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„Katalanen in der EU: Spanischer Premierminister fordert Anerkennung von neuen Amtssprachen“

Spanischer Premierminister fordert Anerkennung von neuen Amtssprachen

Spanischer Premierminister will neue Amtssprachen anerkennen

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Barcelona
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Spanien will Katalanisch, Baskisch und Galicisch von der EU als neue Amtssprachen anerkennen lassen. Das ist eine Überraschung, meint Jan Diedrichsen. Denn dem spanischen Regierungschef Sánchez geht es dabei nicht um den Schutz von Regional- und Minderheitensprachen, sondern um Macht.

Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez hat die Europäische Union gebeten, Katalanisch, Baskisch und Galicisch zu neuen Amtssprachen zu machen. Auch im spanischen Parlament sollen bald andere Sprachen als das Kastilische erklingen. Es wäre eine kleine Revolution.

Aber mit einem Bekenntnis zur sprachlichen Vielfalt hat das reichlich wenig zu tun. Es geht um politische Macht. Und wenn es um Mehrheiten geht, ist in der Politik nahezu nichts unmöglich.

Was steckt dahinter?

Der Hintergrund für das sprachliche Revival: Bei den Parlamentswahlen im Juli 2023 kam es in Spanien zu einer Patt-Situation im Parlament, da weder der linke noch der rechte Block genügend Sitze erhielt, um allein eine Koalitionsregierung zu bilden. Wenn Sánchez zum Premierminister gewählt werden will, muss er Abgeordnete der separatistischen Parteien überzeugen, für ihn zu stimmen. Dies erklärt das ungewohnte Interesse des Ministerpräsidenten an der Förderung der Sprachenvielfalt Spaniens.

Die spanische Aufforderung an die EU zur Anerkennung von Katalanisch, Baskisch und Galicisch als neue Amtssprachen führte zur Wahl der engen Verbündeten von Sánchez und katalanisch sprechenden Francina Armengol zur neuen Parlamentspräsidentin. Sie wurde mit den Stimmen der katalanischen Abgeordneten gewählt.

Spanien hat derzeit die rotierende EU-Ratspräsidentschaft inne und muss nun die anderen 26 Mitgliedstaaten überzeugen, die drei Sprachen als offizielle EU-Sprachen anzuerkennen. Das bringt die europäische Ebene, vor allem den Europäischen Rat unter Zugzwang. Wie ernst meint man es mit der sprachlichen Vielfalt? Für jede Aufnahme in die Liste der Amtssprachen der EU ist Einstimmigkeit erforderlich.

Puigdemont reagiert aus dem Exil

Carles Puigdemont, der katalanische Separatistenführer und Europaabgeordnete, der in Belgien im Exil lebt und wegen seiner Rolle bei dem gescheiterten Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien 2017 vom Obersten Gerichtshof Spaniens gesucht wird (und kurzzeitig in Schleswig-Holstein in Untersuchungshaft saß) lobte den Schritt als „großartige Gelegenheit“ für Sánchez, Spaniens Einfluss in Europa zu demonstrieren.

Armengol kündigte ferner an, dass Baskisch, Katalanisch und Galicisch in Zukunft im spanischen Parlament erlaubt sein werden. Sie erklärte, die Verwendung dieser drei Sprachen sei „eine Tatsache der demokratischen Normalität“, da „das Parlament das wahre Spanien repräsentieren muss und eine der großen Stärken unseres Landes sind sprachliche Vielfalt und dessen Reichtum“. Sie bat jedoch um Geduld und „den Raum, um sich mit den Fraktionen zu besprechen, Vereinbarungen einzugehen und mit der Arbeit zu beginnen.“

Es sind die sieben Abgeordneten von Puigdemonts „Junts-Partei“, die den Schlüssel zu einer neuen Mehrheit für die Linkskoalition von Sánchez haben. Junts hat erklärt, man wolle eine Einigung über ein Unabhängigkeitsreferendum für Katalonien und eine Amnestie für Personen wie Carles Puigdemont, denen immer noch eine Strafe wegen des vor sechs Jahren abgehaltenen Unabhängigkeitsreferendums droht. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker sitzen noch in Haft.

Was bedeutet das für andere europäische Minderheitensprachen?

Ob durch den machtpolitisch geschuldeten spanischen Vorstoß ein Umdenken zur stärkeren Förderung der Regional- und Minderheitensprachen in Europa folgen wird, darf bezweifelt werden. Es lohnt sich am Ende dieser Kolumne dennoch, die Dimensionen aufzuzeigen, von denen wir sprechen:

Laut Angaben der EU gibt es neben den 24 Amtssprachen der Europäischen Union, mehr als 60 Regional- oder Minderheitensprachen, deren Sprecherzahl mit 40 Millionen Bürgern beziffert wird.

Zu den großen Sprachen ohne eigenen Nationalstaat zählen in der EU die Katalanen und Okzitaner mit jeweils rund 6 Millionen Menschen. Diese Sprachen haben damit mehr Angehörige als die nordischen Muttersprachlerinnen der Finnen (5 Millionen), Dänen (ca. 5,3 Millionen) und Norweger (ca. 4,3 Millionen).

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