Justizvollzugsschule Boostedt

So lernen und leben Anwärter: Gewerkschaft schickt Gruselfotos an Justizminister

So lernen und leben Anwärter: Gewerkschaft schickt Gruselfotos an Justizminister

Gewerkschaft schickt Gruselfotos an Justizminister

SHZ
Boostedt
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In der Sporthalle tropft das Regenwasser durch die Decke auf den Hallenboden. Foto: GdP

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Die Gewerkschaft der Polizei beklagt katastrophale Zustände in der Justizvollzugsschule Boostedt – und hat dem Justizminister Gruselfotos geschickt. Kritisiert werden eine Rattenplage, Ekeltoiletten und Knastmatratzen.

Zwischen Hochglanzflyern auf Jobmessen und der Wirklichkeit beim Arbeitgeber besteht meist ein gewisser Unterschied – doch so krass wie bei der Justizvollzugsschule des Landes Schleswig-Holstein in Boostedt dürfte er selten sein. Rattenplage, Ekeltoiletten und Knastmatratzen – die Justizgruppe der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat Gruselfotos zusammengestellt und an Justizminister Claus Christian Claussen (CDU) geschickt.

„Motiviert man so junge Nachwuchskräfte?

„Motiviert und unterstützt man so junge und engagierte Nachwuchskräfte?“, fragt Ute Beeck, Vorsitzende der Regionalgruppe Justizvollzug. „Wertschätzung für den schwierigen und anspruchsvollen Beruf des Vollzugsbediensteten sieht anders aus.“

Die Justizvollzugsschule war Ende 2019 von Neumünster in die ehemalige Rantzau-Kaserne in Boostedt im Kreis Segeberg gezogen, landesweit erhalten Anwärter hier Blockunterricht. Derzeit sind es 39, von denen 20 dort auch übernachten. Es gibt ein Schulgebäude, ein Unterkunftsgebäude mit Kantine, sanitären Anlagen und 52 Betten, ein ehemaliges Wachgebäude mit Arresträumen als Aus- und Fortbildungsstätte sowie eine Sporthalle für das Training von Zugriffstechniken. Nach Angaben es Landes wurden 140.000 Euro investiert, um alles herzurichten.

„Die Zustände in der Justizvollzugsschule sind katastrophal“

„So viel zur Theorie“, sagt Ute Beeck. „Tatsächlich sind die Zustände katastrophal.“ In dem Schreiben an den Justizminister listet Beeck die Mängel detailliert auf: Die Sporthalle habe eigentlich kurzfristig als Notunterkunft für ukrainische Flüchtlingsfamilien genutzt werden sollen. Doch davon habe das Land Abstand genommen, weil das menschenunwürdig gewesen wäre. Regenwasser plätschere auf den Hallenboden, Deckenplatten brächen heraus und es gebe eine Rattenplage. Der Hallenboden sei marode.


„In den Unterkünften wird die Grenze des Vorstellbaren überschritten“

Beeck: „Beim Blick in das Unterkunftsgebäude wird die Grenze des Vorstellbaren überschritten. Die Anwärterinnen und Anwärter schlafen auf Matratzen, die normalerweise in den Beobachtungshafträumen der Vollzugsanstalten für Gefangene verwendet werden, direkt neben einem einsturzgefährdeten Dachboden, der nicht betreten werden darf.“ In den Zimmern brächen die Parkettböden auseinander, in der Gemeinschaftsküche gebe es nur veraltetes, verkalktes und nicht intaktes Kochgeschirr, die Abflüsse seien teilweise verstopft und verschimmelt.


Männer und Frauen teilen sich Toilettenkabinen nebeneinander

„In den Gemeinschaftsduschen sind die Wasserleitungen undicht, es gibt Schimmel in den Nasszellen und an den Wänden, der Putz bröckelt, die Toiletten lösen sich bei der kleinsten Bewegung vom Boden.“ Herren- und Damentoiletten? „Fehlanzeige“, kritisiert Beeck. In Gemeinschaftstoiletten hätten die Anwärter durch selbst gebastelte Schilder den beiden Geschlechtern jeweils Kabinen zugewiesen.


