Filmpreis

Frelle Petersen will Gespräche über Trauer anregen

Frelle Petersen will Gespräche über Trauer anregen

Frelle Petersen will Gespräche über Trauer anregen

Kopenhagen
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Frelle Petersen will mit seinem Filmen nicht sämtliche Antworten liefern, sondern zum Denken und Fühlen anregen. Foto: Walter Turnowsky

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Der Film „Resten af livet“ hat Sonnabendabend die Chance, mehrere Robert-Preise zu gewinnen. „Der Nordschleswiger“ hat am Tag zuvor mit dem Apenrader Regisseur darüber gesprochen, wie er darauf kam, einen Film über das Trauern zu drehen.

Frelle Petersen hatte den Ort für das Interview selbst vorgeschlagen: das Buchcafé Paludan in der Kopenhagener Innenstadt. Die Stimmung gefalle ihm hier, erzählt er.

Sein Film „Resten af livet“ ist bei Kritikern wie Publikum gleichermaßen gut angekommen. Nun ist er auch in mehreren Kategorien für die beiden großen dänischen Filmpreise, Robert und Bodil, nominiert. Sonnabendabend weiß der Regisseur, wie es bei der Robert-Verleihung ausgegangen ist.

Besonders viel bedeuten ihm jedoch die positiven Rückmeldungen des Publikums: Er will zum Nachdenken anregen, interessante Unterhaltungen anstoßen.

Inspiration aus dem Alltag

Wie sein vorheriger Film „Onkel“, spielt auch „Resten af livet“ an der nordschleswigschen Westküste. Auch die Inspiration für das Thema des Filmes, die Trauer, hat er in Nordschleswig gefunden. Vielleicht bei dem Thema unmittelbar ein wenig überraschend geschah dies bei einem Fest.

„Bekannte, die ihren Sohn verloren hatten, kamen auf mich zu und sagten: Danke, dass du immer so offen bist, wenn du uns triffst und fragst, wie es uns geht. Du nennst unseren Sohn und erzählst von euren gemeinsamen Erlebnissen. Das begegnet uns nur selten. Im Gegenteil, viele Menschen sind sehr verschlossen“, berichtet er.

Verschiedene Formen der Trauer

Die Schilderungen, wie hart das gewesen sei, säten in ihm den ersten Keim für den Film. Er kam ein weiteres Mal auf die Familie zu.

„Ich sprach mit ihnen über die verschiedenen Arten zu trauern. Wie gedenkt man, wie viel gedenkt man und fällt es einigen schwerer zu gedenken als anderen?“, so der Regisseur.

Und genau das ist auch der Kern des Filmes. Während der Vater im Treibhaus einen Schrein für den Sohn einrichtet, versucht die Mutter, den Schmerz zu verdrängen.

Es geht um die Hinterbliebenen

Bis Frelle Petersen so weit war, das Drehbuch schreiben zu können, sollte jedoch noch geraume Zeit vergehen. Ein Jahr lang hat er für den Film recherchiert, hat mit weiteren Familien gesprochen, die ein Kind verloren haben.

„Es wird mir klar, dass es nie um die Todesursache geht, sondern um die Familie, die Hinterbliebenen und ihr Versuch, zu irgendeinem Zeitpunkt gemeinsam im Leben weiterzukommen. Das kann am Anfang sehr schwierig sein.“

Regisseur Frelle Petersen, Ladeninhaberin Kirsten Lützen und vom Schauspielerteam Jette Søndergaard, Mette Munk Plum, Ole Sørensen und Lasse Lorenzen (v. links), stellten sich während der Dreharbeiten der Presse am Drehort an der Tonderner Westerstraße. Foto: Jane Rahbek Ohlsen

Um diese Reaktionen der Hinterbliebenen geht es dem Regisseur und Drehbuchautor. Er beschreibt, wie die unterschiedliche Art zu trauern, droht die Familie zu zerreißen. Um die Aufmerksamkeit des Publikums darauf zu lenken, lässt er eine Frage unbeantwortet: Die Frage, wie der Sohn gestorben ist.

„Hätte ich einen Film über eine Familie gemacht, die ihren Sohn in einem Verkehrsunfall oder wegen einer Krebserkrankung verloren haben, würde ich die Familien, bei denen dies die Todesursache ihres Kindes war, hart treffen. Das wollte ich nicht, denn die Gefühle der Hinterbliebenen waren sich in allen Fällen sehr ähnlich.“

Die Frage nach der Todesursache wird Hinterbliebenen häufig gestellt. Die Gespräche hätten Petersen jedoch gezeigt, dass es für diese selten das Wichtigste ist.

„Ich wollte die Neugier des Publikums wecken, indem ich sage, darum geht es gar nicht, das ist hier nicht wichtig.“

Die Reaktion der Mutter

Für seine Recherche hat er sich auch mit Forschung über Trauer befasst, hat mit Krankenhauspastorinnen und -pastoren gesprochen. Dadurch wurde ihm noch deutlicher, dass Trauer sehr verschiedene Formen annehmen.

Das wird in der Figur der Mutter besonders deutlich. Ihr fällt es schwer, überhaupt über ihren Sohn zu sprechen. Der Vater und die Tochter können diese Reaktion nicht verstehen.  

Das Ungesagte

Bei der Schilderung dieser Familienbeziehung arbeitet Frelle Petersen nicht mit dem Vorschlaghammer, sondern mit dem zarten Pinsel. Vieles spart er bewusst aus, lässt die Stille sprechen. Nicht alle Fragen werden beantwortet.

„Das Ungesagte ist mir das Wichtigste bei einem Film. Wenn etwas nicht erzählt wird, muss das Publikum selbst etwas einbringen, ja investieren. So kann jeder seine eigenen Gefühle und Gedanken entwickeln. Dann ergeben sich auch nach dem Film viel leichter gute Gespräche.“

Publikum kommt zu eigenen Schlüssen

Frelle Petersen liebt es nämlich, bei Vorführungen dabei zu sein, um danach mit dem Publikum zu sprechen. Und seine Erfahrung ist, dass das mit den eigenen Gedanken und Gefühlen funktioniert: Die Reaktionen können sehr unterschiedlich ausfallen. Den einen geht es so wie dem Vater und der Tochter.

„Viele haben mir gesagt, dass sie den Vater und die Tochter in ‚Resten af livet‘ wirklich gut verstehen, aber es fällt mir schwer, die Mutter zu verstehen. Ich bin jedoch froh, dass keiner sagt, sie sei bösartig: Sie ist nicht die Schurkin im Film. Sie verstehen, dass es für sie ein anderer Trauerprozess ist.“

Ole Sørensen und Mette Munk Plum. Sie spielen den Vater und die Mutter. Foto: Jane Rahbek Ohlsen

Doch auch die entgegengesetzte Reaktion trifft er an.

„Andere widersprechen und sagen: Mir erging es genau umgekehrt. Ich habe die Mutter sehr gut verstanden und empfand es als hart, dass sie sie nicht verstehen und akzeptieren konnten.“

Auch viele Menschen, die selbst ein enges Familienmitglied verloren haben, haben auf den Film reagiert; haben berichtet, dass sie jetzt über ihre Trauer sprechen können. Angehörige haben Hinterbliebene angesprochen, ihnen sei klar geworden, dass sie nicht ausreichend für die Trauernden dagewesen seien.

„Das schätze ich an meiner Arbeit: Wenn ich die Menschen dazu bewegen kann, nachzudenken und ein Gespräch zu beginnen.“

 

 

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Leitartikel

Anna-Lena Holm
Anna-Lena Holm Hauptredaktion
„Vertrauenskrise in den Medien“