Eigener Weg

Der nachdenkliche Krieger

Der nachdenliche Krieger

Der nachdenliche Krieger

Apenrade/Aabenraa
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Tommy Mørck hat früher das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig besucht (Archivfoto). Foto: Karin Riggelsen

Der Nordschleswiger Tommy Mørck hat einen starken inneren Trieb, konkret helfen zu wollen. Dieser hat ihn in den Krieg in Syrien geführt, und in Folge davon auch hinter Gitter gebracht.

Irgendwie sieht man Tommy Mørck die scheinbaren Widersprüche ein wenig an: Mal kommt er eher alternativ gekleidet daher, mal im Sakko. Seine Tätowierungen sprechen wiederum eine andere Sprache. Seine Stimme ist eher sanft und die Antworten durchdacht während er von Krieg spricht.

Für mich war es ein natürlicher Weg.

Tommy Mørck

Selbst sieht er nichts Widersprüchliches in seiner Reise von der Partei Die Alternativen zum Syrienkrieg, wo er gegen den Islamischen Staat (IS) gekämpft hat.

„Für mich war es ein natürlicher Weg“, sagt er heute. Ein Weg, der ihm auch ein Urteil nach der Terrorgesetzgebung eingebracht hat. Im März dieses Jahres wurde er aus dem Gefängnis entlassen.

Aufgewachsen ist Tommy Mørck in Krusau/Kruså, hat am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig sein Abitur gemacht, leistete sein Wehrdienst bei der Königlichen Leibgarde. Er verbrachte Jahre in Kopenhagen und im Ausland, zog danach nach Aarhus.

Wenn ich nichts tue, bekomme ich Stress und werde deprimiert.

Tommy Mørck

Er bekommt Stress, wenn er nichts tut

Doch irgendwie passt er nicht so recht in ein normales bürgerliches Leben hinein. Er hat einen inneren Trieb, dem er nicht entkommen kann.

„Ich habe einen ungewöhnlich starken Sinn für Gerechtigkeit und gleichzeitig starke Empathie. Wenn ich Ungerechtigkeit sehe, dann habe ich den Drang, etwas zu tun. Da habe ich keine andere Wahl. Ich denke dauernd daran, und es ist ein Gefühl, das mich nicht loslässt. Wenn ich nichts tue, bekomme ich Stress und werde deprimiert.“

Foto: Karin Riggelsen

Dieser Drang führte ihn zunächst zur neu gegründeten Partei Die Alternativen, wo er in Aarhus die Organisation leitet. Doch obwohl er die Ziele unterstützt, ist dort für Mørck zu viel Gerede und zu geringer Wille zum Handeln.

Flüchtlinge aus Syrien

Letztlich sind es dann die Bilder von syrischen Flüchtlingen, die im Mittelmeer ertrinken, die ihn nicht loslassen wollen. Die Gedanken an die verzweifelte Flucht vor dem IS und dem mangelnden Willen der europäischen Länder, die Flüchtlinge aufzunehmen, wollen ihn nicht loslassen. Er möchte helfen, und es soll konkret sein.

„Es ist mein eigenes Bedürfnis, etwas Konkretes zu tun, und in dem Sinne ist auch ein etwas egoistischer Drang.“

Nur in Dänemark zu helfen oder für Flüchtlingsorganisationen zu spenden ist für ihn nicht genug. So reift über neun Monate der Entschluss in ihm, in das kurdische Gebiet in Syrien zu reisen, um vor Ort zu helfen. Dass dies dazu führen sollte, dass Tommy Mørck zur Waffe greift, war ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst.

Tommy Mørck an der Front in Syrien. Seine Gruppe war zur Unterstützung einer anderen Gruppe in eine Ortschaft gefahren, da es Verdacht auf feindliche Aktivitäten gab. Ein schöner Tag, wo Mørck guter Laune war. Foto: Privatfoto/Tommy Mørck

„Da war noch nicht klar, dass ich der Miliz beitreten würde. Ich war an dem Punkt angekommen, wo ich in ein Gebiet reisen wollte, wo es gefährlich ist und wo Armut herrscht, um dort zu helfen.“

Die Leute vor Ort wissen ja am besten, wo ich am meisten helfen kann und wenn es in der Miliz ist, dann helfe ich in der Miliz.

