Coronavirus in Deutschland

Warum die ungerechte Impfstoffverteilung für alle gefährlich ist

Warum die ungerechte Impfstoffverteilung für alle gefährlich ist

Warum ungerechte Impfstoffverteilung für alle gefährlich ist

SHZ
Berlin
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Inzwischen sind mehr als die Hälfte der Menschen weltweit mindestens einmal geimpft – jedoch sind die Geimpften ziemlich ungleich verteilt. Foto: Collage mit Material von Imago images/Dinendra Haria und OurWorldInData/shz.de

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Reiche Staaten wie Deutschland sicherten den knappen Impfstoff schnell für sich; auch deshalb sind in ärmeren Ländern die Impfquoten niedrig. Das kann sich rächen. Neue Varianten entstehen oft dort, wo das Virus wütet.

Eine Pandemie ist nicht örtlich begrenzt. Eine Pandemie trifft alle Regionen der Erde – egal ob arm oder reich. Anders ist es bei der Bekämpfung einer Pandemie: Dort gilt, und das ist gerade in einem ganz besonderen Ausmaß zu sehen: Wer reich ist, ist auch erfolgreich. Zumindest auf den ersten Blick.

Denn einerseits ist seit Ende Oktober jeder zweite Mensch auf der Welt mindestens einmal gegen das Coronavirus geimpft – andererseits leben die allermeisten davon in den reichen Ländern dieser Erde. Während einkommensstarke Länder zusammengerechnet auf eine Impfquote von mehr als 70 Prozent kommen, sind in einkommensschwachen Staaten etwa 94 Prozent bislang noch gar nicht geimpft. Das geht aus den Zahlen des von der Universität Oxford unterstützte Statistik-Portals "Our World in Data" hervor.

 

Deutsche kriegen dritte Impfung, in Haiti hat kaum jemand die erste

Bei "Our World in Data" lässt sich auch der Impffortschritt der einzelnen Länder vergleichen. Während in Deutschland überall für die dritte Impfung geworben wird, haben beispielsweise in Kenia, Äthiopien oder Nigeria nicht einmal zehn Prozent der Bevölkerung ihre erste Spritze bekommen. In Haiti liegt die Quote sogar erst bei einem Prozent.

Von den ersten sieben Milliarden Corona-Impfdosen sind 80 Prozent in den G20-Ländern verimpft worden.

 

 

 

Geringe Impfquote in Afrika auch eine Gefahr für Europa

Diese niedrigen Impfquoten können allerdings auch reicheren Staaten auf die Füße fallen. Denn da, wo sich das Virus wegen geringer Impfquoten mehr oder weniger frei verbreitet, sind Mutationen und somit neue Varianten wahrscheinlicher. Die brächten wiederum eine Gefahr für Regionen, wo eigentlich schon viele Menschen gegen das Virus geimpft waren.

"Eine Situation, in der die Bevölkerung nur teilweise geimpft ist, birgt leider eine spezielle Gefahr, weil sich das Virus in der ungeimpften Gruppe vermehrt, wobei es zufällig immer wieder zu geringfügigen Änderungen des Virus kommt", sagte Mirko Trilling, Virologe am Universitätsklinikum Essen, dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) im Sommer.

Und auch das Robert Koch-Institut (RKI) schrieb im Juli dieses Jahres, was nötig sei, um die Pandemie in den Griff zu kriegen: "Für eine Elimination wäre es darüber hinaus erforderlich, dass die Impfaktivitäten auch global ein Erfolg sind, damit nicht kontinuierlich Virus importiert und sich je nach Impfquote erneut ausbreitet oder zu lokalen Ausbrüchen führt."

Im selben Text heißt es vom RKI auch, dass es unklar sei, ob noch ansteckendere Virusvarianten wie die Delta-Variante folgten oder Virusvarianten, gegen die die Impfung weniger gut wirkt, auftreten werden. Ein paar Monate später ist die neue Omikron-Variante in Deutschland angekommen, die womöglich deutlich infektiöser ist als die Delta-Variante.

