Avis“ und dem „Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag“ (sh:z) trafen sich bei der Konferenz der Minderheiten-Zeitungen „Midas“ in Flensburg. Ein „Dolomiten“-Redakteur aus Südtirol berichtete, wie es – noch – nicht geht.

Bei der Konferenz des Minderheiten- und Regionalzeitungsverbandes Midas (Minority Dailies Association) in Flensborghus am Freitag trafen in einer Podiumsdiskussion die Chefredakteure der vier Zeitungen im deutsch-dänischen Grenzland aufeinander, um über ihre Zusammenarbeit zu berichten.

Jørgen Møllekær, „Flensborg Avis“, berichtete, dass seit 2013 eine tägliche Zusammenarbeit von „JydskeVestkysten“, dem „Nordschleswiger“, dem „Schleswig-Holsteinischem Zeitungsverlag“ (sh:z) und „Flensborg Avis“ besteht. Vorher habe es bereits eine partielle Zusammenarbeit zu einzelnen Themen in den Sonnabends-Ausgaben gegeben. „Jetzt haben wir vollen Zugriff auf die anderen Zeitungen am selben Tag. Wir tauschen Nachrichten aus und übersetzen sie teilweise. Das Entscheidende war zu sagen: Wir trauen uns. Guckt bei uns rein, nehmt unsere besten Geschichten“, sagte Jørgen Møllekær und verwies darauf, dass es den Redakteuren teilweise unheimlich gewesen sei, eigene Artikel einfach an die Konkurrenz abzuliefern.

„Es ist klar ein Vorteil für uns kleinere Medien, sich an ein großes Medium anlehnen zu können“, ergänzte Gwyn Nissen, Chefredakteur des „Nordschleswigers“, dessen Druckausgabe im sh:z-Mantel verbreitet wird. „Einige Nachrichten gehen nur an die großen Medien. Es ist für uns ein Sicherheitsnetz, diese Nachrichten am selben Tag bekommen zu können, statt einen Tag später darüber zu berichten“, sagte er. Eine Konkurrenzlage gebe es nicht - „was die Nachrichten angeht schon, aber rein geschäftlich nein“, so Nissen.

Wir wollten es gerne

Moderatorin Ruth Candussi, Schleswigsche Partei, fragte den Chefredakteur von „JydskeVestkysten“, Peter Orry, was denn ein großes Medium zu einer solchen Zusammenarbeit bewegt. „Wir mussten es nicht machen, aber wir wollten sehr gerne eine engere Zusammenarbeit im Grenzland haben“, sagte Orry. Das erste Treffen habe damals noch mit sh:z-Chefredakteur Stefan Richter und dem Flensburger Oberbürgermeister Simon Faber (SSW) stattgefunden.

„Es war erfreulich, dass wir uns so schnell einigen konnten. Jahrhundertelang hatte es früher Kriege und Konflikte gegeben. In dieser Zeit geht es mehr darum, nach vorne als zurück zu blicken. Dies war die eigentliche Triebkraft“, so Orry. „Wir haben uns sehr darüber gefreut, wie es gelaufen ist“, ergänzte er. Sh:z-Chefredakteur Stefan Hans Kläsener meinte zur Motivation seines Verlages, dass „ein Journalist als erstes Neugierde haben“ müsse.

Besonders beeindruckend sei für ihn die tägliche Norddeutschland-Seite, die JydskeVestkysten im Zuge der Zusammenarbeit mit den drei anderen Zeitungen eingeführt hat. „Aus der dänischen Sicht auf die Deutschen kann man viel lernen. JydskeVestkysten kondensiert auf eigene Weise das Wichtigste heraus. Das ist die beste Seite über Norddeutschland, die ich kenne“, sagte Kläsener.

Wildschweinzaun nicht wirklich schlimm

Er ging auch kurz auf die Bedeutung des  viel diskutierten Wildschwein-Zauns aus seiner Sicht ein. „Der komische Zaun spielt eigentlich keine Rolle. Wir gehen in den Medien damit etwas ironisch um. Es ist scheußlich, ugly, aber nicht wirklich schlimm“, so der sh:z-Chefredakteur.