Tommy Mørck

Bei der Miliz

Vom Irak aus möchte er nach Syrien einreisen, doch die Grenzen sind dicht. Einzige Möglichkeit ist, dass die kurdische Miliz YPG ihn ins Land schmuggelt. Und auch wenn ein Beitritt zur Miliz nicht in dem Sinn eine Bedingung ist, so wird es gerne gesehen, dass man mindestens ein halbes Jahr dabei ist.

„Die Leute vor Ort wissen ja am besten, wo ich am meisten helfen kann und wenn es in der Miliz ist, dann helfe ich in der Miliz“, beschreibt Mørck die Ankunft an diesem entscheidenden Punkt seiner äußeren wie inneren Reise. Wir schreiben Oktober 2016.

Im November 2016 startet die YPG eine Offensive gegen den IS bei Raka. Der IS wird nach Süden zurückgedrängt. Tommy Mørck ist bei dieser Offensive mit dabei. Nun nimmt er tatsächlich an Kriegshandlungen teil. Er beschreibt die Schritte dorthin als logisch.

Base von Mørck Gruppe in Ayn Issa. Auf dem Dach wurde jede Nacht Wache gehalten. Foto: Privatfoto/Tommy Mørck

„Die Umstände waren, wie sie waren. Und die Wirklichkeit dort war, wie sie war. Und ich befand mich dort, wo ich mich befand. So passte alles zusammen.“

Bereit zu töten

Wie reagiert man, wenn es richtig gefährlich wird? Und ist man bereit, jemandem das Leben zu nehmen? Am 1. Januar 2017 wird Tommy Mørck mit diesen Fragen konfrontiert. Seine Gruppe gerät in einen Hinterhalt und der Fahrer der Gruppe wird erschossen. Tommy Mørck ist hinter einer Mauer gefangen. Der tote Chauffeur liegt wenige Meter von ihm entfernt. Die Übrigen konnten sich weiter zurückziehen.

Ich bin absolut nicht gewillt, mein Leben zu opfern.

Tommy Mørck

„Es war das erste Mal, dass ich die Gefahr so richtig empfand, wohl weil es sich dieses Mal über längere Zeit abspielte.“

„Da wurde mir klar, ich bin absolut nicht gewillt, mein Leben zu opfern. Ich bin darauf eingestellt, es aufs Spiel zu setzen, aber ich bin in keiner Weise gewillt, es zu opfern. Ich werde es ihnen nicht erlauben, es mir zu nehmen, dachte ich. Den Willen zum Leben spürte ich in dem Moment sehr stark.“

Tommy Mørck schießt auf die Angreifer zurück.

„In genau dem Moment war ich auch bereit, ein Leben zu nehmen. Es passierte jedoch nicht. In dem Augenblick war ich dazu bereit, aber hätte ich nur einen Augenblick später die Möglichkeit dazu gehabt, wäre ich vielleicht nicht dazu bereit gewesen. Man weiß es ja nicht, bevor man nicht in der Situation gewesen ist, und die Situationen sind ja unterschiedlich.“

Für den großen Konflikt hat es nichts bedeutet, ob ich dort gewesen bin oder nicht.

Tommy Mørck

In dem Augenblick überlegt Tommy Mørck nach Hause zu reisen. Doch schnell kommt er zu dem Ergebnis, dass er die versprochenen sechs Monate bei der Miliz bleibt.

„Krieg ist lokal“

Es ist ihm bewusst, dass er das Kriegsgeschehen in Syrien in den sechs Monaten nur geringfügig beeinflusst hat.

„Für den großen Konflikt hat es nichts bedeutet, ob ich dort gewesen bin oder nicht. Lokal jedoch sieht das anders aus. Und man darf nicht vergessen, dass der einzelne Mensch einen Krieg immer lokal erlebt.“

„Wäre ich zum Beispiel an dem Tag, wo wir in den Hinterhalt geraten sind, nicht dort gewesen, hätte es anders ausgehen können.“

Nach einem Monat an der Front. Mørck meint selbst er sehe auf dem Foto erschöpft aus. Foto: Privatfoto/Tommy Mørck

Neben dem konkreten Einsatz, meint er, dass die bloße Anwesenheit ausländischer Kämpfer in der Miliz Bedeutung gehabt hat. Als mobile Einheit hat seine Gruppe zu vielen Menschen Kontakt.

