Südschleswig

SSW diskutiert nach jüngsten Erfolgen über Teilnahme an der Europawahl

SSW diskutiert nach jüngsten Erfolgen über Teilnahme an der Europawahl

SSW diskutiert über Teilnahme an der Europawahl

Henning Baethge/shz.de
Kiel
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Sein Einzug in den Bundestag vor zwei Jahren hat dem SSW Mut gemacht: Stefan Seidler. Foto: Michael Staudt/shz.de

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Nach den jüngsten Wahlerfolgen debattiert die dänische Minderheitenpartei SSW über eine Teilnahme an der Europawahl. Es wäre eine Premiere – und eine enorme Herausforderung.

Der SSW hat gerade einen Lauf: Bei den jüngsten Wahlen für den schleswig-holsteinischen Landtag und für die Kommunalvertretungen konnte die Partei der dänischen und friesischen Minderheit ihren Stimmanteil jeweils fast verdoppeln, bei der ersten Kandidatur für den Bundestag seit sechzig Jahren hat sie 2021 gleich ein Mandat bekommen. Daher denkt man im Südschleswigschen Wählerverband nun über den nächsten Schritt nach: die erstmalige Teilnahme an der Europawahl – 2024 oder 2029.

Vor allem die Jugendorganisation SSW Ungdom treibt die Partei an. „Nach der für den SSW historischen Bundestagswahl halten wir es für nötig, dass wir uns auch unsere Chancen für die Europawahl ansehen“, sagt Mats Rosenbaum, Sprecher der SSW Ungdom, was auf Dänisch auch nichts anderes heißt als Jugend.

Eine Arbeitsgruppe soll bald eine Empfehlung vorlegen

Die Partei hat deshalb eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich gerade mit einer möglichen Teilnahme an der EU-Wahl befasst. Noch im Sommer soll sie ihre Empfehlung vorlegen. Und bis dahin will sich Parteichef Christian Dirschauer auch nicht zum Thema äußern. „Herr Dirschauer bittet um Verständnis, dass er sich in der Frage noch nicht abschließend festgelegt hat und das Papier der Arbeitsgruppe abwarten möchte“, sagt SSW-Sprecher Per Dittrich.

Rosenbaum: „Unter 200.000 Stimmen wird es schwierig“

SSW-Jugendchef Rosenbaum macht keinen Hehl daraus, dass die Partei ihr bisher bestes Ergebnis von fast 80.000 Stimmen bei der jüngsten Landtagswahl noch mal deutlich übertreffen müsste, um eines der 96 deutschen Mandate für das Parlament in Brüssel zu erhalten. „Unter 200.000 Stimmen wird es schwierig“, hat Rosenbaum ausgerechnet.

Zwar könnte der SSW bei der reinen Listenwahl für das EU-Parlament auch erstmals deutschlandweit antreten und auf Stimmen aus anderen Bundesländern hoffen. Doch das hielte Rosenbaum für heikel: „Man könnte das Gefühl bekommen, dass wir uns dadurch zu weit von der Identität der Partei entfernen“, gibt er zu bedenken.

Europäische Listen würden dem SSW helfen

Größer wären die Chancen für den SSW, wenn die vom EU-Parlament vorgeschlagene Möglichkeit zu europäischen Listen käme. Dann könnten SSW-Bewerber auf einer europaweiten Liste der Europäischen Freien Allianz kandidieren, in der sich schon jetzt Vertreter von Minderheitenparteien aus Katalonien, Galicien oder Korsika zusammengeschlossen haben und gemeinsam mit den Grünen im EU-Parlament eine Fraktion bilden. Doch solche transnationalen Listen, die 28 eigene Mandate neben den 705 nationalen bekommen sollten, haben die Mitgliedsstaaten für die nächste Europawahl im Juni 2024 erst mal verhindert.

Bundestag bestätigt Sperrklausel der EU

Umgemach droht dem SSW zudem durch die Einführung einer Sperrklausel ab der Europawahl 2029. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die in Deutschland zuletzt geltende Hürde von drei Prozent 2014 aufgehoben. Doch haben sich die EU-Staaten inzwischen auf eine neue Regelung geeinigt, die die Mitgliedsländer künftig verpflichtet, eine Mindestschwelle von wenigstens zwei Prozent einzuführen. Diesen Beschluss der EU hat der Bundestag am Donnerstag Abend mit Zwei-Drittel-Mehrheit bestätigt – ohne sich aber schon auf eine konkrete Höhe der neuen Hürde festzulegen.

Seidler fordert Ausnahme für Minderheiten-Parteien

Doch selbst wenn die Hürde wie von der Ampelkoalition geplant nur bei zwei Prozent läge, würde sie dem SSW den Einzug ins EU-Parlament unmöglich machen. Denn dann müsste er gleich rund 800.000 Stimmen statt 200.000 holen. Der SSW-Bundestagsabgeordnete Stefan Seidler fordert daher vom Bund, Parteien nationaler Minderheiten bei der Europawahl von der Sperrklausel auszunehmen – so wie es bei der Bundestagswahl längst der Fall ist. „Sperrklauseln schränken besonders die politische Beteiligung unserer nationalen Minderheiten ein. Da braucht es eine Lösung, wie wir sie auf Bundesebene bereits haben“, verlangt Seidler.

Eine Teilnahme des SSW an der Europawahl kann sich der einzige SSW-Abgeordnete im Bundestag dann durchaus vorstellen. „Wir erhalten gerade viel Zuspruch und sind eine gestärkte Partei“, sagt Seidler. Zudem sei für ihn klar: „Auch uns im Grenzland betrifft Europa.“

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