Jørgen Møllekær hob hervor, dass sich das deutsch-dänische Verhältnis in den vergangenen Jahren merklich entspannt und verbessert habe. Sein Großvater sei, nachdem er sich für die dänische Sache ausgesprochen hatte, im KZ Sachsenhausen gewesen und habe dies zum Glück überlebt. „Das Vertrauen in die Deutschen ist für meine Großeltern nie wieder hergestellt worden“, so Møllekær. Er selbst sei nach 27 Jahren in Dänemark wieder nach Südschleswig gekommen. „Man kann wirklich Unterschiede feststellen. Es ist sehr erfreulich“, sagte er.

In Südtirol ist alles anders

Sozusagen als „Gast“ in dieser deutsch-dänischen Runde nahm Hatto Schmidt, Redakteur bei der deutschsprachigen Zeitung „Dolomiten“ in Südtirol teil. Südtirol strebt Autonomie innerhalb des italienischen Staates an. „Dolomiten“ ist mit 43.000 Druckauflage die größte Zeitung Südtirols. Daneben gibt es die italienische „Alto Ardige“ (15.000 Auflage), die aber vor zwei Jahren von den „Dolomiten“ aufgekauft worden sei, so Schmidt. Beide Zeitungen existierten nebeneinander weiter.

„Es gibt in Südtirol immer noch einen ethnischen Gegensatz. Wir liegen im Vergleich zum deutsch-dänischen Grenzland eine ganze Phase zurück“, sagte der Redakteur auf die Frage, ob eine Zusammenarbeit über Grenzen auch in Südtirol denkbar sei. „Die italienischen Leser interessieren sich für ganz andere Themen als die deutschsprachigen. Die Probleme und Fragen in den italienisch geprägten Stadtteilen sind völlig andere als in den deutschen. Das interessiert auch unsere Leser nicht“, sagte Hatto Schmidt.

„Das muss euch aber interessieren. Man könnte an dem Punkt ansetzen“, warf Gwyn Nissen ein, und da gab Hatto Schmidt ihm ganz recht. Leider gebe es immer noch „Hitzköpfe“ unter den Bürgern, etwa wenn in den Almen die deutsche Bezeichnung auf Wander-Wegweisern ausgestrichen würde - „oder sie schreiben nur die deutsche Bezeichnung drauf“.

Jørgen Møllekær fragte den sh:z-Chefredakteur noch, warum es keine dänischsprachigen Artikel gebe, aber dieser wiegelte ab, dass dies „südlich des Kanals“ auf wenig Verständnis treffen würde. „Man kann es nicht beliebig ausdehnen, sonst wird es eine Volkshochschule. Man muss sehen: Was interessiert die Leute, für die man eine Zeitung macht“, so Kläsener.

Wer von den Jugendlichen liest Zeitung?

Nach der Podiumsdiskussion meldete sich noch ein Zuhörer aus der dänischen Minderheit zu Wort, der gestand, drei Zeitungen – „Tageblatt“, „Der Nordschleswiger“ und „Flensborg Avis“ – zu abonnieren. „Ich wollte eine abbestellen, aber es ging nicht. Alle drei berichten auf ihre ganz eigene Weise“, so der Gast.

Drei Gymnasial-Schulklassen der deutschen und dänischen Minderheit verfolgten die Konferenz, in deren erstem Teil Vertreter europäischer Medien über ihre Lage berichteten. Die Schüler stellten keine Fragen, wurden aber abschließend selbst gefragt, ob sie Zeitung lesen. Drei Hände gingen in die Höhe. „Liest denn jemand täglich Nachrichten auf irgendeine Weise“, fragte Gwyn Nissen. Hier meldeten sich wesentlich mehr Schüler. Gwyn Nissen betonte, dass die Online-Version des „Nordschleswigers“ bereits gratis ist, denn auf die dritte Frage – wer bezahlt etwas für online-Nachrichten – meldeten sich wieder nur zwei oder drei Schüler.

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