„Für die Moral ist es wichtig, dass die Menschen dort erfahren, dass sie von der Welt nicht vollkommen vergessen worden sind“, so Mörcks Überlegung heute.

 Nach Terrorparagrafen verurteilt

Bei der Rückkehr nach Dänemark erwartet ihn die Polizei. Er wird nach einem Paragrafen, der Terror betrifft angeklagt und in Folge in drei Instanzen verurteilt. Sein Vergehen ist nicht, dass er in der YPG gekämpft hat, denn die Organisation wird weder von der EU noch den USA als Terrororganisation eingestuft.

Wenn ich etwas für richtig halte, es jedoch laut Gesetz falsch ist, dann tue ich es trotzdem.

Tommy Mørck

Verurteilt wird er, weil er sich zeitweise in einer Region in Syrien aufgehalten hat, wo der IS aktiv war und es daher verboten ist, sich in dieser Region aufzuhalten. Dafür musste er sechs Monate hinter Gitter.

Auch das ist er bereit, in Kauf zu nehmen. Und auch zukünftig ist nicht das Gesetz sein Leitfaden.

„Wenn ich etwas für richtig halte, es jedoch laut Gesetz falsch ist, dann tue ich es trotzdem.“

Ewiger Kämpfer

Aktuell hat Mørck keine Pläne, wieder nach Syrien zu reisen. Jetzt kämpft er in Dänemark unter anderem für die Anliegen der Kurden. Denn kämpfen wird er wohl immer, nicht weil er sich dafür entscheidet, sondern weil er nicht anders kann.

„Ich bin anscheinend bereit, so weit zu gehen, wie man nur gehen kann. Und daher bin ich bereit, meine Freiheit aufs Spiel zu setzen und sie auch eine Zeitlang zu verlieren. Wenn man so eine Entscheidung trifft und alles einsetzt, dann kann man auch viel leichter mit den Folgen leben, selbst wenn diese nicht besonders angenehm sind. Es war das Ganze wert.“

Ich bin der Überzeugung, dass wir alles aus egoistischen Gründen tun.

Tommy Mørck

„Es hat mir mehr Klarheit über mein Leben gegeben. Die Werte, die ich vertrete, die lebe ich auch.“

Egoismus und Hilfeleistung gehen Hand in Hand

So hat der Mann, der so gar nicht in das bürgerliche Leben passen wollte, zumindest für eine Zeit lang den Platz in der Gesellschaft gefunden, den er selbst als den richtigen empfindet.

Was die Frage aufwirft, ob er tatsächlich nach Syrien ging, um zu helfen, oder ob er es um seiner selbst willen tat.

„Es ist nicht entweder oder. Ich habe ein so großes Bedürfnis, anderen zu helfen, und dieses Bedürfnis treibt mich an.“

„Ich bin der Überzeugung, dass wir alles aus egoistischen Gründen tun. Selbstlosigkeit gibt es meiner Ansicht nach nicht.“

Tommy Mørck an einem schweren Maschinengewehr. Es war wesentliche Aufgabe seiner Gruppe mit dem Maschinengewehr andere zu unterstützen. Das Foto ist inszeniert, Mørck war nicht der Schütze der Gruppe. Foto: Privatfoto/Tommy Mørck

Er meint, dass viele Menschen ihre Bedürfnisse durch Alkohol, Spiel, Essen oder andere Aktivitäten unterdrücken.

„Ich versuche, direkt nach meinen Bedürfnissen zu leben. Mein Sinn für Gerechtigkeit ist so stark, dass ich es nicht lassen könnte.“

„Und da ist es mein Glück, dass es ein Bedürfnis ist, das, zumindest aus meiner Sicht, ein nützliches Bedürfnis ist.“

Und so beweist Tommy Mørck ein weiteres Mal, dass, was für andere einen Widerspruch darstellen mag, innerhalb seines Weltbilds vollkommen logisch vereinbar ist.

„Der Nordschleswiger“ har brereits 2017 ausführlich mit Tommy Mørck gesprochen. Diese Artikel finden sich in den folgenden Links:

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Leitartikel

Anna-Lena Holm
Anna-Lena Holm Hauptredaktion
„Vertrauenskrise in den Medien“