Minderheiten in Europa

Puigdemont hinter dänisch-deutscher Grenze festgesetzt – Diedrichsen: Auslieferung wäre „katastrophal“

Puigdemont hinter dänisch-deutscher Grenze festgesetzt – Diedrichsen: Auslieferung wäre „katastrophal“

Puigdemont hinter dänisch-deutscher Grenze festgesetzt – Diedrichsen: Auslieferung wäre „katastrophal“

Cornelius von Tiedemann/shz.de/Tobias Fligge/dpa
Kiel/Flensburg/Apenrade
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Carles Puigdemont am Donnerstag in Helsinki. Foto: Scanpix

Der katalanische Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont ist am Sonntagvormittag bei der Einreise von Dänemark nach Deutschland festgesetzt worden. Vermutlich am Montag wird über die Auslieferung entschieden. Jan Diedrichsen fordert die EU dazu auf, „endlich als Vermittler“ aufzutreten.

Kurz hinter der Grenze erfolgte auf der A7 in Richtung Süden der Zugriff: Der ehemalige katalanische Separatisten-Chef Carles Puigdemont ist am Sonntag in Schleswig-Holstein festgenommen worden. Das bestätigte das Landespolizeiamt in Kiel auf Nachfrage von shz.de. „Herr Puigdemont wurde um 11.19 Uhr durch Einsatzkräfte in Schleswig-Holstein in der Nähe der Bundesautobahn 7 festgenommen“, sagte Polizeisprecher Torge Stelck. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurde Puigdemont in die Justizvollzugsanstalt Neumünster gebracht. Ein dunkler Kleintransporter mit abgedunkelten Scheiben fuhr am Sonntag kurz nach 15 Uhr auf das dortige Gelände.
 
 
Der ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont wird in einem Kleinbus der Polizei mit abgedunkelten Scheiben in die JVA Neumünster gefahren. Foto: dpa

Staatsanwalt: Entscheidung über Auslieferungshaft am Montag

Die zuständige Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig hatte zuvor den Fall übernommen. „Wir stehen ganz am Anfang der Prüfung“, sagte der leitende Oberstaatsanwalt,  Vize-Generalstaatsanwalt Ralph Döpper.  Er machte auf Nachfrage keine Angaben dazu, wie genau es zur Festnahme durch Einsatzkräfte der Autobahnpolizei kam und wo genau sich der Politiker am Sonntagnachmittag aufhielt, er sagte dazu lediglich: „Wir hatten nur die Erkenntnisse, dass er sich in Deutschland aufhalten soll, beziehungsweise einreist.“

Am späten Nachmittag dann präzisierte Döpper seine Ausführungen in einem Schreiben an die Presse: „Herr Puigdemont befindet sich derzeit im behördlichen Gewahrsam. Er wird am morgigen Tag zwecks Erlass einer gerichtlichen Festhalteanordnung dem zuständigen Amtsgericht vorgeführt. Diese Vorführung dient allein der Überprüfung der Identität des Festgenommenen“, so der  leitende Oberstaatsanwalt.

„Über die Frage, ob Herr Puigdemont ggf. in Auslieferungshaft zu nehmen ist, hat dann das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in Schleswig zu befinden. Dieses prüft anhand der vom Königreich Spanien vorzulegenden Unterlagen, aus denen sich der Grund für die Auslieferung ergeben muss, anschließend ggf. auch, ob eine Übergabe von Herrn Puigdemont an die spanischen Behörden rechtlich zulässig ist. Sollten rechtliche Hindernisse eine Auslieferung nicht im Wege stehen, befindet über deren Durchführung abschließend die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig“, so Döpper weiter.

Jan Diedrichsen Foto: Cornelius von Tiedemann

Jan Diedrichsen: Auslieferung an Spanien wäre ein „katastrophaler Fehler“

„Die Auslieferung von Carles Puigdemont von Schleswig-Holstein nach Spanien wäre ein katastrophaler Fehler.  Puigdemont muss umgehend freigelassen werden und die EU endlich als Vermittler zwischen Spanien und Katalonien in Aktion treten“, sagte der Vorsitzende der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), der aus Nordschleswig stammende Jan Diedrichsen, unterdessen nordschleswiger.dk. 

„Es geht derzeit nicht um die Frage, ob man die Unabhängigkeitsbewegung von Katalonien für gut oder schlecht hält, oder ob Pudigmont einem sympathisch ist oder nicht. Es droht gerade ein rechtmäßig gewählter katalanischer Regional-Politiker aus Schleswig-Holstein abgeschoben zu werden, dem wegen angeblicher Rebellion bis zu 30 Jahren Gefängnis in Spanien drohen. Ein faires Verfahren hat er in Spanien nicht zu erwarten“, so Diedrichsen.

