SEK-EINSATZ

Betroffene erzählen: „Ich hatte Angst um mein Leben“

Betroffene erzählen: „Ich hatte Angst um mein Leben“

Betroffene erzählen: „Ich hatte Angst um mein Leben“

Constanze Emde,shz.de
Malente
Zuletzt aktualisiert um:
Dieses Haus hat Gino H. von Henning B. gekauft. Der Mercedes, mit dem er durch Malente raste, steht noch vor der Tür. Foto: Daniel Friedrichs

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Nach der wilden Raserei und dem anschließenden Großeinsatz in Malente am Kellersee berichten nun Augenzeugen und Nachbarn, wie sie die Vorfälle erlebten. Gino H. war erst vor kurzem aus der Psychiatrie entlassen worden.

Es war der Schock seines Lebens: Daniel S. (31) konnte sich und seinen Hund nur mit einem Hechtsprung in den Graben retten, sonst wäre er wohl vom SUV erfasst worden, den Gino H. (37) Montagvormittag mit mehr als 100 Stundenkilometern durch Malente steuerte. 

 

 

 

„Ich habe den Fahrtwind gespürt und den Schotter, den die Reifen aufwühlten. Wäre ich nicht gesprungen, wäre ich jetzt tot“, sagt der 31-jährige Malenter. Er unterhielt sich gerade über die Hundeausbildung mit einem Pärchen, als die drei den Wagen auf sich zuschießen sahen. „Wenige Meter vor uns zog er das Lenkrad rum und steuerte direkt auf uns zu. Er lächelte uns kalt an. Diesen Blick werde ich nie vergessen“, sagt Daniel S..

Passanten sprangen in den Graben und hinter einen Baum

Das Paar habe sich durch den Sprung hinter einen Baum und das Verkehrsschild „Jugendherberge“ retten können und habe danach genauso unter Schock gestanden wie er selbst. „Mein Hund und ich zittern noch immer. Meine komplette Seite ist aufgeschürft, meine Sachen sind kaputt“, sagt Daniel H. Eigentlich wollte er seinen Hund Dienstag zu einer wichtigen Prüfung führen, der Kangal-Hirtenhund ist ausgebildeter Therapiehund: „Aber das kann ich vergessen, der ist traumatisiert. Und ich bin auch völlig durch. So muss ich zu keiner Prüfung fahren.“ 

Der Mercedes SUV raste mehrmals hin und her

Daniel S. war der schwarze Mercedes SUV schon zu Beginn seines Spazierganges aufgefallen. Mit quietschenden Reifen sei er angefahren und in Richtung Ortsmitte gerast. Der Fahrer habe ihm dem Mittelfinger gezeigt. Danach sei er erneut einmal an ihm und dem Pärchen vorbeigefahren, habe gedreht und dann auf die drei zugesteuert. „Ich mag mir gar nicht vorstellen, was da hätte passieren können, wenn die Kita aufgehabt hätte. Der hat Menschen gesucht, die er überfahren kann“, schildert Daniel S. "Ich bin einfach nur fassungslos, wer diesen Menschen wieder raus gelassen hat." 

Hausmeister hat Angst um sein Leben

Was Daniel S. damit meint: Gino H. hat nicht nur ihn in Angst und Schrecken versetzt. Der alleinerziehende Vater und Jäger hatte zuvor seine direkten Nachbarn auch mit dem Tod bedroht. Mehrfach soll er mit seinem Jagdgewehr durchs Fenster auf Henning B. und seinen Hausmeister gezielt haben. 

In die Gebäude von Henning B. ist er zweimal eingebrochen, hatte ein Ferienhaus komplett mit Farbe verwüstet, die Schlösser alle mit Sekundenkleber verschlossen und den Hausmeister sogar mit Kaninchenkot beworfen. Mehrere Verfahren haben die Betroffenen zur Anzeige gebracht, die Verhandlungen gewonnen. Doch das stoppte Gino H. offenbar nicht. 

Opfer fühlten sich nicht ernst genommen

„Dieser Mann hatte zwei Gesichter. Wir haben die Polizei gerufen nach Bedrohungen und wüsten Beschimpfungen. Sobald die Beamten da waren, switchte er und war freundlich und zuvorkommend. Irgendwann bekamen wir dann zu hören, dass wir die Polizei mit unseren Nachbarschaftsstreitigkeiten in Ruhe lassen sollten, das sei Kinderkram. Das ist wirklich hart, wenn man solche Angst hat und ständig bedroht wird“, sagt die Frau des Hausmeisters. Beide, Eigentümer und Hausmeister, gingen aus Angst nicht mehr ohne Zeugen aufs Gelände. „Dann hat er sich meistens zusammen gerissen“, sagt die 36-Jährige.

Kameras wurden installiert, nachdem der Terror anfing

Eine andere Malenterin beschreibt Gino H. als Mann, der mit dem Skateboard vor seinem Haus in der Kellerseestraße umherfuhr und böse Selbstgespräche führte. Sie hatte ihn Freitag gesehen und sich gewundert, dass Gino H. nach der Einweisung Ende April, als er das zweite Mal in ein Haus der Nachbarn eingestiegen war, schon wieder entlassen worden war. 

Eigentümer Henning B. hatte nach dem anfänglichen Terror mit Gino H. Kameras an seinem Gebäude installiert und Gino H. gefilmt, wie er zielstrebig aufs Gartentor zugeht, es mit einem High-kick öffnet und mit Rucksack zum Haus marschiert. „Als die Polizei da war, lief er plötzlich ganz unsicher wankend mit heruntergelassener Hose zurück und redet von Juden und alten Römern, zu denen er zurückwolle“, berichtet der Eigentümer. 

Er beschreibt Gino H. als einen Menschen mit zwei Gesichtern. Henning B. hatte 2015 das Vorderhaus an Gino H. verkauft. Schon bald darauf begann es laut Henning B. zu Übergriffen und Morddrohungen. Er hofft jetzt, dass die Gerichte genau hinschauen: „Wir wollen endlich ernst genommen werden.“

 

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