Diese Woche in Kopenhagen

„Doktor Grenzstein rettet das Grenzland“

Doktor Grenzstein rettet das Grenzland

Doktor Grenzstein rettet das Grenzland

Kopenhagen/Nordschleswig
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Das Leben in Nord- und Südschleswig ist diese Woche wieder ein Stück komplizierter geworden. Wer kann da noch helfen, hat sich Walter Turnowsky überlegt und hat mithilfe von Kollegen Doktor Grenzstein erfunden.

In dieser Woche mussten wir uns in der Redaktion wieder einmal mit den Grenzregeln befassen. Was bedeuten die neuen Regeln genau? Welche Tests gelten in welcher Situation? Und wie sieht es eigentlich für Sommerhausbesitzer aus? Sind unsere Informationsartikel um sämtliche neue Regeln ergänzt worden?

Während eines solchen Online-Chats ließ Kollege Helge Möller die Bemerkung fallen, dass man allmählich zu dem Thema promovieren könne.  „Dr. Border“, lautete sein Vorschlag. Er meint dann sogar, dass es einen schönen Romantitel abgeben könnte: „Doc Border rettet das Grenzland“. 

Doch vielleicht ist es auch ein Comic, und in Wirklichkeit heißt er Doktor Grenzstein; schließlich ist er aus Nordschleswig.

Doktor Grenzstein ist schon lange bevor die Sonne aufgegangen ist mit seinem mit Wissen und Labortechnik schwer beladenen Fahrzeug irgendwo zwischen Bröns und Arrild unterwegs.

Doktor Grenzstein ist Tag und Nacht unterwegs. Foto: Stephan Nielsen

Er muss nämlich dringend zum Schnelltestzentrum in Handewitt. Dort wartetet ein Handwerker aus Süderbrarup schon seit Längerem vergeblich auf seinen Test. Doktor Grenzstein holt ihn aus der Schlange und führt schnell den Test durch. Er kann so etwas selbstverständlich, ganz ohne ein Wattestäbchen durch die Nase halbwegs ins Hirn schieben zu müssen. So kann der Handwerker dann doch rechtzeitig zur Arbeit auf der Baustelle in Bülderup-Bau erscheinen.

Nun tuckert Doktor Grenzstein in Richtung Langballigholz, während er darüber grübelt, was er im neunten Kapitel seiner 21. Doktorarbeit schreiben wird. In Langballigholz wartet schon sehnsüchtig eine Krankenschwester auf ihn. Ihr verabreicht er den von ihm selbst entwickelten Superimpfstoff, damit sie ohne Sorge ihrer Arbeit am Apenrader Krankenhaus nachgehen kann. 

Und schon knattert das Fahrzeug wieder die gewundenen Straßen entlang. Unterwegs erteilt Doktor Grenzstein gute Ratschläge. 

„Darf ich als leicht sehbehinderter, 43-jähriger Mann aus Mögeltondern meine 92-jährige verwitwete Oma in Altenholz, bei der ich im Alter von drei bis fünf Jahren gelebt habe, besuchen, wenn ich eine Infektion mit der B115-Variante überstanden habe“, will ein Anrufer wissen. 

Doktor Grenzstein legt die „Bekendtgørelse om krav om test og isolation efter indrejse i Danmark i forbindelse med håndtering af covid-19“ in die eigens dafür vorgesehene Halterung, damit er sie während der Fahrt sicher studieren kann. Er gleicht sie mit der schleswig-holsteinischen Landesverordnung ab. Dann greift er sich auch noch eine seiner eigenen Doktorarbeiten „The Situation of grandsons and -daughters living on the Westcoast of Southern Jutland during the Corona-Lockdown regarding visits of relatives in the eastern part of Schleswig-Holstein“. 

Nach einigem Grübeln kann er dann Auskunft geben. Ob der 43-Jährige unterwegs die 64-jährige Tante in Großenwiehe besuchen darf und nach der Rückkehr in Quarantäne muss, kann Doktor Grenzstein ebenfalls klären.

Bei besonders kniffeligen Fällen ruft er auch schon mal bei seinem alten Studienfreund Holger an. Denn gewisse Phänomene bei den Grenzregeln lassen sich bestenfalls noch mithilfe der Stringtheorie und Quantenmechanik erklären. 

Doktor Grenzstein lässt sich von den Beratungen nicht beim Fahren aufhalten, den er hat schon den nächsten Termin: Einer Frisörin in Tumböll muss er die schon längst überfälligen Corona-Hilfen bringen. 

Unterwegs nimmt er noch ein Palette Bier, eine mit Faxe Kondi und drei Kilo Matadormix von Calle mit. Eine Familie in Købingsmark würde sonst allzu trübselig ins Wochenende blicken. 

Das Hilfspaket ist in Tumböll abgegeben. Doktor Grenzstein und sein Fahrzeug sind von der vielen Fahrerei schon ein wenig müde, doch es nützt nichts. Denn in Emmerleff sitzt ein Jüngling, der es vor Sehnsucht nach seiner Liebsten südlich der Grenze schon fast nicht mehr aushält. Also: erneut grenzsteinpatentierter Schnelltest, Jüngling ins Auto zwischen zwei besonders tiefgründige Bücher gepackt, und ab geht es nach Braderup.

Kurzer Abschied mit dem glücklichen Paar, und schon geht es wieder nordwärts, wenn auch schon ein wenig schwerfällig. 

Der Mond lächelt schon auf ihn herab, als er bei Ruttebüll wieder die Grenze überquert (Doktor Grenzstein hat selbstverständlich durch das Studieren sämtlicher Verordnungen eine Möglichkeit gefunden, eine Generalerlaubnis zu erhalten, ohne Restriktionen über die Grenze hin- und herfahren zu können). 

Morgen muss Doktor Grenzstein jedoch schon wieder früh los, dann da muss er seine vielleicht wichtigste Aufgabe lösen: Er wird von Haustür zu Haustür fahren und kleine muntere selbst erfundene Geschichten erzählen. Denn die Menschen im Grenzland – und anderswo – brauchen ja jetzt den (Galgen-)Humor am allernötigsten, um die Pandemie und die Restriktionen weiter durchzustehen. 

Sein eigens dafür entwickelter Algorithmus hat errechnet, dass die erste Adresse, die er besuchen wird ein zwölfjähriges Zwillingspaar in Wilstrup ist, dem das Homeschooling schon schwer zu schaffen macht.

Bei allem Einsatz wird es Doktor Grenzstein jedoch an diesem Wochenende kaum schaffen, alle, die ein wenige Aufmunterung benötigen, zu besuchen.

Aber vielleicht hast ja du, liebe Leserin und lieber Leser, Lust, ihm ein wenig unter die Arme zu greifen. Lass doch einfach jemandem, den du kennst, etwas Munteres und Erheiterndes per Mail, Messenger oder Telefon zukommen.

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