Fernsehduell

Erste Staatsministerdebatte legt Stärken und Schwächen offen

Erste Staatsministerdebatte legt Stärken und Schwächen offen

Erste Staatsministerdebatte legt Stärken und Schwächen offen

Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:
Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) wird bei der kommenden Folketingswahl von zwei Staatsministerkandidaten aus dem blauen Lager herausgefordert. Foto: Keld Navntoft/Ritzau Scanpix

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Im bevorstehenden Wahlkampf treten mit Mette Frederiksen (Soz.), Jakob Ellemann-Jensen (Venstre) und Søren Pape Poulsen (Konservative) drei Kandidatinnen und Kandidaten für den Posten der Staatsministerin oder des Staatsministers an. Am Sonntagabend brachten sie sich in einem ersten Fernsehduell in Position.

Am Sonntagabend trafen erstmals die drei Kandidatinnen und Kandidaten für den Posten der Staatsministerin oder des Staatsministers bei einer Fernsehdebatte aufeinander.

Eine Stunde lang debattierten die jetzige Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.), Venstres Staatsministerkandidat und Parteivorsitzender Jakob Ellemann-Jensen und der Staatsministerkandidat und Parteivorsitzende der Konservativen, Søren Pape Poulsen, auf „DR 1“ über eine Reihe verschiedener Themen.

Besonders im Fokus standen die finanziellen Pläne der Konservativen, die Inflation, die Arne-Pension, das Klima und der Minkfall sowie die Forderung nach mehr Lohn für Angestellte im öffentlichen Dienst, aber auch der Vorwurf der Machtbesessenheit.

Keine überzeugenden Antworten

Nach Ansicht des politischen Kommentators von „Berlingske“, Bent Winther, zeigte die Debatte, dass keiner der drei Kandidatinnen und Kandidaten überzeugende Antworten auf die großen Herausforderungen habe, vor denen Dänemark stehe. Seiner Ansicht nach geriet Mette Frederiksen in die Defensive, und ein Wahlsieg sei für sie alles andere als sicher.

Auch nach Auffassung des politischen Kommentators Noa Reddington zeigte die Diskussion sowohl die Stärken als auch die Schwächen der drei Kandidatinnen und Kandidaten.

Sichere Steuerfrau

Staatsministerin Mette Frederiksen wurde durch die Frage, welche der im öffentlichen Dienst angestellten Personen mehr Lohn haben sollten, herausgefordert. „Die Staatsministerin hätte genauer auf die Frage antworten sollen, da ansonsten ihre Glaubwürdigkeit bedroht ist“, sagt Noa Reddington. Auch Christine Cordsen, politische Kommentatorin von „DR“, meint, dass Frederiksen viele Erwartungen bei Pflegekräften, Pädagoginnen und Pädagogen, Sozial- und Gesundheitsassistentinnen und -assistenten und vielen anderen wecken würde, die sie nicht erfüllen könne.

Allerdings versuchte Frederiksen, die Botschaft zu verbreiten, dass sich Dänemark während ihrer Regierungszeit von Krise zu Krise gehangelt habe, von der Corona-Krise über den Krieg in der Ukraine bis hin zu hoher Inflation und Unsicherheit in der Energieversorgung, und sie die sichere Steuerfrau in diesen schwierigen Zeiten sei.

Machtbesessenheit

Dafür fällt es der Staatsministerin nach Ansicht Cordsens und Reddingtons schwer, sich von dem Vorwurf der Machtbesessenheit freizukämpfen, und vieles deute darauf hin, dass ein Teil der Wählerinnen und Wähler negativ auf diese Eigenschaft reagiert. Ihr Umgang mit dem Minkfall und der Massentötung von Minks hat dazu geführt, dass ihr das Etikett der Machtpolitikerin anheftet, eine Charakterisierung, über die sie nach Meinung Reddingtons alles andere als glücklich sei.

Andererseits sei es Frederiksen nach Ansicht von Noa Reddington gelungen, sich als grüne Kandidatin zu präsentieren, und sie hat dargelegt, dass Søren Pape keine solide Argumentationsgrundlage für seine finanziellen Pläne hat. Christine Cordsen ergänzt, dass diese Pläne nach Auffassung von Ellemann-Jensen dazu führen können, Wählerinnen und Wähler, die Wert auf den Wohlfahrtsstaat legen, zu verschrecken.