Die Omikron-Variante ist vergangene Woche in Südafrika entdeckt worden. Ob das Virus auch dort mutiert ist – oder doch in einer ganz anderen Region – ist derzeit noch unklar. In jedem Fall ist die Impfquote in Südafrika vergleichsweise gering; nur knapp 24 Prozent der Bevölkerung gelten als vollständig geimpft.

Im Video: Der Virologe Christian Drosten ist "ziemlich besorgt" über neue Omikron-Variante

 

Die Freigabe des Impfstoffpatents als Lösung?

Als ein Weg, schnell genug Impfungen in ärmeren Ländern zu ermöglichen, gilt die Aussetzung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe. Mehr als 100 Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) haben sich inzwischen dafür ausgesprochen, darunter auch die USA. Deutschland gehört allerdings zu den Staaten, die das bisher blockieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich beispielsweise dagegen aus. Kritik kommt sowohl aus dem Aus- wie aus dem Inland.

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, kommentierte dies zum Beispiel mit den Worten: "Mit der Ablehnung der Patentfreigabe verweigert Bundeskanzlerin Angela Merkel ärmeren Ländern einen schnelleren Schutz der Bevölkerung vor Corona." Dies sei einer der "schwerwiegendsten Fehler ihrer Kanzlerschaft".

 

Aber nicht nur Politiker, auch Hersteller sperren sich gegen eine Freigabe. So erklärte die Biontech-Mitgründerin Özlem Türeci in einem Interview mit dem Sender CNN: "Patente sind nicht der beschränkende Faktor bei der Herstellung von zum Beispiel unserem Impfstoff." So gebe es bei dem Impfstoff ihres Unternehmens mehr als 50.000 Herstellungsschritte. "Alle müssen genauestens ausgeführt werden, um die Wirksamkeit und Sicherheit unseres Impfstoffs zu gewährleisten."

Laut Koalitionsvertrag will die künftige Ampelregierung freiwillige Produktionspartnerschaften und den Wissenstransfer unterstützen, "um die Produktionskapazitäten für Medikamente und Impfstoffe weltweit auszubauen". Von einer Patentfreigabe steht im Dokument allerdings nichts. Auch die Ampel will stattdessen offenbar auf die Covax-Initiative setzen.

Covax-Initiative erfüllt eigene Erwartungen nicht

Die Initiative Covax (Covid-19 Vaccines Global Access) wurde zu Beginn der Pandemie im April 2020 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Globalen Impfallianz (GAVI) und der Coalition for Epidemic Preparedness (CEPI) gegründet. Ihr Ziel ist es, dass die Corona-Impfstoffe gerecht auf der ganzen Welt verteilt werden. Bisher bleibt die Initiative aber deutlich hinter ihren eigenen Erwartungen zurück.

 

Ursprünglich wollte Covax bis Ende 2021 mindestens zwei Milliarden Dosen an ärmere Länder liefern – die Prognose musste allerdings auf 1,2 Milliarden nach unten korrigiert werden. Laut dem Covax-Liveticker sind bisher erst etwa 563 Millionen Dosen an 144 Staaten oder Regionen verschickt worden.

Wie viel Deutschland spendet

Bislang hat Deutschland nach Angaben des Auswärtigen Amtes insgesamt mehr als 100 Millionen Impfdosen an Drittstaaten ausgeliefert, 7,7 Millionen bilateral und rund rund 95 Millionen über Covax. Im kommenden Jahr sollen 75 Millionen weitere folgen.

Auf der Website des Auswärtigen Amtes steht: "Die Pandemie kann nur besiegt werden, wenn sie weltweit unter Kontrolle gebracht wird". Die WHO schätzt, dass rund 5,6 Milliarden Menschen zweimal geimpft werden müssen, um die Corona-Pandemie zu beenden. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

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