Legalisierung

Polizei in Schleswig-Holstein ist nicht auf neues Cannabis-Gesetz vorbereitet

Polizei in Schleswig-Holstein ist nicht auf neues Cannabis-Gesetz vorbereitet

Polizei in SH nicht auf Cannabis-Gesetz vorbereitet

Eckard Gehm/shz.de
Kiel
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Kiffen ist jetzt legal, Regeln gibt es natürlich trotzdem. Nur wie werden sie kontrolliert? Foto: IMAGO/Frank Hoermann/Sven Simon/shz.de

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Kiffen ist vom 1. April an für Erwachsene in Deutschland legal, Regeln gibt es trotzdem. Nur wie werden sie künftig in Schleswig-Holstein kontrolliert? Das kann die Polizei noch nicht beantworten.

Sind es mehr als 100 Meter Abstand zum Spielplatz, in denen der Joint geraucht wird? Und sind das auch wirklich weniger als 25 Gramm in dem Tütchen? Mit dem neuen Cannabis-Gesetz in Deutschland dürfte es künftig zu etlichen Konfliktsituationen zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Ordnungshütenden kommen.

Wie bereitet sich die Polizei darauf vor? Gibt es künftig eine Feinwaage im Streifenwagen und eine Karte mit den Verbotszonen? „Konkrete Maßnahmen sind erst in der Ausarbeitung“, erklärt Jan Winkler, Sprecher im Landespolizeiamt. Wie bei anderen Bundesgesetzen üblich, erfolge die Umsetzung ressortübergreifend, involviert seien das Innen-, Justiz-, Gesundheits-, Landwirtschafts- und Sozialministerium.

„Regularien, die nicht sinnhaft zu kontrollieren sind“

Sehr viel konkreter wird die Gewerkschaft der Polizei (GdP): Der Landesvorsitzende Torsten Jäger sagt: „Der Gesetzgeber hat Regularien geschaffen, die nicht sinnhaft zu kontrollieren sind, weshalb quasi ein rechtsfreier Raum entsteht.“

Jäger erklärt, es werde keine Polizistin und kein Polizist auf Streife gehen, um die Cannabispflanzen auf Balkonen zu zählen oder Menschen auf dem Weg zum Park zu kontrollieren, weil sie möglicherweise mehr als 25 Gramm dabei haben könnten. 

„Gleichwohl muss sich die Landespolizei überlegen, wie sie kontrollieren will, denn die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten zählt zu ihren Aufgaben.“

Innenministerin: Polizei muss intensiver vor Ort sein

Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) geht davon aus, dass die Polizei durch das neue Gesetz keinesfalls entlastet werden wird, sagt: „Ganz im Gegenteil. Die Kontrollen müssen aufrechterhalten werden, denn es wird weiterhin einen Schwarzmarkt geben.“ 

Vor Schulen und Jugendeinrichtungen werde die Polizei sogar noch intensiver vor Ort sein müssen.

Schwarzmarkt mit Finanz-Vorteil

Sütterlin-Waack positioniert sich damit auch klar gegen die Hoffnung der Ampel, durch den privaten Eigenanbau und die geplanten Anbauvereine könnte der illegale Handel ausgetrocknet werden. Diese Sichtweise teilt die Polizei. Winkler: „Wir gehen nicht davon aus, dass die organisierte Kriminalität durch eine Legalisierung von Cannabis vom Markt gedrängt wird.“ Grund sei, dass sich illegale Anbieter nicht an die strengen gesetzlichen Vorgaben für Produktion, Kontrolle und Verkauf halten müssten. „Deshalb können sie günstiger verkaufen und zusätzlich Käufer erreichen, die nicht von einer kontrollierten Freigabe profitieren.“ Gemeint sind damit Jugendliche.

GdP-Landeschef Jäger geht zudem davon aus, dass die durch die Freigabe ein Konsumanreiz entstehe, also mehr Menschen zumindest Joints einmal probieren würden. Die Nachfrage dürfte dann zunächst die organisierte Kriminalität bedienen. Jäger: „Später wird tatsächlich entscheidend sein, wer Cannabis günstiger anbieten kann.“

Der Konsument steht nicht im Fokus der Polizei

Das Landespolizeiamt betont, bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität konzentriere man sich auf Handel, Schmuggel und die Herstellung, insbesondere durch kriminelle Banden. „Der einzelne Konsument, der Cannabis in geringen Mengen lediglich zum Eigenverbrauch erwirbt oder besitzt, steht nicht im Fokus der Strafverfolgung“, so Winkler. Kontrollen werde es aber geben.

Jäger kritisiert: Selbst wenn jemand weniger als 25 Gramm bei sich habe, also das Gesetz einhalte, blieben wichtige Fragen offen. „Woher will man wissen, ob das Cannabis legal oder illegal erworben wurde?“ Auch der THC-Gehalt, bei den geplanten Anbauvereinigungen ist ein maximaler Wert von zehn Prozent erlaubt, ließe sich nur mit „riesigem Aufwand“ bestimmen.

Regierung will Gesetz evaluieren

Hoffnung setzt die GdP auf die Evaluation des Gesetzes, die mit Blick auf den Kinder- und Jugendschutz bereits nach 18 Monaten erfolgen soll. Ein umfassenderer Blick auf die Auswirkungen, unter anderem auf den Straßenverkehr und die organisierte Kriminalität, soll nach zwei Jahren vorliegen. Jäger: „Anpassungen sind also noch möglich.“

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