In den Unterrichtsräumen liegen die Kabel frei auf dem Boden

Auch in den Unterrichtsräumen würden die stark verdreckten Parkettböden auseinanderbrechen, Elektroleitungen lägen frei herum, W-Lan gebe es nicht. Die Raumakustik sei schlecht, provisorisch aufgestellte Lautsprecher könnten dieses Manko kaum ausgleichen. Die sanitären Anlagen seien auch hier verkalkt und verdreckt. „Bis zu 50 Menschen müssen sich die wenige Toiletten teilen. Das mag man sich unter Normalbedingungen nicht gerne vorstellen und zuletzt während der Pandemie schon gar nicht“, so Beeck.


Faustgroße Löcher in den Außenwänden

Im Trainingsbereich sei die Heizungsanlage defekt, weshalb Radiatoren angeschafft worden seien. Beeck: „Das zuführende Elektrokabel führt direkt an großen Wasserpfützen im Keller vorbei.“ Die Fenster dort unten seien marode, es gebe faustgroße Löcher in den Außenwänden und Schimmel. Im Keller der Unterkunft ein weiteres Bild des Grauens: Dort gelagerte Trainingsanzüge – neu angeschafft von Steuergeldern – seien durch Stockschimmel unbrauchbar geworden. Beeck: „Ein Resultat des modrigen Mauerwerks und der eindringenden Feuchtigkeit.“


„Wird hier mit der Gesundheit unserer Nachwuchskräfte gespielt?“

Die Vorsitzende der Regionalgruppe fragt: „Wird hier mit der Gesundheit unserer Nachwuchskräfte gespielt? Leichtsinnig damit umgegangen auf jeden Fall.“ Das Fazit der GdP: „Mit den aktuellen Ausbildungs- und Unterbringungsbedingungen in der Justizvollzugsschule wird man im Wettbewerb um ausreichend qualifiziertes Personal nicht in Konkurrenz treten können.“


Ministerium: „In Justizvollzugsschule wird gute Ausbildung erreicht“

Was sagt das Justizministerium? Sprecher Wolf Gehrmann: „Eine Grundsanierung der Gebäude der Justizvollzugsschule ist bisher nicht erfolgt, da die Immobilien nur befristet bis zum 30. November 2024 angemietet sind.“ Die bauliche Situation der Liegenschaften aus den 1960er Jahren bestehe bereits seit dem Einzug und trotzdem wurde und werde an der Justizvollzugsschule eine gute Ausbildung erreicht.

„Es gibt keine Verstopfungen und auch keine Rattenplage“

Der Sprecher stellt zudem klar: „Es gibt keine Verstopfungen, die Böden sind nicht verdeckt, sondern baujahrbedingt stark abgenutzt. Die Führung der Elektrokabel ist durch die Bauart der Gebäude nicht durchgehend unter Putz möglich. Dies führt jedoch zu keinen Beeinträchtigungen des Schulbetriebs.“ Die Matratzen, die 2019 neu beschafft worden seien, entsprächen einem hohen Standard. Und eine Rattenplage gebe es nicht. „Die Nagerköderstationen in der Sporthalle stammen aus der Zeit als diese noch als Essensausgabe für Flüchtlinge genutzt wurde.“

Justizministerium will die Gebäude erwerben, dann sanieren

Zum Schimmel im Keller heißt es aus dem Justizministerium: „Dieser Bereich wird nicht genutzt.“ Die fehlende W-Lan Abdeckung auf dem Gelände sei durch die Beschaffung von sogenannten Giga-Cubes sowohl für das Unterrichts- als auch Unterkunftsgebäude kompensiert worden.

Die Gebäude gehören dem Bund, das Justizministerium würde sie gerne erwerben. Welche Pläne für eine Sanierung gibt es? Gehrmann: „Seit 2020 wird an einer langfristigen Standortklärung gearbeitet. Sobald diese erfolgt ist, können die weiteren notwendigen Schritte eingeleitet werden.“ Kosten könnten noch nicht beziffert werden.

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