PHOTOVOLTAIK-AUSBAU

So viel Fläche von SH taugt als Solarpark

So viel Fläche von SH taugt als Solarpark

So viel Fläche von SH taugt als Solarpark

Frank Jung/shz.de
Kiel
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Energie aus Sonne: Die Ausbeute ist in Schleswig-Holstein nur um 15 Prozent geringer als in Süddeutschland. Foto: shz.de

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53,3 Prozent der Fläche von Schleswig-Holstein sind bedingt für Freiflächen-Photovoltaik geeignet. Das beziffert erstmals ein Gutachten im Auftrag des Landes.

Auf mehr als der Hälfte der Fläche Schleswig-Holsteins könnte es ein Tauziehen um Freiflächen-Photovoltaik geben. Das zeichnet sich auf der Basis eines Gutachtens ab, mit dem das Kieler Energiewende-Ministerium das Potenzial für Solarenergie hat ausloten lassen. Demnach sind 53,3 Prozent der schleswig-holsteinischen Erdoberfläche „bedingt geeignet“. Das entspricht 8883 Quadratkilometer.

Uneingeschränkt geeignet sind nur 0,4 Prozent der Landesfläche

Als uneingeschränkt und damit konfliktfrei geeignet stufen die Gutachter des renommierten Fraunhofer-Instituts in Freiburg nur 0,4 Prozent der Landesfläche ein. Das sind vor allem 400 Meter breite Streifen entlang von Autobahnen, Bundesstraßen und Bahnlinien oder brachliegende einstige Gewerbe- oder Militärflächen. Dort wollen Landespolitiker quer durch alle Parteien mit Priorität Solarparks errichten.

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Die Mengenabschätzungen des Gutachtens verdeutlichen jedoch, dass diese Areale nicht annähernd reichen werden, um die nach Beginn des Ukraine-Kriegs intensivierte Energiewende zu unterstützen.

Freiflächen-Potenzial übertrifft das von Dächern um das 27-Fache

Auch im Verhältnis zu anderen Stellschrauben des Photovoltaikausbaus bieten die „bedingt geeigneten“ Flächen das mit Abstand größte Reservoir: Insgesamt ließe sich damit eine Leistung von 667.027 Megawatt (MW) jährlich heben. Eine Solarpflicht für Gebäudedächer würde 24.743 MW bringen, Photovoltaikplatten auf sämtlichen Parkplätzen mit mehr als 100 Stellplätzen nur 1058 MW.

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Immerhin 10.780 MW haben die Fraunhofer-Experten für Solarplatten an Gebäudefassaden errechnet – halten diese aber „nur in begrenzten Umfang“ für „real nutzbar“. PV-Fassaden an Wohngebäuden seien deutlich unattraktiver als auf Dächern. Das liege an den „typischerweise stark zergliederten Wandflächen“, den „üblicherweise einfachen Fassadenaufbauten“ und den „geringeren Solarerträgen von Fassadenanlagen“.

Diese Hindernisse gibt es

Eine „bedingt geeignete“ Fläche wird kaum je frei von Konflikten sein. Das Gutachten hat in die Kategorie alle Areale eingestuft, die nach raumplanerischen Regeln grundsätzlich für Freiflächen-Photovoltaik in Frage kommen. Endgültig müsse das „jeweils einzeln geprüft werden“. Wegen „Nutzungskonkurrenzen“, Rücksicht aufs Landschaftsbild oder schlicht mangels Verfügbarkeit wegen der Eigentumsstruktur werde sich voraussichtlich nur ein Teil der Kategorie ausschöpfen lassen. Aber auch anteilige Nutzungen seien von hoher Bedeutung, da das Potenzial auf bedingt geeigneten Flächen insgesamt derart groß sei.

Energiewende-Staatssekretär Tobias Goldschmidt drückt aufs Tempo: „Um die ambitionierten Klimaschutzziele des Landes zu erreichen, brauchen wir schnell einen kräftigen Ausbau der Erneuerbaren Energien in allen Sektoren. Photovoltaik spielt dabei neben der Windkraft eine Schlüsselrolle“, betont der Grünen-Politiker. „Jedes neue Solarpanel erzeugt erneuerbare Energie und ersetzt damit die Verbrennung von Kohle und Gas.“

Doppelnutzung von Flächen im Visier

In erster Linie setzt Goldschmidt auf bereits versiegelte Gebiete wie Dächer und Parkplätze. „Aber auch Bereiche in der Landwirtschaft, Biotopverbünde oder wiedervernässte Moore können geeignete PV-Standorte sein. Wir brauchen kreative Lösungen und intelligente Doppelnutzungen, um die Potenziale noch besser nutzen zu können.“ Auf die Frage, in welcher Größenordnung die „bedingt geeigneten“ Freiflächen mit Photovoltaik bestückt werden sollten, ging er nicht ein.

Der Naturschutzbund Nabu mahnt zu einem vorsichtigen Umgang mit den „bedingt geeigneten“ Flächen. „Wir gehen davon aus, dass die 53,3 Prozent nicht uneingeschränkt zur Verfügung stehen“, sagt Geschäftsführer Ingo Ludwichowski. „Man muss damit rechnen, dass es Investoren gibt, die auch in natursensible Bereiche mit Freiflächen-Photovoltaik hineinwollen“, befürchtet er.

Naturschützer wollen Maisfelder in Solarparks umwandeln

Vorrang als Solarstandorte sollen laut Nabu-Vorschlag die Flächen haben, auf denen derzeit noch Mais für Biogasanlagen angebaut wird. Ludwichowski beziffert sie auf eine „Größenordnung von hoher Relevanz“, nämlich um die 100.000 Hektar. Biogas-Mais steht wegen Verdrängung der Artenvielfalt und einer dürftigen Energie-Bilanz in der Kritik. „Bei einer Photovoltaik-Nutzung wären diese Flächen 40-fach effizienter“, gibt Ludwichowski zu bedenken. Er verweist auf eine „Biodiversitätskrise, die gleichrangig mit der Klimakrise ist – auch wenn das selbst von einigen führenden Grünen-Politikern verdrängt wird“.

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Nicht zuletzt Erleichterungen im Planungsrecht für Solarparks durch das „Osterpaket“ von Bundesklimaschutzminister Robert Habeck sieht der Nabu Schleswig-Holstein deshalb kritisch. Nach Ludwichowskis Einschätzung öffnet das zum Beispiel die Tür für Photovoltaik auch auf Wasserflächen. Das gehe gerade in Schleswig-Holstein nicht an, weil die Flächen im Norden „von überregionaler Bedeutung für seltene durchziehende Vogelarten sind“.

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