Klimapolitik

Müllverbrennung: Deshalb gilt das geplante Gesetz schon jetzt als überholt

Müllverbrennung: Deshalb gilt das geplante Gesetz schon jetzt als überholt

Müllverbrennung: Deshalb steht das neue Gesetz in der Kritik

cvt/Ritzau
Kopenhagen
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Die Müllverbrennungsanlage auf Amager (Kopenhagen). Sie ist eine von vielen, die nach Wunsch der Regierung als Privatunternehmen ums Überleben wird kämpfen müssen (Archivfoto). Foto: Linda Kastrup/Ritzau Scanpix

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Im Namen des Klimas soll in Dänemark weniger Abfall verbrannt werden. Doch das bereits 2020 beschlossene Maßnahmenpaket könnte ungewollte Folgen auf Kosten der Umwelt und der Kommunen haben, mahnen Parteien links und rechts der Mitte. Die Regierung hält dennoch daran fest. Ein Überblick, Punkt für Punkt.

Es wurde als großer Wurf für den Klimaschutz verkauft, als sich 2020 eine Mehrheit im Folketing darauf einigte, dass Dänemarks Haushalte nicht nur noch besser darin werden müssen, Müll zu sortieren, sondern dass auch weniger Müll verbrannt werden soll. 

In den kommenden Tagen soll das Vorhaben im Folketing endgültig verabschiedet werden. Doch nicht nur die Regierung hat sich seither erweitert (um zwei Parteien) – sondern auch das Wissen um die möglichen Folgen der Maßnahmen.

Der Plan wird teils scharf kritisiert, einerseits, weil er Umwelt und Klima nicht wie gewünscht entlasten soll – und andererseits, weil er viele Kommunen viel Geld kosten könnte.

Ein Überblick über die wichtigsten Fragen zum Thema.

Das Sonderburger Wärmewerk. Hier werden pro Jahr 55.000 Tonnen Abfall verbrannt – 8 Tonnen pro Stunde können in Spitzenzeiten verfeuert werden (Archivfoto). Foto: Sara Eskildsen

Weshalb ist der Müll aktuell ein politisches Thema?

  • Es gibt viel Müll, der nicht wiederverwertet werden kann. Stattdessen wird er in Energie umgewandelt. Dies erzeugt jedoch CO₂-Emissionen. Diese sollen reduziert werden.


Wenngleich sich Dänemark damit brüstet, beim Thema Abfallsortierung sehr weit zu sein, landet längst nicht aller Müll in den dafür vorgesehenen Tonnen. Zudem gibt es viel Abfall (Restmüll), der nicht recycelt werden kann.

Deshalb wird Restmüll verbrannt, damit er, anstatt gelagert zu werden, als Energiequelle für Strom oder Fernwärme genutzt werden kann. Dadurch werden Brennstoffe wie Gas oder Öl eingespart.

Dennoch werden dabei Treibhausgase freigesetzt, und in Dänemark ist die Kapazität an Müllverbrennungsanlagen derart groß, dass bereits viel Abfall aus dem Ausland eingekauft wird, um die Anlagen auszulasten.

Das neue Gesetz soll die Zahl der Anlagen reduzieren, damit weniger verbrannt wird und weniger Treibhausgase ausgestoßen werden.

Das soll dadurch erreicht werden, dass der Sektor liberalisiert wird. Das bedeutet, dass die Müllverbrennungsanlagen nicht mehr von den Kommunen betrieben, sondern in Privatunternehmen umgewandelt werden.

Der Müll aus den Kommunen soll dann ausgeschrieben werden und die Anlagen sollen um die Aufträge konkurrieren. Einige der Betriebe werden dann laut Plan verlieren und schließen müssen.

Zusätzlich soll durch effizientere Müllsortierung weniger Restmüll entstehen.


Welche Kritik gibt es an dem Modell?

  • Möglicherweise schließen gar nicht viele Müllverbrennungsanlagen, weil sie sich den Müll statt aus Dänemark aus dem Ausland besorgen. Außerdem ist nicht garantiert, dass die Energie, die bisher durch sie hergestellt wurde, dann anderswo klimafreundlicher erzeugt wird.

Wenn Anlagen schließen und weniger Abfall verbrannt wird, soll dies laut Berechnungen der Regierung im Jahr 2030 dazu führen, dass 600.000 Tonnen weniger CO₂ in Dänemark ausgestoßen werden.

