Diese Woche in Kopenhagen

„Die klimapolitischen Taschenspieler“

Die klimapolitischen Taschenspieler

Die klimapolitischen Taschenspieler

Kopenhagen
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Die SVM-Regierung hätte mit ihrer eigenen Mehrheit die Chance, das Problem des Klimawandels konsequent anzugehen. Stattdessen warnen Mette Frederiksen und ihr Klimaminister Lars Aagaard vor zu schnellem Vorgehen. Die Wetterextreme in diesem Sommer hätten zur gegenteiligen Schlussfolgerung führen müssen, meint Walter Turnowsky.

Der Venstre-Vorsitzende Jakob Ellemann-Jensen sagte es bei einer Pressekonferenz nach einem Regierungsseminar am Donnerstag sehr präzise: „Der Klimawandel ist die größte Herausforderung meiner politischen Generation.“ Er hatte dies wiederholt bereits im vergangenen Jahr im Wahlkampf geäußert.

Da kann man sich doch nur freuen, dass er jetzt Teil einer Regierung ist, die über eine eigene Mehrheit verfügt und somit diese Herausforderung angehen kann, ohne faule Kompromisse eingehen zu müssen.

Auch Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) ging bei derselben Pressekonferenz auf die Folgen der Erderwärmung ein: „Wir haben einen Sommer erlebt, in dem der Klimawandel kein erschreckendes Zukunftsszenarium ist, sondern eine Realität.“ Extreme Temperaturen, Waldbrände, Überschwemmungen und Riesenhagelkörner seien deutliche Zeichen.

Dann kann man ja wohl darauf vertrauen, dass die Regierung die notwendigen Entscheidungen fällen und zügig umsetzen wird. Zumal die Begründung für die Bildung dieser ungewöhnlichen Koalition über die Mitte hinweg im vergangenen Jahr war, dass man notwendige Reformen angehen wolle, ohne dauernd auf Umfragen schielen und auf Unterstützerparteien Rücksicht nehmen zu müssen.

Wie das funktioniert, hat die SVM-Regierung bei der Abschaffung des Buß- und Bettages vorgemacht. Proteste von den Gewerkschaften hin, Einwände von Wirtschaftsfachleuten her: Das Ding wurde knallhart und mit schmaler Mehrheit durchgezogen. Welche Handlungskraft dürfen wir da erst bei „der größten Herausforderung dieser politischen Generation“ erwarten?

Moment mal ...

Doch warte mal, da war doch was. Hatte nicht jene Frederiksen, die am Donnerstag von den schwerwiegenden Folgen des Klimawandels redete, erst vor gut einer Woche ganz andere Töne von sich gegeben?

Doch, hatte sie. In einem längeren Post auf Instagram erwähnt sie zwar auch die extremen Wetterlagen, mahnte jedoch an, dass es beim Einsatz gegen den Klimawandel nicht zu schnell gehen dürfe, nicht zu teuer werden dürfe. Das soziale Gleichgewicht müsse gewahrt werden.

Die Reaktion des undankbaren Wahlvolkes in den sozialen Medien ließ nicht lange auf sich warten: „Shitstorm“ nennt sich das auf Neudeutsch. Frederiksen will missverstanden worden sein.

Wird da etwa mit zweierlei Maß gemessen?

Dagegen war es schwer, Klimaminister Lars Aagaard (Moderate) falsch zu verstehen, als er einige Tage vorher im „DR“-Nachrichtenmagazin „Deadline“ sagte, die Klima-Maßnahmen müssen von 80 Prozent der dänischen Bevölkerung unterstützt werden. Beim Buß- und Bettag gab es diese Forderung nicht. Die Abschaffung des Feiertags soll einen relativ bescheidenen Beitrag zur Finanzierung der erhöhten Verteidigungsausgaben leisten.

Das Motto der Regierung scheint zu sein: Bei den nicht ganz so großen Problemen nutzen wir unsere Mehrheit und ziehen unsere Politik gnadenlos durch. Bei dem größten überhaupt sind wir vorsichtig und machen langsam. Die Logik erschließt sich mir nicht so ganz.

Ich erinnere daran, dass wir in diesem Sommer nicht nur die genannten extremen Wetterlagen erlebt haben. Der Juli war global der wärmste Monat, der jemals registriert worden ist. 0,33 Grad wärmer als der bisher wärmste (das war der Juli 2019) – und 1,5 Grad wärmer als der Durchschnitt vor der Industrialisierung.

Doch auch das scheint Aagaard nicht zur Eile zu drängen. Auch nicht die Tatsache, dass es allmählich eng wird, das gesetzte Klimaziel bis 2025 zu erreichen. Bis dahin soll der Ausstoß von Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um 50 bis 54 Prozent gesenkt werden.

Bescheidene Maßnahmen

Statt wirksame Maßnahmen zu ergreifen, will die Regierung mehr Biobrennstoff in Diesel mischen. Das eigene Beratungsorgan der Regierung, der Klimarat, nennt den realen Effekt dieser Maßnahme gegenüber „DR“ „bescheiden“. Es sehe auf dem Papier gut aus, aber wenn man den globalen Ausstoß, der durch den Anbau verursacht wird, berücksichtigt, bleibe von der CO₂-Ersparnis wenig übrig.

Politische Taschenspielerei statt Lösen der größten Herausforderung. Überhaupt scheint Klimaminister Aagaard wenig Eile zu haben. Im Frühjahr stoppte er den Bau von Offshore-Windparks nach dem sogenannten Open-Door-Prinzip. Das gefährdete zunächst auch das Projekt Zero in Sonderburg (Sønderborg).  Für dieses Projekt sowie wenige andere wurde der Baustopp wieder aufgehoben. 24 Projekte stoppte Aagaard permanent.

Von „der größten Herausforderung“ ist da wenig zu spüren. Mich verlässt das Gefühl nicht, dass die Politikerinnen und Politiker das Kompromisse-Machen so verinnerlicht haben, dass sie meinen, dass das auch gegenüber dem Klima funktioniert. Also: Wenn wir etwas für das Klima tun, kann es uns doch auch ein wenig entgegenkommen und sich etwas weniger erwärmen.

Doch spätestens seit Isaac Newton ein Apfel auf den Kopf gefallen ist, wissen wir: Mit Naturgesetzen lässt sich nicht verhandeln.

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