 

Schleswig-Holsteins Innenminister dankt den Sicherheitskräften

Der schleswig-holsteinische Innenminister Hans-Joachim Grote, (CDU), kommentierte die Festnahme am Sonntagnachmittag unterdessen wie folgt: „Die Landespolizei Schleswig-Holstein hat heute den katalanischen Ex-Regionalpräsident  Carles Puigdemont in Umsetzung eines Europäischen Haftbefehls festgenommen. Die Festnahme erfolgte aufgrund einer durch das Bundeskriminalamt übermittelten Fahndungsausschreibung der spanischen Behörden. Ich danke allen beteiligten  Sicherheitskräften für ihre Arbeit. Sie sind ihrer Aufgabe in vorbildlicher Weise nachgekommen. Das weitere Verfahren liegt nun in den Händen der Staatsanwaltschaft“, so Grote in einer Pressemitteilung.

El País: Puigdemont bei Schuby festgenommen

Die spanische Tageszeitung El País berichtet, dass der Politiker in der Nähe der Gemeinde Schuby (Kreis Schleswig-Flensburg) festgenommen wurde. Offiziell bestätigt ist das nicht, aber am dortigen Autobahnrevier befinden sich derzeit deutlich mehr Einsatzfahrzeuge der Polizei als normal. Auch Fahrzeuge des Landeskriminalamtes Kiel (LKA) sind vor Ort. Am frühen Sonntagnachmittag wurde eine Person abgeschirmt in einen Kleinbus der Polizei geleitet, der sich dann mit hoher Geschwindigkeit und unbekanntem Ziel vom Revier entfernte. Ob es sich dabei um Carles Puigdemont handelt, ist bislang nicht bestätigt.

Puigdemont wurde nach Angaben seiner Pressestelle korrekt behandelt. Von dort hieß es, er befinde sich in einer Polizeistation. Er soll in einem Renault Espace mit vier weiteren Personen, deren Identität bislang unbekannt ist, in Richtung Hamburg unterwegs gewesen sein, um von dort aus weiter nach Belgien zu fahren.

Puigdemonts Anwalt Jaume Alonso-Cuevillas hatte die Festnahme in Deutschland zuvor auf Twitter mitgeteilt.

Der Tweet des Anwalts:

Ankunft in der Justizvollzugsanstalt Neumünster am Sonntag. Foto: Ritzau Scanpix

Auf dem Rückweg aus Finnland

Carles Puigdemont befand sich zuvor in Finnland und war am Sonntag auf dem Rückweg in Richtung Belgien. In Finnland war er unter anderem für einen Vortrag an der Universität von Helsinki. Seit der internationale Haftbefehl am Freitag erlassen wurde, war sein Aufenthaltsort unbekannt. Die finnischen Behörden suchten erfolglos nach dem prominenten katalanischen Separatisten.

Wie El País weiter berichtet, sollen spanische Nachrichtendienste die Finnland-Reise Puigdemonts beobachtet und die „hervorragende Zusammenarbeit“ mit den deutschen Behörden in dieser Angelegenheit hervorgehoben haben.

Der Oberste Gerichtshof Spaniens hatte am Freitag Strafverfahren gegen Puigdemont, Turull und weitere elf Regionalpolitiker eröffnet. Gegen sieben ins Ausland ausgewichene Separatisten, darunter Puigdemont, wurden neue Haftbefehle erlassen. Ihnen drohen bis zu 30 Jahre Haft. In Barcelona hielt Parlamentspräsident Roger Torrent trotz der Forderung Madrids nach einer Aussetzung an der Wahl zum Regionalpräsidenten fest. „Ich werde nicht ruhen, bis ich euch in Freiheit sehe“, sagte er an seine inhaftierten Kollegen gerichtet.

Im ersten Wahlgang hatte Turull aufgrund der inneren Spaltung der Unabhängigkeitsbefürworter die erforderliche absolute Mehrheit verfehlt. Der Oberste Gerichtshof Spaniens kam mit der Anordnung auf Untersuchungshaft für Turull einem zweiten Wahlgang zuvor. Der Politiker fehlte damit am Samstag im Parlament in Barcelona. Das Verfassungsgericht hatte zuvor entschieden, dass ein Kandidat im Parlament anwesend sein muss, um sich ins Amt wählen zu lassen.

Der belgische Anwalt des ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont hat nach eigenen Angaben bis Samstagabend noch keinen neuen internationalen Haftbefehl aus Spanien für seinen Mandanten gesehen. Gleichzeitig betonte Anwalt Paul Bekaert im Gespräch mit der belgischen Nachrichtenagentur Belga: „Die Ausstellung eines neuen europäischen Haftbefehls wäre missbräuchlich und illegal.“ Puigdemont lebt seit Monaten wegen des Konflikts um die katalanische Unabhängigkeit in Belgien im Exil.

 

Tweet des Vizepräsidenent des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Rasmus Andresen:

Tweet vom Bundesvorsitzenden der Linken, Bernd Riexinger:

Tweet von der Landespolizei Schleswig-Holstein:

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