Doch die Rechnung gehe nicht auf, sagen sowohl der von der Regierung bestellte Klimarat als auch die Klima-Denkfabrik Concito.

„Es ist nicht gesagt, dass kurzfristig Anlagen schließen und wenn sie es tun, dass dies dann durch andere grüne Energie ersetzt wird“, sagt Concito-Analytiker Tobias Sørensen.

Das hat damit zu tun, dass die Müllverbrennungsanlagen nicht auf Müll aus Dänemark angewiesen sind. Sie können sich den Abfall auch aus dem Ausland besorgen. Und genau damit rechnet der Verband der Entsorgungsbranche in Dänemark, Dansk Affaldsforening.

„Sie werden versuchen, so viel Müll wie möglich zu verarbeiten, denn so können sie Geld verdienen“, sagt deren Politikchef Jens Bomann Christensen.

Dänemark würde dann also weiterhin Müll verbrennen. Doch ist dies klimapolitisch sinnvoll?

„Solange es Müll ist, der im Ausland nicht besser genutzt werden könnte, ergibt es in Bezug auf die Klimabilanz Sinn, dass wir unsere Kapazitäten (bei den Müllverbrennungsanlagen, Red.) ausnutzen“, sagt Sørensen.

Wenn jedoch Anlagen in Dänemark schließen, würde das vielleicht zu weniger Ausstoß in Dänemark führen – aber global gesehen nicht.


Welche Folgen kann es haben, wenn die Anlagen schließen?

  • Möglicherweise fällt die Klimabilanz nicht so positiv aus, wie von der Regierung berechnet. Und: Wenn Müllverbrennungsanlagen privatisiert werden und schließen müssen, könnte dies die Bürgerinnen und Bürger teuer zu stehen kommen.

Neben den möglichen Folgen für die Klimabilanz geht es auch um viel Geld.

Der Verband der Kommunen, denen viele der Anlagen gehören, befürchtet, dass sie es am Ende sein werden, die die Rechnungen bezahlen müssen, wenn die zunächst privatisierten Anlagen schließlich abgewickelt werden müssen. Mit bis zu drei Milliarden Kronen rechnen die 98 Kommunen insgesamt.

Das Geld müsse dann anderswo in den kommunalen Haushalten gefunden werden. Ergo: Die Bürgerinnen und Bürger müssten letztlich auf die eine oder andere Weise die Zeche zahlen.

Doch. Es sind 200 Millionen Kronen für diese möglichen Kosten im Plan festgehalten. Eine Summe, die auch aufgestockt werden könnte. Doch wie weit?

Die Betreibenden der Müllverbrennungsanlage Norfors in Hørsholm haben bereits angekündigt, dass sie damit rechnen, dass das Werk Konkurs wird anmelden müssen – und dass sie den Staat dann auf 750 Millionen Kronen verklagen werden.


Weshalb soll das Gesetz dennoch eingeführt werden?

  • Die Regierung hat eine Mehrheit, da auch die Moderaten, die 2020 noch nicht existierten, den Plan unterstützen. Sie befürworten den marktwirtschaftlichen Ansatz. Am Donnerstag soll das Gesetz verabschiedet werden.

2020 hatte sich eine breite politische Mehrheit hinter dem Plan, im Müllbereich CO₂-Emissionen zu kürzen, versammelt. Doch diese Mehrheit bröckelt.

Sowohl die Konservativen als auch die Alternative haben bereits angekündigt, dagegen stimmen zu wollen, ob wohl sie die Absprache ursprünglich unterstützt hatten.

Die Regierung, die im Folketing die Mehrheit der Mandate hält, hält bisher jedoch gegen alle Kritik an den Plänen fest. Sowohl Venstre als auch die Moderaten sind politisch daran interessiert, so viele Bereiche wie möglich zu privatisieren.

„Es fällt uns enorm schwer, den Zusammenhang zwischen dem zu sehen, was man mit der ursprünglichen Absprache erreichen wollte und dem Gesetzesvorschlag, den man jetzt durchstimmen will“, sagt jedoch Jens Bomann Christensen von Dansk Affaldsforening.

Am Dienstag geht das Gesetz in die zweite Lesung, am Donnerstag soll es endgültig verabschiedet werden.

 

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