Leserbrief

„Apenrade fehlt der Wille zum Mut“

Apenrade fehlt der Wille zum Mut

Apenrade fehlt der Wille zum Mut

Paul Sehstedt
Apenrade/Aabenraa
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Paul Sehstedt nimmt sich die bauliche Gestaltung des Stadtbildes unter die Lupe und wundert sich über die Prognosen zum Bevölkerungszuwachs in der Kommune.

Innerhalb der kommenden zehn Jahre müssen in der Kommune Apenrade bis zu 4.000 Wohnungen gebaut werden, um einem rapiden Anstieg an Zuzüglern gerecht werden zu können. Attraktiver Wohnraum soll im Wettbewerb mit den Nachbarkommunen Sonderburg und Hadersleben der Köder sein, mit dem Neubürger angelockt werden sollen. So der Tenor der beiden Vertreter der Schleswigschen Partei im Stadtrat, Kurt Asmussen und Erwin Andresen während einem gemeinschaftlichen Frühschoppen der SP und dem BDN Apenrade.

Eine Prognose sagt den Wohnraummangel voraus. 4.000 Wohneinheiten entsprechen etwa 8.000 Personen, die sich innerhalb der kommenden Dekade in der neuntgrößten Kommune Dänemarks niederlassen werden. Dies lässt sich nur durch Einwanderung erreichen. Laut der statistischen Behörde Danmarks Statistik wanderten 2022 immerhin 1.124 Personen nach Apenrade ein; im Vorjahr lediglich  653. Der Krieg in der Ukraine ist vermutlich die Hauptursache für diesen rasanten Anstieg. Wären die Einwanderer nicht gekommen, sehe die Bilanz düster aus: 400 Menschen zog 2021 fort und im Jahr darauf 629. Damit sank die Bevölkerungszahl zwei Jahre nacheinander. Also müssen die Planer davon ausgehen, dass eine massive Einwanderung Beschlag auf den noch zu bauenden Wohnraum nehmen wird. Dieser kleine Ausflug in die Welt der Statistik wurde nicht während der besagten Veranstaltung vorgebracht.

Die Fördestadt hat nichts Attraktives zu bieten; sie ist von der Baumasse her pottlangweilig. Das liegt nicht an den Investoren, sondern am Stadtrat, der Verwaltung und jenen Bürgern, die von einer modernen Stadtbildgestaltung nichts wissen wollen. Oder wie Erwin Andresen deutlich sagte: „Will ein Bauherr zu hoch hinaus, werden wir das schon herunterdrücken!“, Wohlbetuchte wollen gern hoch hinaus und eine freie Aussicht genießen. Und solche Menschen haben ein solides Einkommen, das der Kommunekasse Steuereinnahmen beschert. Soll dieser Klientel angelockt werden, dann müssen Stockwerke her und nicht langweilige Allerweltsbauten wie jene, die für das Karree am Nordertor präsentiert wurden.

Als der Bauinvestor Horup vor einigen Monaten ein Hochhausprojekt statt seinem jetzigen Hotel Østersø vorschlug, entfachte dies ein Geschrei in den Medien und der gesamte Stadtrat war sich laut Erwin Andresen einig, dass so was unmöglich für Apenrade sei. Mit diesem provinziellen Miefklima werden bestimmt keine steuer trächtigen Bürger angelockt. Das Projekt hat sehr viel Potenzial, Apenrade eine Attraktion zu bescheren.

Auf dem Gelände nördlich des Straßenzuges Kilen sollen neben einem neuen Museum bis zu 600 Wohnungen entstehen und das in Nachbarschaft zu einem betriebsamen Industriehafen. Ich hoffe, die staatliche Planungsbehörde wird dieser Vision einen Riegel vorschieben. Das geplante Altenkollektiv konnte wegen der Hafennähe nicht dort gebaut werden. Eine vernünftige Entscheidung. Als bekannt wurde, dass die Kommune dem Hafen das Gelände abgekauft hatte und die Bebauungsvision publik wurde, erklärte ein erfahrener Häusermakler, der Bedarf für die 600 Wohnungen bestehe nicht. Das Gelände kann attraktiv genutzt werden, ohne dass der Hafenbetrieb beeinträchtigt wird: dort ist Platz für ein neues Museum, das gewünschte Gesundheitszentrum, das Musikhaus und eine neue Sønderjyllandshalle sowie die nötigen Parkplätze und Wege. Dort könnten sich Architekten austummeln und ein Ensemble zeichnen, das Touristen anlockt.

Ein weiterer Punkt ist das Nordertorviertel, das nach dem Abriss einiger Immobilien zurzeit als ein kleiner Stadtpark mit Kunstobjekten dient. Zwanzig Millionen hat die Kommunekasse dafür gezahlt und die Steuergelder sollen laut Erwin Andresen durch Neubauten wieder gedeckt werden. Inzwischen haben sich viele Bürger zu einer Initiative zusammengeschlossen, die für den Bestand des neuen Freiraumes eintritt. Obwohl ich den Standpunkt des Stadtrates aus wirtschaftlicher Sicht verstehe, wäre ein Skulpturenpark dort nicht fehl am Platze. Das wäre zumindest ein Positivum am Ende/Anfang der Fußgängerzone, an der 21 Geschäftsräume leer stehen.

Ich kann die Leser beruhigen: Der Stadtrat wird solche großen Linien verhindern zu wissen, da er einfach nicht über den Willen verfügt, Mut aufzubringen. Bausünden sind genügend begangen worden und die Posse um die Tele-Mauer bestätigt, wie wenig Interesse an einer progressiven Gestaltung des Stadtbildes besteht. Der Zukunftsplan 2035 ist nicht tiefgreifend genug, um Neubürger anzulocken. Er ist teilweise nur ein Abklatsch von Ideen, die bereits anderswo umgesetzt worden sind. Apenrade braucht Originalität.

Paul Sehstedt,
Reberbanen,
Apenrade

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