Leitartikel

„Quoten sind notwendig“

Quoten sind notwendig

Quoten sind notwendig

Kopenhagen
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Mit der Gleichstellung der Geschlechter geht es in Dänemark in vielen Bereichen nur schleppend voran. Daher müssen neue Maßnahmen her, und dazu gehören auch Frauenquoten, meint Walter Turnowsky.

In einer perfekten Welt braucht es keine Frauenquoten. Doch ist die Welt, was die Gleichstellung in Dänemark anbelangt, alles andere als perfekt.

Der durchschnittliche Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen im Alter zwischen 30 und 59 liegt laut Danmarks Statistik bei 18 Prozent. Der Unterschied im Geldbeutel von Akademikerinnen und Akademikern auf dem privaten Arbeitsmarkt ist sogar in den vergangenen Jahren gewachsen.

Weniger als ein Viertel der Professuren an den Universitäten und Hochschulen ist mit Frauen besetzt. In den Aufsichtsräten der 190 größten börsennotierten Gesellschaften sitzen 25 Prozent Frauen.

Die Beispiele, denn es sind nur Beispiele, belegen, dass in puncto Gleichstellung eine andere Gangart eingelegt werden muss, wollen wir nicht weitere Jahrzehnte darauf warten, dass Frauen den gleichen Lohn wie Männer erhalten, in gleichem Umfang führende Positionen in der Gesellschaft einnehmen.

Bislang hat man in Dänemark darauf gesetzt, dass sich das Problem mit ein wenig gutem Zureden mehr oder weniger von allein löst. Tut es aber ganz offensichtlich nicht.

Daher braucht es Mittel mit einem Element von Druck oder Zwang, die wir hierzulande normalerweise nicht so sehr lieben. Frauenquoten sind kein Zaubermittel, das von heute auf morgen zur totalen Gleichstellung führt. Aber sie können Mauern an (zum Teil unbewusster) Diskriminierung einreißen.

Norwegen hat 2006 per Gesetz bestimmt, dass in den Aufsichtsräten mindestens 40 Prozent von jedem biologischen Geschlecht vertreten sein müssen. Ein typischer Einwand gegen Frauenquoten ist, dass weniger qualifizierte Frauen Männern die Positionen wegnehmen würden.

Die norwegischen Erfahrungen belegen das Gegenteil: Die neuen weiblichen Aufsichtsratsmitglieder waren ebenso oder besser qualifiziert als ihre männlichen Vorgänger, zeigt eine Untersuchung der Handelshochschule in Oslo.

Nun will auch die EU diese 40-Prozent-Regel einführen. Bis vor Kurzem hatte sich die dänische Regierung dagegen gewehrt, dies umzusetzen. Doch im Februar schwenkte die neue Gleichstellungsministerin, Trine Bramsen (Soz.), um. Auch Deutschland und die Niederlande haben den Widerstand gegen die EU-Regel aufgegeben.

Bramsens Äußerungen führten zu den üblichen Einwänden: Diskriminierung, Entmündigung von Frauen, Rückschlag für die Gleichberechtigung – behaupteten Politiker (und einzelne Politikerinnen) des bürgerlichen Lagers. Nur, bessere Ideen haben sie auch keine.

Wem die Argumente der Politikerin Bramsen oder EU-Regeln nicht gefallen, könnte ja auf die Sydbank-Direktorin Karen Frøsig hören. Mehr als ein Jahrzehnt leitet sie die drittgrößte Bank des Landes. Zum Thema Gleichstellung hat sie sich nie geäußert – bis zum vergangenen Sommer. In einem Interview mit „Berlingske“ forderte sie Quoten für Vorstände und Aufsichtsräte.

Eigentlich sei sie gegen Quoten, müsse jedoch nach einem langen Arbeitsleben feststellen, dass sich nichts verändert habe. Auch andere Wirtschaftschefs – Frauen wie Männer – plädieren mittlerweile für Quoten.

Greifen wir nicht zu diesem Mittel, werden wir auch noch in 10 oder 20 Jahren am Internationalen Frauentag Leitartikel über die mangelnde Gleichstellung schreiben können. Führen wir sie ein, werden wir dagegen eines Tages tatsächlich auf die Quoten verzichten können.

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