Leitartikel

„Wenn familienfreundliche Jobs die Gleichstellung bremsen“

Wenn familienfreundliche Jobs die Gleichstellung bremsen

Wenn familienfreundliche Jobs die Gleichstellung bremsen

Apenrade/Aabenraa
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Beim Streben nach Gleichstellung fehlt dem Arbeitsmarkt der Fokus auf den Mann, schreibt Marle Liebelt. Wenn die typischen Männerberufe nicht vaterfreundlicher werden, verstärkt das die klassischen Rollenbilder.

Derzeit sind die Verbände des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) dabei, Handlungspläne zur Gleichstellung in ihrem Betrieb auszuarbeiten und der AG Gleichstellung vorzulegen. 

Denn wie in der Gesellschaft insgesamt, ist auch beim BDN das Thema Gleichstellung ein Bereich, in dem es noch einiges aufzuholen gibt. Dabei geht es nicht nur darum, Frauen Chancen auf Führungspositionen zu geben, sondern die Arbeitsplätze sicher und familienfreundlich zu gestalten.

Seit Jahrzehnten kämpfen Frauen für gleiche Rechte auf dem Arbeitsmarkt, eine faire Bezahlung, Mitbestimmung oder Sicherheit am Arbeitsplatz. Und seit Jahrzehnten ist vieles davon erreicht: Sie haben dieselben Rechte wie Männer.

Aber dieselben Rechte sind eben nicht gleichbedeutend mit denselben Chancen. Es ist ein Dilemma. Der Arbeitsmarkt benötigt dringend Arbeitskräfte, und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zermartern sich den Kopf darüber, wie sie ihre Arbeitsplätze attraktiv für Frauen gestalten können.

Denkt an die Männer

Dabei wird einem wesentlichen Punkt jedoch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt: den männlichen Angestellten. 

Denn das große Gleichstellungsproblem des Arbeitsmarktes ist nicht die mangelnde berufliche Flexibilität für Frauen. Je mehr Frauen als potenzielle Arbeitskräfte gelten, umso mehr richten sich die Betriebe ohnehin nach ihren Bedürfnissen.  

Das Problem aber ist das starre Arbeitsmodell in den Unternehmen, in denen ihre Männer beschäftigt sind.

Dass Unternehmen reformiert werden, die die sogenannten typischen Frauenberufe anbieten, ist nur eine Seite der Medaille. Das alles nützt nichts, wenn die Jobs in den klassischen Männerberufen nicht mindestens genauso gut mit familiären Pflichten vereinbar sind. 

Gut vereinbar mit der Familie, schlecht vereinbar mit der Gleichstellung

Nicht etwa, weil diese Jobs so für viel mehr Frauen infrage kämen. Viel wichtiger ist ein anderer Punkt: Wenn Arbeitgebende ihren weiblichen Angestellten Flexibilität anbieten und ihre Jobs gut mit der Familie vereinbar sind, haben heterosexuelle Mütter nichts davon, solange der Vater in einem Unternehmen arbeitet, das den Mann regelrecht an den Bürostuhl oder die Werkbank kettet.

Was dann passieren wird, ist Folgendes: Da der Job der Mutter familienfreundlicher ist, wird sie zwangsläufig diejenige sein, die beruflich kürzertritt. 

Moderne Unternehmen dürfen ihren Fokus nicht nur auf Frauen legen, sondern müssen diesen genauso den Männern widmen. Sie müssen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen – vor allem, wenn sie kaum Frauen beschäftigen. Sie haben die Macht, einen enormen Beitrag zur Gleichstellung der Frau zu leisten, indem sie ihren männlichen Angestellten ein väterfreundliches Arbeitsumfeld anbieten. 

Längst sind es nicht mehr die Frauen und Männer, die an der klassischen Rollenverteilung festhalten. Väter möchten ihre Vaterrolle gleichberechtigt mit der Mutter wahrnehmen, und Mütter wollen genauso gleichberechtigt wie der Vater dem Beruf nachgehen. Aber die Strukturen zwingen sie in die klassische Rollenverteilung. Weil der Mann nun mal häufig mehr verdient, und weil er in einem Beruf arbeitet, der nicht väterfreundlich ist. 

Ohne die Wahrnehmung der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung sind alle Reformen in Berufen, die überwiegend Frauen rekrutieren, hinfällig. 

Vergebene Mühe

Der Job der Mutter kann noch so gut mit der Familie vereinbar sein. Davon hat sie nichts, wenn der Job des Vaters nicht mindestens genauso familienfreundlich ist – außer, dass sie die Möglichkeit hat, beruflich kürzerzutreten. Mal wieder.

Es ist fast tragisch und komisch zugleich: Die familienfreundlichen Berufe der Frauen würden sogar dazu führen, dass die klassischen Rollenbilder noch verstärkt würden, wenn die klassischen „Männerberufe“ nicht väterfreundlich sind. 

Mehr Gleichstellung am Arbeitsmarkt wird nur erreicht, wenn die männlichen Angestellten stärker in den Fokus rücken.

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