Finanzpläne als Bedrohung für Wohlfahrtsstaat

Beide, Reddington und Cordsen, meinen, dass es dem Staatsministerkandidaten der Konservativen schwerfiel, seine finanziellen Pläne zu konkretisieren und nachhaltig für sie zu argumentieren. Sozialdemokraten und Venstre seien sich einig darin, dass die finanzpolitischen Pläne der Konservativen einen schweren Schlag gegen den Wohlfahrtsstaat darstellten. Dies sei in der Debatte unter anderem darin zum Ausdruck gekommen, dass Mette Frederiksen behauptete, die Vorhaben der Konservativen würden zu Kündigungsrunden unter 40.000 öffentlichen Angestellten führen.

Demgegenüber konnte Pape Poulsen in Fragen zum Gesundheitssektor und dem Mangel an Pflegepersonal punkten.

„Man kann schon sagen, dass es Pape gelungen ist, den Druck rauszunehmen und gleichzeitig darzustellen, dass die Staatsministerin aufgrund der sich abzeichnenden Folketingswahl möglicherweise ein wenig in Panik geraten ist. Und dass das Ganze nicht so recht dazu passt, dass man im vergangenen Jahr einen Eingriff in das Lohngefüge des Pflegepersonals vorgenommen hat“, sagt Noa Reddington.

Überraschende Coolness

Beim Venstre-Kandidaten Jakob Ellemann-Jensen hat Noa Reddington die Coolness überrascht, mit der Ellemann-Jensen seine Partei in Richtung des schlechtesten Folketingwahlergebnisses in 40 Jahren führe, und dass er seit der Kandidaturankündigung Pape Poulsens nicht länger der ausgemachte Staatsministerkandidat des bürgerlichen Lagers sei.

Die Tatsache, dass es zwei Staatsministerkandidaten im blauen Lager gibt, bewertet auch Christine Cordsen als Herausforderung. „Sie müssen ihre Streitpunkte hervorheben, um Wählerinnen und Wähler anzuziehen. Gleichzeitig haben sie nichts davon, als so zerstritten dazustehen, dass sie die Wählerinnen und Wähler verscheuchen“, meint Cordsen.

Zusammenarbeitswillen bei Konkurrenten im blauen Lager

Ihrer Auffassung ist es jedoch sowohl Jakob Ellemann-Jensen als auch Søren Pape Poulsen gelungen, die eigenen Argumente mit der notwendigen Ausgewogenheit vorzutragen. Uneinigkeiten zeigten sich in ihren finanzpolitischen Ansichten, aber gleichzeitig hätten sie den Eindruck hinterlassen, nach der Wahl durchaus zusammenarbeiten zu können.

Auch Noa Reddington bescheinigt Ellemann-Jensen, dass es ihm gelungen sei, „sämtliche schwierigen Balanceakte“ zu bewältigen, durch die er im Verhältnis zu den Konservativen, seiner eigenen Partei und der Regierung hindurchmanövrieren muss. „Allerdings muss er auch sein Profil schärfen. Er muss ein politisches Thema finden, bei dem man hinhört“, sagt Noa Reddington.

Frederiksen unter Druck

Währenddessen sei nach Meinung Bent Winthers der Druck auf Staatsministerin Mette Frederiksen zu groß, als dass sie einen Vorteil aus dem Fernsehduell hätte ziehen können. Stattdessen wurde sie von den beiden Konkurrenten in die Defensive gebracht. Frederiksen habe sich durch ihre Aufforderung, eine Regierung über die Mitte hinweg gemeinsam mit Venstre und den Konservativen zu bilden, in eine schwierige Ecke manövriert, weil sie gleichzeitig den finanziellen Plan der Konservativen als unüberschaubares Experiment brandmarkt und Venstre beschuldigt, nichts für das Klima tun zu wollen.

Sie stehe damit vor der Frage, ob sie entweder als die Staatsministerin auftreten wolle, die für eine breite Zusammenarbeit über die Mitte hinweg kämpft, mit genügend Energie, Kompromisse zu finden – oder aber ob sie einen aggressiveren Stil anlegt und sich als sozialdemokratische Führungsfigur etabliert, die das Land gegen Steuersenkungen aus dem blauen Lager und eine Aushöhlung des Wohlfahrtsstaates verteidigt.

Mehr lesen

Kulturkommentar

Claudia Knauer
Claudia Knauer
„Zwischen onboarding und claims“

Leserbrief

Meinung
Allan Søgaard-Andersen
„Tomme borgerlige klimaløfter!“